! Aktualisiert am 8. Mai 2018
Wie oft schmunzeln wir über die erstaunten bis schockierten Reaktionen, wenn wir von unserem Reiseziel Japan erzählen! Als ob wir mit dem Pferdewagen in den Dschungel voller Eingeborener reisen würden – oder mit der Zeitmaschine in eine komplett verrückte Science-Fiction-Welt gebeamt würden. Dabei ist Japan ein Land wie jedes andere, und die oft geäußerten Vorurteile und Klischees sollten euch nicht von einer Reise nach Japan mit Kindern abhalten.
Vorurteil Nr. 1: Ich kann kein Japanisch
Na und? Wir können auch kein Japanisch, trotzdem sind wir problemlos schon zweimal durch Japan gereist – und das durchaus abseits der ausgetretenen Touristenroute. Wir können übrigens auch kein Thailändisch, kein Vietnamesisch und kein Khmer – wir sprechen nicht einmal Tschechisch, die Sprache unseres Nachbarlandes, wo wir jedes Jahr Urlaub machen.
Wo ist das Problem, ein Land zu bereisen, dessen Sprache man nicht beherrscht? Entgegen der Vorurteile sprechen erstens durchaus einige Japaner Englisch – oder sie verstehen es zumindest, selbst wenn sie sich nicht trauen, etwas zu sagen. Zweitens, und das ist noch viel wichtiger, konnten wir uns mit Händen und Füßen sowie der Hilfe von Google Translate immer wenigstens soweit verständigen, dass wir das bekamen, was wir brauchten. Japan ist ein hochmodernes, zivilisiertes und an die Globalisierung angeschlossenes Land, das sich Besuchern aus dem Ausland mitnichten verschließt.
Wer fließend Japanisch spricht, hat natürlich Vorteile beim Reisen in Japan. Das ist aber in allen anderen Ländern auch so. Es macht auch durchaus Spaß, ein wenig Japanisch zu lernen und unterwegs einzusetzen – praktisch ist es allemal, wenn man die Schilder lesen kann.
Aber dafür braucht ihr höchstens drei Wochen, und es geht sicher auch ganz ohne. Ein Grund, von einer Reise nach Japan abzusehen, ist die Sprachbarriere definitiv nicht!
-> So haben wir (nicht) Japanisch gelernt
Vorurteil Nr. 2: In Japan gibt es nur Wolkenkratzer und Menschenmassen
Dieses Vorurteil ist verzeihlich, denn alles, was wir in Deutschland so nebenbei von Japan mitbekommen, passt in die Schublade: Hightech-Kram und Reisegruppen.
Ja, in Japan gibt es coole Handys, blitzschnelle Shinkansen-Züge, sprechende Roboter und vieles mehr, was den Tech-Nerd freut. In der Millionenmetropole Tokio ragen tatsächlich so einige Wolkenkratzer auf, deren Seiten mit Neonreklamen geschmückt sind. Und klar sind dort auch ziemlich viele Leute unterwegs.
Aber das ist längst nicht alles, was Japan ausmacht – manche würden behaupten, dass Tokio eher die Ausnahme ist und eben nicht typisch für Japan steht. Die meisten Menschen in Japan leben in beschaulichen Kleinstädten oder Vororten, in einem eigenen kleinen Reihenhaus, umgeben von Blumentöpfen. Selbst große Teile von Tokio sehen so aus! Zwischen den Orten erstreckt sich dichter Wald in einer bergigen, oftmals unerschlossenen Landschaft; weite, unberührte Strände säumen die Küsten zwischen den Großstädten.
Fahrt mal im Campervan abseits der mautpflichtigen Highways; da erblickt ihr tagelang keine Neonreklame und freut euch, wenn euch mal ein kleines, kastenförmiges Auto mit einer uralten Omi darin entgegenkommt. Japaner legen großen Wert auf Ruhe und Natur, und genau die findet ihr in Japan an jeder Ecke (wenn auch oft “ordentlich” umbaut, damit alles hübsch aussieht).
Und selbst in Tokio fühlten wir uns mitten im Treiben der Menschen nie so bedrängt oder gestresst wie etwa in Bangkok oder Hanoi. Die Japaner sind auch in der Großstadt stets auf Rücksichtnahme bedacht; da wird weder laut telefoniert noch gestikuliert oder gar gedrängelt, im Gegenteil.
