! Aktualisiert am 28. Februar 2021
Es gibt eine Menge Dinge in Japan, die wir schlichtweg lieben. In mancher Hinsicht haben die Japaner alles richtig gemacht. Aber wenn wir die rosarote Brille absetzen, gibt es auch ein paar Widersprüche, über die wir uns sehr wundern – und Dinge, die wir schlichtweg blöd finden.
Schon fünf Minuten nach unserer Zwischenlandung in Beijing vermissten wir Japan schmerzlich (geht mal in China auf eine öffentliche Toilette…). Und seit wir wieder zu Hause sind, seufzen wir mehrmals täglich sehnsüchtig auf.
Wie sollen wir von nun an ohne die zahlreichen Annehmlichkeiten und Vorzüge der japanischen Kultur zurechtkommen? Ohne Onigiri-Snacks, Luxus-Toiletten, Totoro und ungesüßten grünen Tee?
(Mindestens) 5 Dinge, die wir an Japan lieben
Eine kleine Auswahl:
Japaner sind unglaublich höflich
Die Höflichkeit, mit der sich Japaner im Alltag begegnen, ist für uns Europäer wirklich unglaublich. Da wird selbst im größten Gedränge nicht rücksichtslos geschubst oder geschimpft. Und wird man doch einmal aus Versehen berührt, hagelt es Verbeugungen und Entschuldigungen, so dass man gar keinen Groll empfinden kann.
Beim Betreten des Supermarktes schallt uns von jedem Verkäufer ein freundliches Willkommen entgegen, der Kassiervorgang wird von höflichen Gesten und Floskeln begleitet, natürlich packen wir unsere Käufe nicht selbst ein, und selbst die Tankwarte verabschieden uns mit einer tiefen Verbeugung.
Das steckt an: Wir lächeln in Japan eigentlich ständig und sind (fast) nie sauer auf jemanden.
Japaner lieben Kinder – und bleiben selbst welche
Selbst die gestandenen “Salarymen” in ihren grauen Anzügen zücken in der U-Bahn Smartphones in rosaroten Hüllen oder tragen Regenschirme mit Hello-Kitty-Motiv durch die Straßen. Baustellenabsperrungen haben in Japan grundsätzlich die Form niedlicher Tiere und jedes Hinweisschild wird mit einem witzigen Comic oder einem süßen Maskottchen illustriert. Überhaupt sind niedliche Comicfiguren (“kawaii!”) im japanischen Alltag allgegenwärtig. Sogar die Autos sind irgendwie knuffig…
Was im Rest der Welt albern rüberkommt, ist in Japan einfach grundsympathisch :-)
Japaner lieben Essen
Es gibt wohl kaum ein anderes Volk auf der Erde, das dem Essen solchen Respekt entgegenbringt wie die Japaner. Ganz ohne scharfe Gewürze oder Soßen kitzeln sie aus dem banalsten Lebensmittel seinen essenziellen Eigengeschmack heraus, stimmen ihn perfekt auf seine Begleiter im Menü ab, feiern regelrecht die Saison bestimmter Früchte und Produkte und richten sie so appetitlich an, dass selbst ein Gurkensandwich als Haute Cuisine herüberkäme.
Und nein, es gibt nicht nur japanisches Essen in Japan, weit gefehlt!
Japaner sind Weltmeister im Komfort
Die Grundbedürfnisse des Menschen sind Essen, Trinken und aufs Klo gehen, und an deren Befriedigung soll es in Japan keinem Menschen fehlen. Das muss der Hintergedanke sein, dass an wirklich jeder Ecke eine blitzsaubere öffentliche Toilette, (mindestens) ein Getränkeautomat und ein 24 Stunden geöffneter Mini-Supermarkt warten.
Egal, wie abgelegen die Gegend – diese Dreierkombi gibt es immer. Und das ist erst der Anfang; die Geschäfte sind voll von kleinen, praktischen Dingen, die man nicht unbedingt braucht, die einem aber den Alltag erleichtern und verschönern. Es muss einfach unglaublich bequem sein, in Japan zu leben!
Japaner sind Meister des Details
Die Aufmerksamkeit, die man in Japan selbst den kleinsten Dingen entgegenbringt, lässt uns immer wieder staunen. Das fängt bei der ausgesuchten Anordnung der Gurken im Gemüseregal an, reicht über die aufwendige und liebevolle Verpackung von banalen Einkäufen (und erst Geschenken!) bis hin zu den bekannten Künsten der Kalligrafie, der Garten-Architektur etc.
