Ist man wirklich auf Reisen in Japan aufgeschmissen, ohne nicht mindestens einen Grundkurs in Japanisch belegt zu haben? Hand aufs Herz, welcher normale Mensch hat im hektischen Alltag die Zeit dafür? Wir haben trotzdem ein bisschen Japanisch gelernt – und es eigentlich gar nicht gebraucht.
Dass wir uns in Japan nicht verständigen könnten, war vor der Reise unsere größte Sorge – und gleichzeitig der Punkt, der uns am meisten faszinierte. Sollte es wirklich unmöglich sein, sich mit Englisch durchzuschlagen? In einem Land, das technische Wunderwerke hervorgebracht hat und allgemein für Hightech und Fortschritt steht? Weder in Thailand noch in Vietnam oder Kambodscha hatten wir je Probleme, uns in (gebrochenem) Englisch zu verständigen.
Erste Internet-Recherchen bestätigen die Gerüchte. Versuche, online ein Hotel oder einen Mietwagen zu buchen, scheiterten daran, dass sämtliche Websites ausschließlich auf Japanisch sind. Unsere höflich formulierten Buchungsanfragen an Hotels (auf Englisch) wurden ignoriert, und dass wir unseren Führerschein nur von einem in Japan lebenden Japaner ins Japanische übersetzen lassen durften, habe ich ja schon erzählt.
So schlimm ging es zum Glück nicht weiter!
Durch Japan reisen ohne Japanisch: das geht (zum Teil)
Zum Glück gibt es heutzutage Airbnb & Co., und zum allergrößten Glück fanden wir über Facebook eine Wohnmobil-Vermietung mit neuseeländisch-polnischer Besetzung, über die wir unseren Campervan buchten.
Zuerst mal die Entwarnung: Natürlich sprechen viele Japaner Englisch. In Hotels und an den Flughäfen haben wir uns ohne Probleme auf Englisch verständigen können, und auch andere Reisende unterhielten sich gern mit uns auf Englisch. Manche fließend, manche mit viel Mühe, aber alle mit Begeisterung. Wir haben bei solchen Gesprächen viele interessante Dinge erfahren.
Die allermeisten Straßenschilder, Hinweisschilder und Warnschilder sind ebenfalls zweisprachig, manchmal sogar “dreisprachig” – Japanisch und Englisch werden dann durch sehr gut verständliche (und immer niedliche) Comic-Beschreibungen oder wenigstens Icons ergänzt. Ein Ticket für die Metro zu kaufen, dem Highway-Verlauf zu folgen oder zu verstehen, wohin wir uns im Tsunami-Fall flüchten müssten, war also auch nie ein Problem.
Durch Japan reisen ohne Japanisch: das geht nicht (ganz)
Hier kommt allerdings schon das Cave: Viele Japaner, die eigentlich durchaus in der Lage sein sollten, Englisch zu sprechen, tun das trotzdem nicht – und zwar aus Höflichkeit. Sie wollen Ausländer nicht mit ihrem “schlechten” Englisch brüskieren und lehnen daher von vornherein jede Konversation auf Englisch ab.
Auf unsere Frage “Do you speak English?” bekamen wir daher oft die sehr freundlich, aber mit abwehrend wedelnden Händen und viel Gekicher vorgebrachte Antwort “Sorry, no!”.
Und dann gibt es noch die wirklich überraschend vielen Japaner, die offenbar tatsächlich kein Wort Englisch sprechen. Das Problem für uns Touristen: Diese Japaner arbeiten auch als Zugschaffner, am Info-Stand der Metro oder an Sehenswürdigkeiten. Auch an Tankstellen, in Onsens, in Restaurants oder auf internationalen Festivals standen wir oft “sprachlos” da – coole junge Männer mit Gel-Frisuren und Tattoos, blondierte Surfer-Dudes oder schicke junge Damen begegneten uns zwar immer ausgesucht höflich, aber konnten nicht einmal verstehen, wenn wir nach “water” fragten.
Auch beim Einkaufen hatten wir viel “Spaß”, denn die allermeisten Waren und Produkte sind ausschließlich auf Japanisch beschriftet. Immerhin werden fast immer die uns vertrauten arabischen Ziffern verwendet, so dass man Preise, Gewicht etc. gut erkennen kann (und das ist nicht selbstverständlich, denn es gibt eigentlich auch japanische Schreibweisen für die Zahlen!).