Fußgängerampeln werden zusätzlich von Verkehrspolizisten überwacht, die für eine absolut sichere Passage der Straße sorgen und sich danach höflich vor den Verkehrsteilnehmern verbeugen. An jeder Ecke stehen uniformierte Helfer, deren einziger Zweck es ist, ein reibungsloses, höfliches Miteinander sicherzustellen. Und selbst zur Rush-Hour, wenn tausende Pendler gleichzeitig in die Metro strömen, geht es ruhig und gesittet zu – weißbehandschuhte Bahnangestellte schieben sanft und entschuldigend nach, bis wirklich alle Passagiere im Zug sind.
Es ist eine überraschende und irgendwie verrückte, aber auch sehr herzerwärmende Erfahrung, die Großstadt Tokio zu erleben – und es ist garantiert nichts, was euch von einer Reise nach Japan abhalten sollte!
-> So beschaulich geht es zum Beispiel im Örtchen Tono zu, oder in Hiraizumi…
Vorurteil Nr. 3: Japan ist nichts für Kinder
Nach zwei Japan-Reisen mit Baby und Kindern sind wir überzeugt: Japaner gehören zu den kinderfreundlichsten Menschen, die es gibt. Für Babys und Familien werden überall Ausnahmen gemacht, gibt es Extra-Angebote, Sonderpreise und kinderfreundliche Einrichtungen.
In welchem Land der Welt hat man denn in jeder (!) öffentlichen Toilette einen Hochsitz, in den man sein Baby setzen kann, während man pullert? Wo sonst gibt es Geschenke (!) für die Kinder im Restaurant, nachdem sie aufgegessen haben? Wo geben sich selbst bärbeißige Großväter und faltige Omis Mühe, um fremde Babys und Kinder zum Lachen zu bringen?
Willkommen und wohl haben wir uns mit unseren Kindern in Japan immer gefühlt. Auch darüber hinaus ist Japan ein super Reiseziel für Familien:
- Es ist absolut sicher (okay, abgesehen von Naturkatastrophen).
- Es ist absolut sauber.
- Alle geben Acht – selbst in Großstädten muss man keine Angst haben, dass das Kleinkind unbemerkt davonwandert.
- Das Essen ist nicht scharf, man darf es mit den Fingern und auf dem Boden sitzend essen, und es gibt sehr viel “Western Food” (siehe unten).
- Es gibt keine gefährlichen Tiere oder Krankheiten, und gefährliche Stellen sind zuverlässig abgezäunt und meistens noch extra bewacht.
-> So haben wir unsere Ankunft in Japan erlebt
-> Hier könnt ihr alles nachlesen, was ihr über das Reisen mit Baby und Kind in Japan wissen müsst
Wer darauf beharrt, mit seinen Kindern kinderspezifische Dinge zu unternehmen, der wird in Japan an jeder Ecke fündig, denn auch die japanischen Eltern wollen ihren Kids etwas bieten: Es gibt überall Spielplätze (sichere, saubere), Museen mit Veranstaltungen für Kinder und auch große Abenteuerparks – Disneyland oder Sanrio Puroland (Hello Kitty!) in Tokio und die Universal Studios in Osaka (Harry Potter!) sind längst nicht die einzigen Attraktionen.
Es gibt schöne Strände, verwunschene Tempelstädte, dichte Wälder, stille Seen… Unsere Kinder haben sich in Japan nie beschwert, ihnen wäre langweilig.
-> Einer der Hauptgründe für unsere Japanreise mit Kindern war der Besuch des Studio Ghibli Museums in Tokio ♥
-> Auch wenn man auf die teuren Sehenswürdigkeiten in Tokio verzichtet, kann man hier viel Spaß mit Kindern haben
Vorurteil Nr. 4: Ich mag aber keinen Fisch/bin Vegetarier/Veganer
Wie man Fisch insgesamt nicht mögen kann, können wir zwar nicht verstehen, aber dass man bewusst auf den Verzehr von tierischen Produkten verzichtet, natürlich schon. Und klar gibt es auch Menschen, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben und deshalb Fisch oder Meeresfrüchte vermeiden müssen.
Nur, weil ihr keinen Fisch essen wollt oder könnt, müsst ihr aber noch lange nicht auf eine Japan-Reise verzichten – denn man höre und staune, die Japaner essen auch eine Menge anderer Dinge!