Welche Energie, welche Liebe und Mühe in alltägliche Dinge gesteckt werden, ist Wahnsinn – das Ergebnis sind dann aber auch Dinge und Orte, die wunderschön ausschauen und gegenüber denen man automatisch viel mehr Respekt empfindet. Wir haben nirgends in Japan Schmierereien an Wänden, Graffiti-Tags oder Spuren von Vandalismus gesehen. Das muss einen Grund haben!
Natürlich ist das bei weitem nicht alles, was wir wunderbar finden. Hier sind kurz und knapp unsere All-Time-Favorites in Japan:
Unsere Japan-Top-10
- die knuffigen japanischen Hybrid-Autos, die aussehen wie das Fahrzeug vom Sandmännchen
- die Zedern- und Bambuswälder und die nebenverhangenen Berge
- die Getränkeautomaten an jeder Ecke und der überraschend gute Kaffee (den es auch kalt in Literflaschen gibt…)
- Totoro und seine knuffigen Freunde aus dem Studio Ghibli
- Ninja!
- die allgegenwärtigen kleinen Reis- und Gemüsefelder
- die alten Städte mit ihren niedrigen Holzhäusern, den engen Gassen und den mit Laternen behängten Brücken
- die mystische Shinto-Religion und der entspannte Buddhismus, die sich vielerorts sogar die Tempel und Schreine teilen
- das wahnsinnig moderne und gar nicht hektische Tokio
- die zivilisierte Fahrkultur (und nein, hier fährt niemand die vorgeschriebenen 70 km/h auf dem Highway)
Die Lobhudelei brechen wir aber hier ab – denn uns sind auch einige widersprüchliche Dinge in Japan aufgefallen, die uns zum Grübeln brachten und die uns von dem Vorwurf reinwaschen sollen, wir würden Japan durch eine rosarote Brille betrachten!
Japanische Widersprüchlichkeiten: 10 Dinge in Japan, die uns (sehr) wundern
Es gibt die weltbesten Washlets, aber…
Über die japanischen Hightech-Toiletten sind schon zahlreiche Hymnen geschrieben worden, wir schließen uns ohne Weiteres an. Die Dinger sind wahnsinnig komfortabel und können einem arglosen Touristen den Urlaub retten, weil sie nicht nur in Fünf-Sterne-Hotels stehen, sondern einfach überall – im Supermarkt, im Tempel, an der Raststätte.
Dazwischen blitzen aber hartnäckig die Spuren der japanischen Vergangenheit auf: Zwischen all den Washlets gibt es immer auch ganz schlichte Hocktoiletten, die im Wesentlichen aus einem Loch im Boden und zwei Fußabtritten daneben bestehen. (Und manchmal, sehr selten, gibt es auch nur diese Art von Toiletten. Duh.)
Warum sollte irgendjemand, vor die Wahl gestellt, sich für eine Hocktoilette entscheiden??
Kein Japaner spricht Englisch, aber …
Was haben wir gestaunt, als wir nach fleißigem Lernen (keine Angst, das dauert mit unseren cleveren Flashcards* nur wenige Tage) der Katakana-Zeichen auf einmal die Schilder an den japanischen Geschäften, die Speisekarten und die Werbetafeln lesen konnten!
In den 1950er-Jahren, als das besiegte Japan von den USA besetzt und wiederaufgebaut wurde, nahmen die Japaner offenbar mehr von der amerikanischen Kultur auf, als ihnen selbst bewusst war (oder ist). Alle Wörter der modernen Neuzeit, für die es im Japanischen keine Entsprechung gab, wurden einfach so übernommen – und mit Hilfe der Katakana-Zeichen verschriftlicht. Mangels “L” und anderer typischer Lautverbindungen kamen dabei lustige Ergebnisse heraus, die man, wenn man sie laut ausspricht, eindeutig als Englisch erkennt.
Wie überaus witzig bzw. seltsam ist es da doch, dass selbst junge Japaner der Meinung sind, sie würden kein Wort Englisch sprechen – wo die Hälfte ihres Vokabulars aus einge-japanischten englischen Wörtern besteht!
