! Aktualisiert am 30. Oktober 2017
Ein Charakteristikum von Vietnam, das wirklich alle Besucher beschreiben, ist der krasse Straßenverkehr. Einige finden es furchtbar und beängstigend, eine Straße in Saigon überqueren zu müssen, andere sehen es als sportliche Herausforderung an. Ob ihr es mit Kindern wagen könnt und was ihr beachten müsst, um zu überleben, erzählen wir hier.
Angekommen in Vietnam, erleiden die meisten Touristen einen mehrfachen Schock – zuerst schlägt die Hitze zu, dann der Lärm und die vielen visuellen Eindrücke und als drittes der Verkehr auf den Straßen.
Stellt euch eine vietnamesische Großstadt wie Hanoi oder Saigon am besten so vor: Die Straßen sind auf der gesamten Breite komplett (!) angefüllt mit Mopeds, auf denen zwischen einem und fünf Passagieren sitzen – jeder Erwachsene mit einem bunten Helm und einer hübsch bestickten Atemschutzmaske sowie ellbogenlangen Handschuhen und Kapuzenjacken bewehrt, damit ja kein Sonnenstrahl oder Staubkorn den zarten Teint berührt.
An den Rändern der Straßen (und auch auf den Fußwegen) klingeln sich Schlangen von Fahrrädern und vereinzelte Cyclos (Fahrradrikschas mit zwei Sitzplätzen vor dem Chaffeur) entlang und zwischen den Fußgängern hindurch, die in aller Ruhe ihre fahrbaren Verkaufsstände und Essbuden durch den Rinnstein schieben, auf winzigkleinen Plastikhockern sitzen oder schnackend, rauchend und spuckend am Straßenrand herumlungern.
Näher zur Straßenmitte schieben sich stoisch und langsam Reihen von buttergelben und grünweißen Taxen entlang. Aus diesem Meer von ungefähr gleich hohen Verkehrsteilnehmern ragen die metallic-grauen SUVs der oberen Mittelklasse, die grau-weißen Minibusse der Reiseveranstalter und natürlich die richtig großen Fische: leuchtend bunte und unbeirrt ihren Weg verfolgende Open-Tour-Busse, die Ladungen von Touristen durchs Land bringen.
Dieses Meer an sich langsam dahinschiebenden Verkehrsmitteln gleicht tatsächlich einer Naturgewalt: Es brandet in Wellen heran und geht wieder zurück, es bildet an Kreuzungen regelmäßige Strudel, es schwappt an den Rändern hin und wieder über die Gehsteige, es trägt vereinzelte Lkw oder große Busse wie größere Stücke Treibholz mit sich, und es kommt nie zum Stehen. Das Geräusch ähnelt ebenfalls dem Rauschen in einer Muschel: Ein konstantes Brummen, Tuckern und Hupen, das einfach nie aufhört.
Angst muss man vor dieser Naturgewalt nicht haben. Im Gegenteil: Man kann sich darauf verlassen, dass der Straßenverkehr in Vietnam zwar stetig voranrutscht, aber insgesamt langsam bleibt. Statt dem gewohnten Stop-and-go geht es eigentlich immer voran; wenn auch im Schneckentempo. (Das verleitet die Vietnamesen sicherlich auch dazu, ihre Mopeds so abenteuerlich zu be- und überladen; die schiere Masse und das Format der Gegenstände, die hier manchmal transportiert werden, würde bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h schon wild davonfliegen.)
Straße überqueren in Vietnam: so geht’s
Um motorisiert am Straßenverkehr in einer vietnamesischen Großstadt teilnehmen zu können, muss man ein Teil dieses “Flusses” werden – eine wahrhafte Zen-Leistung, der wir uns später widmen werden. Fürs erste begnügen wir uns damit, unbehelligt eine Straße zu überqueren.