Tipp: Wenn euch ein Onigiri oder ein Nudelgericht aus dem Supermarkt besonders gut geschmeckt hat oder eure Kinder (wie unsere) nur Lachs als Füllung akzeptieren, lohnt es sich, das Schild des leckeren Essens zu fotografieren. Die Zeichen für “sake” (Lachs) konnten unsere Kinder schnell wiedererkennen und suchten ihren Lieblingssnack dann selbst aus.
Für nicht-japanische Touristen, die kein Japanisch sprechen, ist das Essen trotzdem der Bereich, in dem man ganz ohne Sprachkenntnisse wunderbar zurechtkommt. Das Stichwort lautet “plastic fake food“, oder “sampuru” (einge-japanischt von “sample”). Wirklich wahr: Vor nahezu jedem japanischen Restaurant oder Imbiss stehen alle Gerichte, die ihr dort kaufen könnt, als Plastikmodelle zum Anschauen bereit.
Alternativ findet ihr in der Speisekarte Abbildungen der einzelnen Gerichte. Und das Essen sieht dann wirklich exakt so aus. Ihr müsst also nur draufzeigen, und das Essen kommt exakt so auf den Tisch. Bei komplizierteren Gerichten haben uns die Kellner geduldig und minutiös vorgemacht, wie wir sie am Tisch zubereiten sollten.
So haben wir Japanisch gelernt. Ein bisschen.
Hochmotiviert legte ich einige Monate vor unserer Abreise einen Stapel Lehrbücher* auf den Küchentisch: Los, Leute, Japanisch lernen! Aber wie es im Alltag einer Familie so ist: Unser Vorsatz, jeden Tag fünf neue Wörter zu lernen, geriet nach den ersten 15 Wörtern in Vergessenheit.
Nicht nur, weil man so viel anderes zu erledigen hat – schon die erste Grammatik-Lektion ließ uns in totaler Ratlosigkeit zurück. Konjugieren, Deklinieren, Zählen, das alles funktioniert auf Japanisch komplett anders. Wir schoben die Lehrbücher also verschämt ins Regal zurück und packten nur ein kleines Reisewörterbuch ein: den Kauderwelsch-Sprachführer Japanisch* von Reise Know-How, der uns nach einigem Vergleichen besser erschien als der ebenso kompakte kleine Sprachführer von Lonely Planet*.
Unsere wichtigsten Gadgets im Land waren dann der Google Translator (der vor allem für die Verständigung mit Japanern auf der Straße genutzt wurde, allerdings oft sehr witzige und ganz offensichtlich falsche Übersetzungen hervorbrachte – was immerhin für viel Gelächter auf beiden Seiten sorgte) und ein Stapel “Flashcards”*, also Lernkarten, auf denen die Silbenzeichen der beiden Kana-Systeme standen. Wir entschieden uns vorerst für die hübscheren Hiragana-Zeichen und fingen an, uns Eselsbrücken zu bauen.
Hier sei mir ein kleiner Rant erlaubt. Ich beherrsche das lateinische Alphabet und das kyrillische. Aber diese Schriftzeichen verspotten jede mitteleuropäische Logik! Habe ich mir endlich das Zeichen für „ta“ gemerkt, ist das „sa“ wieder aus meinem Kopf verschwunden. Es sieht nämlich total anders aus. Was aussieht wie ein großes T, ist ein „yo“. Und hängt hinter einem „hi“ ein kleiner Haken, heißt es plötzlich „bi“. Es ist zum Verzweifeln!
Der visuell geschulte Weltwundermann (er ist halt Grafiker) war mir nach ein paar Tagen Üben weit voraus und „las“ begeistert jedes Schild vor, das er entziffern konnte.
Reise-Anekdote: Ein älterer Herr im Dörfchen Shirakawa kam verwundert vor die Tür seines Ladens, wo wir uns eifrig diskutierend über die Fußmatte beugten. Hier stand: いらっしゃいます. Wir lasen: „I-ra-tsu-shi-ya-i-ma-su“. Er lächelte und half uns: „Irasshaimasu“ – „Willkommen“!
Unser Hochgefühl war allerdings von kurzer Dauer. Schnell bemerkten wir, dass wir das „falsche“ Zeichensystem gelernt hatten. Verkehrsschilder und Werbetafeln, die vor allem Eigennamen und Lehnwörter aus dem Englischen zeigen, sind nämlich fast immer in Katakana geschrieben. Das lernen wir dann vielleicht auf unserer nächsten Japan-Reise. Bis dahin streike ich, mein Kopf ist voll.