Unser Campervan-Vermieter gab uns den Tipp, wenn wir eine Vokabel auf Japanisch nicht wüssten, sollten wir es einfach mit dem englischen Wort versuchen und dieses “japanisch” aussprechen. Aus Softdrink wird dann “so-fu-tu du-rin-ku”, aus Coin Laundry wird “ko-in ran-do-ri”, und aus dem Film “The Mummy” wird “Sa Ma-Mi”!
Es gibt kaum Straßencafés, aber …
Das haben wir wirklich vermisst: Nette kleine Straßencafés, die einem Gelegenheit zum “people watching” geben. In Japan ist (und isst) man eher für sich, in der Privatheit eines Separees oder einer winzigen Bar. Und meistens leider drinnen, wo man vor der feuchten Hitze, dem Regen oder der Winterkälte geschützt ist.
Wie unheimlich schade, denn der Kaffee, den man in solchen Cafés genießen könnte, ist wirklich hervorragend! Wir hatten keine Ahnung, dass frisch gebrühter Kaffee in Japan so gut ist. Selbst im 7Eleven-Supermarkt kann man sich für 120 Yen (1 Euro) seinen Kaffee frisch mahlen und aufbrühen lassen. Yummy!
Alle lieben Onsen, aber …
Liest man den Lonely Planet Japan*, kommt man zu dem Eindruck, dass Japan-Reisende vor allem am Besuch möglichst vieler Onsen interessiert sind. Die japanischen Reisenden sind das auf jeden Fall. Uns ist ohne weiteres verständlich, was man am Baden in Thermalquellen so toll findet, zumal die Becken oft draußen unter freiem Himmel angelegt sind – Entspannen im “rotemburo” ist einfach herrlich!
Warum genießen die Japaner aber nicht auch das schöne kühle Wasser ihrer klaren Bergflüsse oder das Wasser des Pazifiks an den vielen tollen Stränden? Es ist nicht so, dass dort gar kein Japaner baden würde, und es ist auch bei Weitem nicht so, dass Japaner keine Freude am Baden hätten – während der offiziellen Strandsaison, die von Mitte Juli bis Ende August geht, tun sie das ausgiebig und in voller Ausstattung.
Aber im Lonely Planet werden die schönen Badestrände mit keiner Zeile erwähnt, und dort, wo wir gebadet haben, waren wir die einzigen (eifrig beäugten) Ausländer.
Es gibt ein dichtes Netz an Michi no Eki, aber …
Was das Campervan-Reisen in Japan so unheimlich einfach macht, sind vor allem die kostenlosen Stellplätze. Zehntausende davon stehen im ganzen Land bereit, und zwar nicht etwa nur an den großen Highways. Wir waren fast nie allein dort, die Michi-no-Eki werden rege genutzt.
Was wir aber nie verstanden haben: Warum schließen die tollen Restaurants, die Souvenirshops und Geschäfte in diesen Raststätten genau dann, wenn man mit seinem Auto zum Übernachten eintrudelt? Japaner essen zeitig, aber selbst für sie ist ein Abendessen vor 17:30 Uhr unzumutbar.
Und wenn sie dann am nächsten Morgen weiterfahren, tun sie das grundsätzlich vor 7 Uhr – aber der Michi-no-Eki öffnet erst um 9 Uhr. Warum? Wir verstehen es nicht.
Es fällt unheimlich viel Müll an, aber …
Die große Schattenseite der japanischen Verpackungskunst ist die Verpackungswut – alles wird gründlichst verpackt, und zwar fast immer in mehreren Lagen Plastik. Nach einem Picknick zu fünft standen wir unweigerlich mit einer großen Mülltüte herum – und wurden diese nicht los, denn: Öffentliche Mülleimer sind in Japan äußerst dünn gesät (apropos: Wenn ihr auf Instagram seid, dann schaut euch diesen zuckersüßen Account über japanische Mülleimer an!).
Wer clever ist, wirft seine Flasche noch an dem Automaten, an dem er sie gezogen hat, in den bereitstehenden Mülleimer (der nur zwei kleine Öffnungen für eben diese Flaschen hat). Oder nutzt die Mülleimer an den Supermärkten. Auf dem flachen Land, an Sehenswürdigkeiten, in Parks – Pech gehabt.
Was in Deutschland und anderswo unweigerlich dazu führt, dass jeder seinen Müll in die Gegend wirft, funktioniert in Japan erstaunlicherweise andersherum: Es liegt kein Fitzelchen Müll herum. (Und da es so sauber überall ist, traut man sich natürlich nicht, der erste Schmutzfink zu sein.)