Dafür muss man nur die Hierarchie der Verkehrsteilnehmer kennen und beachten: Ganz unten steht der Fußgänger, danach kommen die Mopeds, weiter oben stehen die Autos und an der Spitze sind die Busse. Diese gehen (bzw. fahren) ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste, sie werden euch als Fußgänger nicht einmal wahrnehmen. Autos sind schon rücksichtsvoller, sie bremsen eventuell leicht ab oder hupen euch an; ihr solltet euren Weg ihnen gegenüber aber nicht erzwingen.
Die Mopedfahrer schließlich sind eure Freunde! Sie werden euch nicht umfahren, wenn ihr euch nicht total bescheuert verhaltet; immerhin haben sie ein Interesse an einer unbeschädigten Maschine und riskieren, bei einem Unfall selbst verletzt zu werden.
Als Fußgänger müsst ihr lediglich eines tun: euch so verhalten, dass die herankommenden Mopedfahrer eure nächsten Schritte vorausahnen können.
Los geht’s also: Am Straßenrand so lange warten, bis sich eine kleine Lücke auftut – das müssen nicht mehr als ein paar Meter sein. Wichtig: Auf den nächsten 100 Metern Straße darf kein schnell fahrender Bus zu sehen sein und es sollten auch möglichst wenige Autos unter den herankommenden Verkehrsmitteln sein. Sucht euch möglichst ein gerades, gut einzusehendes Stück Straße mit nicht mehr als drei Spuren in einer Richtung aus, damit euer Weg nicht zu lang wird.
Die deutsche Regel, dass rechts abbiegende Verkehrsteilnehmer den die einbiegende Straße überquerenden Fußgängern die Vorfahrt gewähren müssen, gibt es in Vietnam übrigens nicht – als Fußgänger habt ihr hier niemals Vorfahrt.
Ein schneller Blick also nach links (in Vietnam wird ganz normal rechts gefahren) UND RECHTS (in Vietnam wird, besonders an den Straßenrändern, gern in jeder Richtung gefahren – wozu erst auf der richtigen Straßenseite einordnen, wenn man gleich wieder die nächste Abzweigung nehmen will?). Sicherheitshalber, weil ihr mit Kindern und Gepäck unterwegs seid, könnt ihr dem heranwogendem Verkehr entschieden entgegenwinken: einfach die ausgestreckte Hand ungefähr auf Schulterhöhe mit der Handoberfläche nach oben halten, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Habt ihr das geschafft, dann geht um Gottes willen auch umgehend los, sonst bremsen die Mopedfahrer nämlich umsonst ab und beschleunigen genau in dem Moment wieder, in dem ihr euch dann doch zum Losgehen entscheidet. Losgehen bedeutet: langsam, aber beharrlich Schritt um Schritt quer über die Straße machen.
NICHT ANHALTEN.
NICHT UMKEHREN.
Und: NICHT LOSRENNEN!
Insider raten, bloß keinen Augenkontakt zu einzelnen Mopedfahrern aufzunehmen; wer Blickkontakt hat, gibt damit sein Recht auf Vorfahrt auf. Genauso sinnlos ist es, die Fahrtrichtungen der herankommenden Mopeds und Autos vorausahnen zu wollen. Die folgen nämlich nicht den Regeln, die ihr gewohnt seid: Verkehrtherum in Einbahnstraßen hineinfahren, Linksabbieger links überholen und geradeaus weiterfahren, wartende Rechtsabbieger mal eben rechts auf dem Fußweg umfahren oder von der linken Fahrspur scharf rechts abbiegen, das alles ist völlig normales Verhalten im vietnamesischen Straßenverkehr.
Ihr könnt es einfach nicht voraussehen. Einfach stoisch losgehen und stetig weitergehen funktioniert viel besser.
Straßenverkehr in Vietnam mit Kindern
Mit Kindern müsst ihr noch vorsichtiger sein. Die goldenen Regeln:
- Benutzt keinen Buggy oder Kinderwagen – die sind sehr unüblich und werden vielleicht, da niedriger als ihr, zu spät erkannt und versehentlich angefahren.