Am Tag des Abflugs konnten wir immerhin (fast) alle auf Japanisch bis Zehn zählen, Ja und Nein sagen (wobei kein Japaner jemals ausdrücklich „nein“ sagen würde!) und wichtige japanische Redewendungen wie „Entschuldigung“, „Verzeihung“ und „Entschuldigen Sie bitte?“.
Keine Sorge: Die wichtigsten Floskeln hört ihr so oft, dass ihr sie ganz automatisch schnell beherrschen werdet. Einzelne Wörter auf Japanisch lernen, bringt dagegen nicht viel – Japaner bringen sie sowieso in einem Strom von Höflichkeiten unter, so dass ihr sie in der Konversation nicht erkennen werdet, und unserer Erfahrung nach werden Wörter ohne ihren Floskel-Kontext oft gar nicht verstanden. Wenn ihr eine einzelne Schreibweise lernt, steht ihr in vielen Fällen ebenfalls dumm da, weil man dieselben Wörter in mehreren Zeichensystemen schreiben kann.
Hier sind die wenigen Wörter, die wir vor und während unserer Reise gelernt und tatsächlich gebraucht haben:
Deutsch | Japanisch (Romaji) | Japanisch (Zeichen) |
Guten Tag | Konnichi wa | こんにちは |
Guten Morgen | ō-hayo (gozai-masu) | おはよう(ございます) |
Gute Nacht | Oyasumi-nasai | おやすみなさい |
Bitteschön | Dōzo | どうぞ |
Danke | Arigato (gozai-masu) | ありがとう(ございます) |
Keine Ursache | Dō-itashimashite (oder kürzer: Ie-ie) | どういたしまして (いえいえ) |
Okay | ōkē | オーケー |
Ja | hai | はい |
Nein | iie | いいえ |
Auf Wiedersehen | Sayōnara | さようなら |
Entschuldigung (zu Fremden) | Sumimasen!/Gomen-nasai! | すみません! / ごめんなさい! |
Volltanken, bitte. | Mantan de onegai shimasu. | 満タンでお願いします. |
Guten Appetit! | Itadaki-masu! | いただきます! |
Sehr lecker! | Oishii desu! | おいしい です! |
Baby | aka-chan | 赤ちゃん |
Süß! | Kawaii! | かわいい! |
Wo ist die Toilette? | Toire wa doko desu ka? | トイレはどこですか? |
Ich verstehe nicht. | Wakarimasen. | わかりません. |
Durch Japan reisen ohne Japanisch: egal!
Wir haben gelernt: Nur, weil ihr keine Zeit zum Japanisch lernen habt, solltet ihr euch auf keinen Fall von einer Reise nach Japan abhalten lassen.
Denn auch wenn ihr euch absolut nicht verständlich machen könnt, werden euch die Japaner nicht im Regen stehen lassen. Da wird der Zugschaffner notfalls einen anderen Passagier herbeiwinken, der vielleicht ein wenig mehr Englisch kann oder ein Smartphone mit Übersetzungs-App dabeihat.
Und dieser Passagier wird dann einen Freund anrufen, der ebenfalls herbeigeeilt kommt, und der wiederum jemanden kennt, … Egal, wie lange es dauert – ihr werdet geholfen! ;-)
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Hey! Der Artikel gibt es treffend wieder. Ich lerne seit 3 Jahren chinesisch, aber in Japan konnte ich selbst für die Schriftsprache eher wenig damit anfangen. Durch die beiden Zusatzalphabete wird Japanisch anders geschrieben und Kanji tauchen oft nicht auf. Während der Reise sind wir mit 2 Worten japanisch durchgekommen, mehr haben wir nicht gebraucht. Weder an der Supermarktkasse noch bei Airbnb Unterkünften, in denen wir in 2 von 3 Fällen die Hosts nicht kennengelernt haben.
Der Google Translator hat auch nur bedingt weitergeholfen. Wie von dir im Artikel beschrieben. Wir bekamen Übersetzungen wie “Kalter Mann” oder “Fisch 2 Augen machen”. Da wußten wir dann voll Bescheid!
Aber Japan bereisen geht auch problemlos ohne Japanisch, die riesige Hilfsbereitschaft ist definitiv vorhanden!