Auf Mülltrennung wird großer Wert gelegt, aber …
Man sagt uns Deutschen gern nach, wir wären Meister im Mülltrennen. Wer das sagt, war noch nicht in Japan! Hier wird mit japanischer Gründlichkeit (siehe oben) getrennt. Allerdings: vor allem zwischen verschiedenen Plastiksorten.
PET-Flaschen bitte hier hinein, dorthin die Dosen, da die Deckel der Flaschen, dort andere Verpackungen. Extra-Stationen gibt es für Pappe und Glasmüll. Zu Hause wird erwartet, dass man die Plastikverpackungen vor dem Wegwerfen auswäscht, zerschneidet und zusammenfaltet. Drei, fünf oder mehr Mülleimer nebeneinander sind ganz normal – und jeder Japaner hält sich an die Vorgaben.
Was jedoch schnell auffällt: Es gibt keinen Biomüll. Und es gibt kein Mehrwegsystem. Echtes Recycling findet bei der ganzen Mülltrennung in Japan nicht statt; und wir haben mehr als einmal gesehen, dass der säuberlich gesammelte Plastikmüll dann einfach in einer Tonne verbrannt wurde.
Pfui!
Alle lieben die Natur, aber …
In keinem anderen Land wird ein derartiger Hype um Jahreszeiten gemacht – zur Kirschblüte im Frühjahr drehen die Japaner durch, dasselbe dann im Herbst zur Laubfärbung. Es gibt offizielle Top-10-Listen der schönsten Orte, Wege, Wasserfälle und Strände in Japan. Wanderwege, Aussichtspunkte, Parks – alles ist darauf ausgelegt, dass man einen bewundernden Blick auf schön geformte Bäume, Flussläufe, Wasserfälle, Berggipfel etc. werfen kann.
Anstatt im Meer zu baden oder einen Berg zu besteigen, stellen sich die Japaner lieber auf eine Aussichtsplattform und bewundern die Schönheit der Szenerie. Und können dabei alles ausblenden, was uns Europäer am Gesamtbild stört: Stromkabel (die wegen der Erdbeben nie unterirdisch verlegt werden), Werbeschilder, hässliche Hotels…
Schaut man jedoch hinter die Hochglanzseiten der Touristenbroschüren, zeigt sich ein anderes Bild von Japan: Große Teile der Landschaft sind asphaltiert, zubetoniert, fast alle Flussläufe sind eingedämmt und begradigt, viele Wälder sind nur noch Zedern-Plantagen (gegen die mittlerweile zehn Prozent der Japaner allergisch sind!).
In den insgesamt sechs Wochen unserer Japan-Roadtrips haben wir nur ein einziges Mal mit unserem Campervan auf Sand und Wiese geparkt!
Fangen wir gar nicht erst davon an, dass auch nach wie vor in Japan Walfang praktiziert wird und jedes Jahr in Taiji hunderte Delfine abgeschlachtet werden :-(
Kein Japaner, den man fragt, wird all das gutheißen. Aber es ist Alltag im modernen Japan, und wir befürchten, dass diese Entwicklung fortschreiten und auch die unberührten Ecken des Landes ergreifen wird. (Darüber lese ich gerade ein äußerst aufschlussreiches und erschreckendes Buch von Alex Kerr, der seit den 1970er-Jahren in Japan lebt: Dogs and Demons – the Fall of Modern Japan*. Lesetipp für alle, die hinter die Kulissen schauen wollen!)
Also: Reist nach Japan und schaut es euch an. Nicht überall sieht es so hässlich aus wie in den Ballungszentren rund um Tokio und Kyoto. Aber glaubt man Kerrs Analyse, dann ist es nur eine Frage der Zeit…
Sicherheit wird großgeschrieben, aber …
Wir haben oft geschmunzelt, wie viel Sorge der japanische Staat um die Sicherheit seiner Bürger hat. Überall gibt es Warnschilder, Verkehrspolizisten mit “Lichtschwertern” tragen Passanten regelrecht über die Straße, wenn die Fußgängerampel Grün ist und es auch noch einen Zebrastreifen gibt. Baustellen und Ausfahrten werden von zehn winkenden Arbeitern gesäumt. Es könnte ja etwas passieren!