Und, noch verrückter: In Japan gibt es nicht nur japanisches Essen, sondern auch italienisches, chinesisches, amerikanisches, thailändisches… Genauso wenig, wie wir in Deutschland tagtäglich Eisbein und Sauerkraut essen, beschränken sich moderne Japaner auf ihre Landesküche.
In den Supermärkten gibt es von Toastbrot bis Büchsenfleisch und Tütensuppen alles, was ihr von daheim kennt; in den Fastfood-Restaurants könnt ihr Pommes und Hamburger kaufen wie überall auf der Welt. Und auch die japanische Küche selbst bietet wohlschmeckende, fischfreie Currys (“ka-ri”), dampfende Ramen-Nudelsuppen oder “Hot Pot”-Gerichte mit deftigem Weißkohl und Schinkenspeck. Ach ja, und Sushi und Onigiri gibt es natürlich ebenfalls in veganen Varianten.
-> So vielfältig und gut haben wir in Japan mit Kindern gegessen
-> Das Wanderweib sammelt in gewohnt gründlicher Manier tausend Tipps für Veganer in Japan
Auch wenn ihr euch mit fremdländischem Essen schwer tut (oder, was wahrscheinlicher ist, wenn eure Kinder etwas mäkelig sind), werdet ihr in Japan keine Probleme haben, satt zu werden. Ihr verzichtet zwar auf einen großen und wichtigen Teil der Kultur des Landes, denn den Japanern ist ihr Essen enorm wichtig – aber die Schönheit und Faszination des Landes könnt ihr auch als Nicht-Fischesser problemlos entdecken.
Vorurteil Nr. 5: Die Japaner sind alle verrückt!
Schaut man sich Reiseberichte im Fernsehen über Japan an, sieht man unweigerlich: als Manga-Figuren verkleidete Jugendliche, Kellnerinnen in superkurzen Röcken auf Rollschuhen, Kapselhotels und Love-Hotels, und hier höre ich besser auf. So verrückt stellt sich Japan aber nur in seinen urbansten Regionen vor – außerhalb von Tokio und Osaka sind die meisten Menschen eher spießig und normal ;-)
Was ihr als “verrückt” bezeichnet, heißt wahrscheinlich einfach nur “anders” und “unverständlich”. Es stimmt, dass die japanischen Sitten für Außenstehende ziemlich seltsam erscheinen können. Für die Japaner ist es aber ganz normal, sich ständig höflich zu verbeugen, sich vor dem Baden zu waschen, im Kimono spazieren zu gehen oder im Freibad auf Kommando aus dem Wasser zu springen.
Japan ist eines der wenigen Erste-Welt-Länder, dessen alte Traditionen noch im modernen Alltag erhalten sind und nicht nur an Festtagen oder von Folkloregruppen gepflegt werden.
-> Ein paar Dinge in Japan, die wir wirklich seltsam finden
Auf eurer Japan-Reise könnt ihr diese fremden Gebräuche bewundern, nachmachen oder die Augen darüber verdrehen – sie allesamt machen Japan zu einem faszinierenden Reiseziel. Und keine Angst vor Fettnäpfchen! Als leicht erkennbare Ausländer gelten für euch sowieso ganz andere Regeln. Die Japaner erwarten von euch geradezu, dass ihr euch falsch verhaltet – “gaijin” haben halt keine Ahnung von ordentlichem Benehmen, das ist ganz normal. Statt missbilligender Blicke oder Zorn erntet ihr viel wahrscheinlicher ein herzhaftes Kichern oder werdet höflich ignoriert.
Angst vor wirklich verrückten Menschen, die euch auf die Nerven gehen, euch um euer Geld bringen oder euch gar schaden wollen, müsst ihr in Japan wirklich gar nicht haben – es ist eines der sichersten Länder der Welt.
Konnten wir euch überzeugen, es doch einmal mit einer Japanreise mit Kindern zu versuchen? Oder habt ihr noch andere Sorgen – welche denn?
Mehr Beruhigendes zu euren Sorgen vor einer Japan-Reise mit Kindern:
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Hallo zusammen, der Eintrag ist zwar schon etwas älter, aber vielleicht habt ihr dennoch einen Tipp: Wir überlegen mit unseren beiden Kindern (2.5 Jahre und 4.5 Jahre) nach Japan zu Reisen. Wie habt ihr das bezüglich “ruhig sein” empfunden? Z.B. in den Zügen? Vor allem der Kleinere ist enorm aktiv. Was wenn er im Zug herumturnt? Danke euch!