- Nehmt Kinder fest an die Hand und am besten auf den Arm; alle Vietnamesen sind kinderlieb und werden auf euch doppelte Rücksicht nehmen, wenn ihr eindeutig als Eltern zu erkennen seid.
- Verlasst euch nicht auf Zebrastreifen; die sind nur Deko.
- Verlasst euch nicht auf rote Ampeln oder Einbahnstraßen; Verkehrsregeln werden eher als Ratschläge angesehen.
- NICHT LOSRENNEN!
Habt Vertrauen – die Mopeds werden euch wie ein festes Hindernis vorsichtig umfahren. Dass sie dabei allesamt hupen, ist ganz normal und nicht tadelnd oder sonstwie bösartig gemeint!
Nachts sind alle Fußgänger grau
Im Dunkeln wird es kniffliger, das ist was für Fortgeschrittene. Ein Problem ist, dass der Großteil der Straßenbeleuchtung in Vietnam nicht von Laternen, sondern von den Leuchtreklamen und blinkenden Lichterketten der angrenzenden Häuser herrührt und entsprechend unzuverlässig darin ist, euch am Straßenrand gut sichtbar hinzustellen.
Das zweite Problem ist, dass die Mehrheit der vietnamesischen Mopedfahrer (und auch ein guter Teil der Autofahrer) darauf verzichtet, nachts ihre Scheinwerfer einzuschalten. Manchmal sind sie kaputt, manchmal will der Fahrer auch “Strom sparen” (hat man uns so gesagt!). Ihr seht sie nicht, sie sehen euch nicht – keine gute Kombination.
Müsst ihr also nachts eine Straße überqueren oder am Straßenrand entlanglaufen (weil der Fußweg mal wieder voller Plastikhocker oder geparkter Mopeds steht), dann tut das in einem gut beleuchteten Stadtteil oder haltet dabei eine Taschenlampe oder wenigstens das leuchtende Handy-Display vor euch.
Straße überqueren für Anfänger
Für ängstliche Anfänger bieten sich vier Möglichkeiten an:
- im Windschatten eines Einheimischen über die Straße gehen (dann aber möglichst dicht dran oder am besten inmitten eines Pulks)
- an einer Ampel: viele zählen die Sekunden bis zum nächsten Grün herunter, das ist sehr praktisch; denkt daran, dass die meisten Mopedfahrer schon etwa vier Sekunden vor der Grünschaltung losfahren werden!
- im Zentrum von Saigon, auf jeden Fall jedoch vor dem War Remnants Museum, werden Touristen auch von der “Tourist Police” über die Straße begleitet – während andere Vietnamesen feixend zuschauen
- ein Taxi nehmen und sich an der gewünschten Stelle absetzen lassen
Nach ein paar Versuchen habt ihr euch daran gewöhnt und lacht über die verängstigten Neuankömmlinge, die stundenlang am Straßenrand stehen. Straßen überqueren und “eins mit dem Fluss werden” gehörte bald zu unseren Lieblingsbeschäftigungen – es ist einfach faszinierend, dass es tatsächlich funktioniert!
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[…] 1) Augen auf im Straßenverkehr! Er funktioniert vollkommen anders als in anderen Ländern und erst recht als in Deutschland, also seid vorsichtig. Haltet alle Kinder an der Hand, wenn ihr Straßen überquert, auch ältere. Schaut nach beiden Seiten, bevor ihr losgeht. (Ich erzähle später mehr darüber, wie man eine Straße überquert.) […]
[…] liegt nicht nur an den saumäßig schlechten Straßen, dem geradezu wahnsinnigen Straßenverkehr und den generell laxen Sicherheitsvorschriften einer völlig ineffektiven Verkehrspolizei, die mit […]