Anlass gibt es natürlich genug – Erdbeben und Tsunamis sind in Japan an der Tagesordnung, also wird man an jeder Ecke darauf hingewiesen, wohin man dann fliehen sollte und wie hoch über dem Meeresspiegel man sich gerade befindet. An den Küsten von Shikoku und dem östlichen Tohoku (wo der Tsunami von 2011 mehrere zehntausend Todesopfer forderte) versperren bis zu 15 Meter hohe Betonwälle den Blick aufs Meer, die Strände sind übersät mit riesigen Wellenbrechern. Alles im Namen der Sicherheit.
Aber wie oft passiert denn so ein Tsunami? Und wie oft passiert ein Verkehrsunfall?*
Wir haben uns schon ein wenig gewundert, dass die vielen Fahrradfahrer im sicherheitsbewussten Japan nie einen Helm trugen. Dass es in kleineren Städten keine Bürgersteige gibt und man in den engen Straßen fast umgefahren wird. Dass Kinder ab sechs Jahren im Auto keinen Kindersitz mehr benutzen müssen – ein Alter, in dem den allermeisten japanischen Kindern der Erwachsenen-Sicherheitsgurt regelrecht den Hals abschneidet. Selbst unser Achtjähriger hat auf seiner Sitzerhöhung bestanden, einfach um bequem zu sitzen.
*Wir haben recherchiert: Japans Verkehrssicherheit ist tatsächlich hoch. Auf 100.000 Einwohner kommen jährlich nur 4,7 Verkehrstote, im Vergleich zu 17 in Südostasien. In Deutschland sind es aber auch nur 4,3!
Alles funktioniert perfekt, aber …
Für Deutsche-Bahn-Fahrer ist es faszinierend, wie sekundengenau pünktlich japanische Züge sind. Sie kommen sogar zentimetergenau dort zum Halten, wo auf dem Bahnsteig die Türen markiert sind. Und die Züge sind nur ein Beispiel dafür, wie perfekt in Japan das öffentliche Leben funktioniert. Kommen viele Menschen auf einen Haufen zusammen, was ja an touristischen Attraktionen häufig ist, gibt es kein Gedränge am Ticketschalter oder Park-Chaos. Alles ist geregelt, alles funktioniert.
Das liegt daran, dass sich alle eisern an die Regeln halten. Pfeift der Bademeister, gehen alle Kinder aus dem Schwimmbecken – auch wenn sie gerade erst hineingesprungen sind. Rauchen auf der Straße ist verboten, also macht man es nicht; auch nicht heimlich. Ist noch keine Badesaison, geht man nicht baden, auch wenn die Sonne lacht und die Saison offiziell morgen beginnt.
Verbotsschilder sieht man in Japan an jeder Ecke, buchstäblich alles ist verboten – und alle halten sich daran, auch wenn gar keine Strafen angedroht werden!
Klar, Japan ist klasse, und es ist sehr angenehm, durch saubere, ordentliche Straßen zu spazieren, ohne drängeln zu müssen. Aber ob wir auf Dauer damit zurechtkommen würden? Dafür sind wir wohl doch zu sehr Europäer, auf unsere Unabhängigkeit und Individualität bedacht. Wir gehen auch gern mal bei Rot über die Straße, wenn kein Auto kommt. Und nehmen dafür dann wohl oder übel das Gedrängel am Bahnhof und die Hundekacke am Wegrand hin… ;-)
Warnung: Das sollte man wissen, wenn man nach Japan reist
Hier ganz am Ende kommen sie also doch noch: die Beschwerden. Man soll ja nicht meckern, wenn Dinge in einem Land mit einer anderen Kultur anders gehandhabt werden – dass die Menschen unterschiedliche Vorlieben haben, andere Perspektiven und andere Ansichten, macht ja gerade die Faszination des Reisens aus.
Wir wollen trotzdem kurz warnen, damit es auf eurer Japan-Reise keine Enttäuschungen gibt (die wir durchaus auch hatten):
- Vom Müll und der Unmöglichkeit, ihn loszuwerden, haben wir schon gesprochen.
- Auch vom verbreiteten Asphalt und den vielerorts sehr “vorgefertigten” Naturerlebnissen.
