! Aktualisiert am 6. April 2021
Zuguterletzt also noch ein Japan-Stopover. Ob das eine gute Idee war – nach sieben Wochen Natur und Einsamkeit mit müden Kindern, Jetlag und all dem Gepäck noch die Konfrontation mit dem absolut Unbekannten, aber durch zahlreiche Reportagen hinreichend als absolut fremdartig Bekannten wagen? Ja!
Unser Japan-Stopover nach 2 Monaten Neuseeland
Sieben Wochen lang hatte ein Reiseführer von Tokyo in unserem Campervan herumgelegen und auf interessierte Leser gewartet; eine halbe Stunde Lektüre darin, während ich am menschenleeren Muriwai Beach den Wellen beim Rauschen zusah, erfüllte mich bereits mit leisem Grauen. Den letzten Anstoß gab schließlich die tapfer englisch radebrechende Dame am Tourismus-Infostand am Flughafen; der Stadtplan von Tokyo war fast größer als ihre ausgebreiteten Arme…
Ich gestehe also: Wir waren feige, wir haben uns nicht getraut. Wir sind mit dem Shuttlebus in unser Hotel gefahren, das im Übrigen nichts zu wünschen übrig ließ und „Narita Tobu Hotel Airport“ heißt, und haben geschlafen. Schlaf des Gerechten. Am nächsten Morgen sind wir frühstücken gegangen – und zwar japanisch! – und haben uns dann, wiederum per kostenlosem Shuttlebus, in die alte Tempelstadt von Narita shutteln lassen.
Statt Tokio: Narita
In Narita gibt es nämlich, und das hat uns mit unserer Feigheit versöhnt, nicht nur den internationalen Flughafen und die Aeon-Shoppingmall, sondern auch einen uralten und offenbar landesweit berühmten Tempelkomplex, den Naritasan Shinshoji, welcher umringt ist von alten Gässchen mit alten Holzhäuschen, in und vor denen hauptsächlich drei Spezialitäten feilgeboten werden: eingelegtes Gemüse (tsukemono), Reiscracker (teyaki-senbei) und… Aal.
Letzteren kann man in zehn Minuten von der Lebendfiletierung bis zur gegrillten Vertilgung auf Reisbett verfolgen; alles auf einer Fläche von ca. fünf Quadratmetern. Japaner aus dem ganzen Land kommen nach Narita zum Aal essen, weil das Stärke verleihen soll. Nun ja.
Da Wochenende war, bummelte eine erkleckliche Anzahl an Besuchern in Narita herum, wir sahen zu unserer großen Erleichterung sogar ein oder zwei Nicht-Asiaten (wieso hatte man sofort das dringende Gefühl, sich mit denen verbrüdern zu müssen?). Die absolut fremde japanische Kultur mit ihren ganz offensichtlich zahlreichen, für uns Europäer aber unverständlichen Regeln und Gebräuchen versorgte uns den ganzen Tag über mit einem konstanten Input, der für Reaktionen von Amüsement über Befremden bis zu kompletter Verblüffung sorgte.
Zwischen den zarten, schlanken und überaus gepflegten Japanern kamen wir uns unheimlich groß, ungeschlacht und unfrisiert vor – wir trugen ja unsere zerknitterten Sommer-Wandersachen und das wegen der Winterkälte im vierlagigen Zwiebellook.
Während der Weltwundermann die nahezu professionelle Freundlichkeit und bis zur Selbstverleugnung reichende Höflichkeit als anstrengend und unehrlich empfindet, finde ich es sehr entspannend, mich in einem sicheren Geflecht von Regeln zu bewegen, die sicherstellen, dass alle sich benehmen und jeder sein Gesicht wahren kann. Wer weiß, ob ich es auch im Alltag noch lustig finden würde, mich ständig zu verbeugen und „arrigato“ zu säuseln…
Für die Weltwunderkinder war es ein sehr anstrengender Tag. Neben dem Jetlag war es für sie schwierig, von der weitgehend regelfreien Outdoor-Welt des rustikalen Neuseeland umzuschalten auf die Stadt, die japanischen Höflichkeits- und Anstandsregeln und vor allem das respektvolle Verhalten in einem Tempel. Was schon für uns unverständlich war, konnten wir den Kindern kaum erklären; hier beten Menschen eine Gottheit an, oder sind es mehrere? Oder ist es gar kein Gott, sondern ein Geist – „Fudo-myoo, the god of fire“?
Und warum sind die Mönche so bunt angezogen und schlagen ständig auf Trommeln und Zimbeln, warum schwenken sie die Handtaschen der Besucherinnen über ein Feuer und warum darf man nicht laut reden, wo doch die Mönche ständig singen? Im Unterschied zu uns reagierten die Kinder leider nicht mit stiller Faszination, sondern mit aus Überforderung resultierendem Jammern und Herumhampeln. Ergebnis: Tränenreiches Ende unseres Tempelbesuchs. (Später allerdings auch Tränen der Freude, weil beide Kinder einen lang und heiß ersehnten Totoro bekamen. Oh, das herrliche japanische Spielzeug…)
Den Besuch im schnuckeligen kleinen Restaurant mit japanischer Speisekarte, exakt zwei Wörtern Englisch sprechender Bedienung und mutiger Bestellung per Zeigefinger-Methode verschlief der Weltenwundersohn zum Glück und die Tochter gab sich mit plain rice zufrieden; den mit Stäbchen aus der Schale zu bekommen, war schwierig genug.
Den Aal, die Reiscracker (am Stiel!) und die Soba-Nudeln, Naritas Spezialitäten, haben wir pflichtschuldig probiert und für gut befunden. Nun müssen wir nur noch herausfinden, was das für seltsame Fleischstückchen in der größeren Schale waren; was könnte „muutse“ nur heißen, ergänzt durch einen Fingerzeig auf die Körpermitte?
Fazit: Ist ein Japan-Stopover nach Neuseeland eine gute Idee?
Fazit: Es war die richtige Entscheidung, auf Tokyo zu verzichten; allein für die Hin- und Rückfahrt hätten wir mindestens zwei Stunden mit dem Zug gebraucht, von den zusätzlichen Yen (von denen am Ende der Reise nicht mehr viele da waren…) ganz zu schweigen. Tokyo ist so groß, dass wir an einem einzigen Tag sowieso nur einen kurzen Blick drauf hätten werfen können – mehr als in Narita wäre dabei sowieso nicht rumgekommen.
Die faszinierende (und anstrengende) japanische Kultur an sich haben wir hier relativ stressfrei antesten können; ein „richtiger“ Urlaub in Japan steht jetzt fest auf unserer Agenda. Die Kinder lassen wir vorher aber noch ein paar Jahre älter werden, denn die Fremdartigkeit dieser Kultur kann man doch erst richtig würdigen, wenn man die Regeln der eigenen Kultur beherrscht. Ganz zu schweigen vom Umgang mit Essstäbchen…
Update: Wir haben es getan – und sind seit dem Japan-Stopover 2011 schon zweimal für jeweils 3 Wochen in Japan gewesen. Natürlich im Campervan, wie es sich für die Weltwunderer gehört ;-)
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[…] waren ja nun bereits einmal für drei Tage in Japan, als wir 2011 aus Neuseeland zurückkamen. Unser Eindruck: Exotisch im Sinne von komplett anders ist die japanische Kultur tatsächlich. Das geht beim Essen […]
ich bin ja wirklich froh, dass ihr heile wieder angekommen seid und frage mich immer wieder wie viel doppelt schlimmer es sich anfühlen muss, gerade eben noch so nah an 2 so schrecklichen katasrophengebieten gewesen zu sein.