Mit Zugfahren in Japan haben wir noch keine Erfahrung. Aber was wir wissen: Kein Mensch in Japan wird die Stirn runzeln oder euch zurechtweisen, wenn eure Kinder herumturnen und zappeln. Ihr werdet eine völlig neue Welt in Sachen Kinderfreundlichkeit erleben, das verspreche ich. So viele freundliche Gesichter, Kommentare und Geschenke (!) von unbekannten Erwachsenen haben unsere Kids noch nirgendwo bekommen. Es ist wirklich ein Traum für Eltern, mal nicht ständig mit schlechtem Gewissen auf die Mitmenschen schauen zu müssen.
Selbst wenn ihr euch wirklich danebenbenehmt, habt ihr als Ausländer immer den “Idiotenbonus”: Gaijin wissen eh nicht, wie man sich richtig verhält, das weiß jeder Japaner ;-)
Meine Kinder waren zwar schon deutlich älter als Deine, als ich mit ihnen in Japan war, und ich hatte ein wenig Sorge, dass sie es dort im Vergleich zu unseren anderen eher abenteuerlustigen Urlauben etwas fad finden könnten — aber es war tatsächlich eine der entspanntesten, relaxten und schönsten Reisen, die wir gemacht haben. Obwohl wir außer in Tokyo und Kyoto herumspazieren eigentlich gar nicht viel gemacht haben, waren alle am Ende glücklich und fanden Japan total toll. Es war super easy! Nur mit dem Essen hatten wir Probleme — mein Sohn war gerade voll im Wachstum und hat gefuttert, wie ein Scheunendrescher, die Kleine isst zu jeder Mahlzeit wenig, braucht dann aber öfter was, und die Große kann auch ordentlich was weghauen…. Das war nicht immer einfach, etwas zu finden, dass finanzierbar war und allen geschmeckt hat… Mein glücklichster Moment war also, als wir einen Supermarkt mit kleiner Picknick-Station gefunden haben, lol…
Japan ist wirklich toll — aber ich mag auch das Chaos in China sehr!
Cheers,
Corinna
Das klingt genau nach unseren Erfahrungen :-) Das Chaos in China schreckt uns ja noch ein bisschen – bei der Zwischenlandung in Peking haben die Chinesen (gerade im Direktvergleich mit den höflichen und pieksauberen Japanern) nicht so einen guten Ersteindruck hinterlassen… Aber Versuch macht kluch, sagt man ja!
LG
Jenny
Liebe Jenny,
also, ich verbeuge mich vor dir, wie du die Kritik immer auf den Punkt bringst und ihr den Wind aus den Segeln nimmst. Die Sache mit der Natur ist ja mein bestgepflegtes Vorurteil … Die seltsamen Sitten und Gebräuche finde ich dagegen eher lustig – “auf Kommando aus dem Wasser springen” – ich lach mich schief. Und wenn du so weiter machst, dann fliege ich doch noch eines Tages nach Japan, obwohl ich das Land eigentlich nicht auch noch auf die eh schon viel zu lange Liste setzen wollte.
Liebe Grüße
Gela
Liebe Gela,
danke für das Kompliment ;-) Das mit der Natur ist in Japan wirklich eine interessante und eben auch landestypische Sache. Wer Verhältnisse wie in Europa oder sonstwo erwartet und auf gepflegten Pfaden durch unberührte Wälder wandern will, der wird in Japan wohl enttäuscht sein. Ich habe den Eindruck, es gibt entweder die “kulturisierte” Natur für den (japanischen) Normaltouristen, wo alles perfekt für den bequemen Kurztrip und den schnellen Fotostopp angelegt ist und auf uns dann oft sehr künstlich wirkt. Auf der anderen Seite gibt es aber viel ganz wilde Natur, wo man sich dann aber auch selbst seine Zugänge und Wege suchen muss. Und daneben warten die Tempelanlagen und Parks, wo wir gar keine Natur erwarten würden, die aber dann manchmal richtig verwunschen und mystisch sind; auch typisch Japan.
Ich möchte auf jeden Fall sooo gern nochmal nach Hokkaido, wo ja wesentlich weniger Menschen und mehr Bären leben! ♥
LG, Jenny