- Damit eng zusammen hängt das japanische Verständnis vom Wandern: Es ist sehr schwierig, einen Wanderweg zu finden, wie wir ihn aus Europa (oder Neuseeland) kennen. Siehe oben: Normalerweise wird man da auf kurzen, befestigten Wegen von schönem Ausblick zu schönem Ausblick geleitet. (Im Weltreiseforum gibt es ein paar gute Wandertipps für Japan!)
- Auch eine unberührte Badestelle oder einen Strand ohne Bademeister findet man eher selten und muss sich dann eventuell mit besorgten Einheimischen auseinandersetzen, die einen vom gefährlichen unbewachten Baden abhalten wollen.
- Die meisten Attraktionen in Japan (abseits von Tokio und Kyoto) werden vor allem von Japanern besucht. Das heißt aber nicht, dass es dort ruhig zugehen würde – im Gegenteil! Stellt euch auf regelrechte Massen von Besuchern ein, vor allem an Feiertagen und in den Ferien. Die Obon-Woche im August, wo alle Japaner Urlaub machen, sollte man tunlichst meiden!
- Eher eine Warnung für die Damen: In Japan gibt es sehr große Spinnen und andere Insekten (Zikaden, Hirschkäfer, Motten…), die einem auch an diesen “vorgefertigten” Attraktionen begegnen können. Wer da Probleme hat: wappnet euch!
Welche seltsamen Dinge in Japan sind euch aufgefallen – positiv oder negativ?
Buchtipp: So sind sie, die Japaner* aus der Reihe “Die Fremdenversteher” von Reise Know-How erklärt auf knappen 100 Seiten das Wichtigste über die Vorlieben und Eigenarten der Japaner – humorvoll, wenn auch manchmal etwas überheblich. Auf unsere Fragen haben wir aber dort auch keine Antwort bekommen :-(- Nicole von Passenger X sind noch viele andere Seltsamkeiten in Japan aufgefallen
- Die besten Infos über Fettnäpfchen in Japan hat das Wanderweib
- Wellington mit Kindern: die besten Tipps für 1, 2 oder mehr Tage - 21. Dezember 2024
- Neuseeland mit Kind Karte: mehr als 450 Tipps für Familien auf Google Maps! - 25. Oktober 2024
- DOC Campsite Pass in Neuseeland: Lohnt er sich für Familien? - 5. Oktober 2024
Ich bin plötzlich auf deinen Beitrag gestoßen und finde es interessant, welche Dinge du hier alles genannt hast! Ich lebe selbst seit einem Jahr in Japan und kann das so bestätigen.
Was ich persönlich auch schade finde ist die Geschichte mit dem Müllsystem hier. Vor allem auch mit dem Biomüll, den es hier leider nicht gibt. Genauso wie das Pfandsystem in Deutschland vermisse ich doch ein wenig und würde mir auch zu gerne das für Japan wünschen.
LG aus Japan
Aylin
Hallo,
interessanter Beitrag, ich war jetzt schon/erst zweimal in Japan und kann einiges bestätigen, aber nicht alles. Natürlich, in Tokyo oder Kyoto wird mal als Wanderer schon gegängelt aber wer zum Beispiel Tokyos Hausberg , den Takao San, besucht bekommt auch unbefestigte Wanderwege zu sehen.
Dass Japaner kein Englisch können, stimmt so nicht, sie können es meisten eben nur sehr schlecht, gut genug, um zu verstehen, was/wohin man will, aber zu schlecht, um sich wirklich zu unterhalten, und man muss sie ansprechen, von alleine wird sich keiner trauen, euch anzusprechen.
Hallo Mike,
deshalb wollen wir ja unbedingt noch einmal nach Japan: um auch die unbefestigten Wanderwege zu entdecken. ;-)
Tatsächlich haben uns in Japan mehrmals Leute von sich aus angesprochen, oft wollten die Englisch üben oder unsere Jüngste bewundern :-) Das beste Erlebnis in der Hinsicht war spätabends auf einem Parkplatz in Kyoto: Da kam ein angetrunkener Mann zu uns und wollte quatschen. Mit dem haben wir uns sehr lange und sehr nett unterhalten, auch wenn er nur drei Wörter Englisch konnte und unser Google Translate offenbar nur Quatsch übersetzt hat.
Liebe Grüße
Jenny
Toller Beitrag! Bei vielem musste ich einfach schmunzeln und an meiner Zeit, als ich 1 Jahr in Japan war, denken! Und ich muss ganz ehrlich sein, ich vermisse Japans Schrulligkeit auch wenn nicht alles sooo toll ist, wie viele denken.
Das mit dem Englisch ist ziemlich kompliziert in Japan. Das hat aber auch mit dem Schulsystem dort zu tun. Die meisten Japaner können Englisch lesen und schreiben, sprechen eher nicht. Die Meisten schämen sich für ihr schlechtes Englisch, weswegen lieber geschwiegen wird. Zumindest ist das meine Erfahrung aus Japan.
LG Katharina
Eben nicht, das ist auch eine interessante Dikothomie: neben dem Fortschritt, der echt Wahnsinn ist, ehrt man “Altes” sehr. Das fande ich faszinierend. Und Hockklos finde ich hervorragend! Sauber, einfach und ja, die Position hilft ;)
Das Verbote-Compliance kommt aus der Geschichte. Es ist nicht lange her, dass eine ganze Dorf bestrafft wurde, wenn nur ein Mitglied Mist gebaut hat (so sehr simplistisch ausgedruckt). Man muss sich unbedingt mit dem Geschichte Japans im Ernst befassen, um die Leute zu verstehen.
Und auch wenn die Leute kein English sprechen im Sinne vom man kann sich nicht mit ihnen über komplexe Themen unterhalten, so sind sie wirklich Meister der Kommunikation ohne Wörte. Es lohnt sich in Japan, finde ich, so zu reisen, dass man so viel wie möglich unter den Japaner kommt. Dann kommen vielleicht noch andere “Skurillekeiten” zum Licht, aber es ist unglaublich bereichend.
Liebe Jenny,
ein toller Artikel ist das geworden mit interessanten Ausführungen eurer Gedanken. Ich mag die rosa Brille bei Japan nicht. Jeder, der eine Weile in Japan gelebt hat, merkt schnell, dass auch Japan weit davon entfernt ist, ein perfektes Land zu sein. Das ist wie mit den Menschen. Aber das ist auch gar nicht notwendig, finde ich. Die Japaner haben dafür sogar einen Begriff: Wabisabi – das unperfekt Schöne.
Einige Merkwürdigkeiten ergeben im täglichen Leben dort aber tatsächlich Sinn. Angefangen bei den Toiletten. Klar ist das Hightechklo klasse, aber was ist mit den vielen alten Menschen? Die bevorzugen oft noch das Hockklo. Es ist hygienisch und leicht zu reinigen, man braucht keinen Strom und ist mit einem Kimono viel einfacher zu benutzen.
Zum Thema draußen sitzen, Badekultur und Sonnenanbetung habe ich meine eigenen Erfahrungen gemacht. Lange habe ich in einem Blumecafé in Garten gearbeitet. Die Aussenplätze mit Sonnenschirmen und tollem Blick auf Fluß und Berge, die hättenwir uns sparen können. Nicht mal Ausländer haben sich da hingesetzt .
Eine echte Strand Kultur gibt es auf jeden Fall auf Okinawa. Aber da wirst du dich auch wundern. Eine Standmuschel ist Minimum. Meistens wird ein Zeltdach aufgebaut und es wird gegrillt. Einfach in der Sonne liegen und braun werden – selten.
Die Öffnungszeiten von Michi no Eki fand ich auch immer sehr unverständlich. Liegt wahrscheinlich daran, dass es sich ja nicht um einen Campingplatz handelt, sondern von den meisten als Zwischenstopp für Tagesausflüge genutzt wird. Da bei Dunkelheit fahren nicht üblich ist (warum auch, kann man ja nichts mehr von der Natur sehen) werden die Restaurant bei Dämmerung geschlossen. Ein Michi no Eki ist halt weit davon entfernt mit unserer Autobahn Raststätte verglichen zu werden.
Ein paar Erklärungsversuche meinerseits. Wenn auch nicht alle. Könnte da endlos weitermachen, da ich mich gerade sehr intensiv mit dem Thema beschäftige.
Wenn du noch konkrete Fragen hast, lass es mich wissen.
Liebe Grüße
Daniela
Liebe Dani,
viele deiner Erklärungen machen Sinn – danke! Warum sollte man nachts fahren, da sieht man ja nichts mehr… So ein Gedanke wäre mir gar nicht gekommen, aber man setzt halt viel zu viel voraus, was gar nicht so selbstverständlich ist. Auch dass man mit einem Kimono besser über einem Loch hockt… logisch! Die recht übertriebene Badekultur haben wir auch auf Shikoku und in Amanohashidate gesehen und uns ordentlich amüsiert – wenn schon, denn schon, ist da die Devise, oder? ;-)
Nur die Abneigung gegenüber Straßencafés will mir nicht in den Kopf. Müssen wir halt akzeptieren als “andere Länder, andere Sitten”.
Liebe Grüße
Jenny
Ich musste eben gut lachen, denn euer Bild von der Straßenabsperrung kam mir verdächtig bekannt vor. Genau so eins habe ich auch geschossen. Dieser Hello Kitty Wahn ist wahnsinnig schräg.
In Japan gibt es schon echt so einige Skurrilitäten. Die WCs natürlich, aber auch so lustige Händewärmer an Fahrrädern und das Plastikessen in den Schaufenstern. Und dann so herrliche Dinge, wie die von euch erwähnte Freundlichkeit. Das habe ich so echt noch nie woanders erlebt.
Ich habe wie ihr, nach meiner Japanreise eine Liste der skurrilsten Beobachtungen erstellt.
Schaut mal rein, da gibt es bestimmt noch was, wo ihr auch schmunzeln müsst;)
http://passenger-x.de/reisen/asien/japan/kuriositaeten/
Liebe Grüße
Nicole von PASSENGER X
Das Buch von Kerr habe ich vor ein paar Jahren auch gelesen. Wahnsinnig spannend und aufschlussreich. Ich hab dort auch das erste Mal von Toshio Shibata gelesen (der Betonfotograf), den ich in der Folge mal interviewte. Ebenfalls lesenswert ist Ian Buruma mit seinem Buch zur japanischen Vergangenheitsbewältigung, falls du das noch nicht kennst.
Ich verstehe nicht, wieso Mitteleuropäer immer gegen Hockklos sind. Das ist doch viel besser. Du kommst mit keinem Teil der Toilette in Berührung und angeblich fällt es in der Hockposition auf Grund des Winkels leichter, den Darm zu entleeren. Zudem dehnst du auch gleich noch die Waden. Wenn ich die Wahl habe, nehme ich fast immer das Hockklo…
Lieber Oli,
danke für den Buchtipp! Solche Japan-Bücher ohne rosarote Brille oder “Kuckt mal, wie verrückt die alle sind”-Attitüde finde ich total spannend.
Waden dehnen? Darm schonen? Wenn ich aufs Klo gehe, will ich mich entspannen! ;-)
Sich untenrum waschen zu können, empfand ich im Sommer als extremen Luxus (zumal wir ja im Campervan keine Waschgelegenheit hatten) und sehr hygienisch. Zumal man ja in der Regel auch noch alles desinfizieren kann auf Wunsch.
Und versuch mal, eine Dreijährige auf so einer Hocktoilette zu platzieren… jedes Mal ein Desaster! ;-)
Wie kenne ich das Seufzen, sobald man aus Japan zurück ist. Wenn einem niemand mehr in Restaurant oder Supermarkt ein “irrashaimase” entgegen ruft -_-
Die niedlichen Baustellenabsperrungen sind so üblich, dass ich glatt ein Foto geschossen habe, als ich mal ganz normale entdeckt habe *lach*
Von deinen Fragen beantworte ich nur die natürlich allerdringlichste: die nach der Hocktoilette ;) Bei meinen ersten Begegnungen damit, fand ich die Dinger schrecklich und tat mir selber schrecklich leid, wenn es wirklich mal keine Alternative gab. Auf den letzten Reisen habe ich sie aber mehr und mehr genutzt…vorausgesetzt ich war mit Rock unterwegs. Sie sind eher frei als eine westliche und außerhalb der großen Städte habe ich, wenn auch selten, durchaus unappetitliche Toiletten erlebt, bei denen es mir lieber war, mich nicht hinzusetzen.
In der Stadt ziehe ich ein modernes Washlet so einem gefühlten Plumpsklo jederzeit vor, aber es gibt tatsächlich Situationen, wo sich die Benutzung der traditionellen Toiletten anbietet.
Okay, die Hocktoilette hat also auch ihre Vorteile. Trotzdem wundert es mich, dass die beiden “Extreme” immer parallel angeboten werden. Im Sinne des Fortschritts müssten die alten Toiletten ja langsam verschwinden…