! Aktualisiert am 15. Juli 2021
Eine unglaubliche Geschichte: Vor nicht einmal zwei Jahren saßen Franzi und Daniel noch mit ihren Baby-Zwillingen im Reihenhaus bei Rosenheim. Heute sind sie Wahl-Neuseeländer mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung und stolze Besitzer eines “Bed and Breakfast” im Abel Tasman. Im Interview erzählt Franzi von ihrem turbulenten letzten Jahr und dem Auswandern nach Neuseeland.
Weltwunderer: Über eure Reise vor der Auswanderung hatten wir ja im Blog schon berichtet (-> hier gehts zum Interview). Ihr wart begeistert von Neuseeland und wurdet belohnt mit einer Auswanderung nach dem Bilderbuch. Magst du von dieser Zeit kurz erzählen?
Franziska: Ich sage mal: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Im Nachhinein fühlt sich das alles immer noch sehr unwirklich an. Wir haben beschlossen, es “einfach zu probieren” und irgendwie kam eines zum anderen, alles hat irgendwie hingehauen, alles hat geklappt und ruck-zuck waren wir in Neuseeland.
Es war umwerfend, wir waren voller Adrenalin und haben es in vollen Zügen genossen. Aber natürlich ist auch hier nicht alles aus Zucker, nur weil es ein Urlaubsziel ist. Das Apartment, in das wir nach unserer Ankunft eingezogen sind, war winzig, ungeheizt und unfassbar teuer. Ich habe nach zwei Jahren Elternzeit wieder angefangen, Vollzeit zu arbeiten. Daniel ist zu Hause geblieben, plötzlich Full Time Dad.
Alles war anders. Viele Vorteile, viele Unsicherheiten, viele Nachteile. Zwölf Stunden Zeitverschiebung nach Hause. Es war Winter, im Mai, und die Kinder waren wochenlang krank. Die Kita-Eingewöhnung war schwierig, zumal sie damals noch kein Englisch sprachen. Soziale Kontakte hatten wir (noch) keine, ich immerhin durch mein Büro, Daniel hat wochenlang nur kranke Zwillinge und den Pizzamann gesehen. Dazu Dauerregen, Feuchtigkeit, Kälte und schon war die erste Auswanderdepression perfekt.
Dass dann die Residency, die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, so schnell kam, hat geholfen. Mit einem Mal war klar, wir sind jetzt ECHT hier. Und bleiben hier. Dann kamen die ersten Einladungen von anderen Eltern aus dem Kindergarten, es wurde Frühling und auf einmal war alles so, wie es sollte.
Kurzum: Es war die totale Achterbahn. Von Anfang an. Und ist es immer noch!
WW: Ankommen im neuen Alltag, neuer Job, neue Pflichten – wie war das für euch als Familie?
Franziska: Gut und chaotisch zugleich. Der Rollentausch war super, und grauenhaft. Am Ende kann ich das nur jedem Paar empfehlen, zumindest mal zeitweise.
Viele Dinge, die ich von “zu Hause” nicht verstanden habe, sind mir erst in der Rolle des “arbeitenden” Teils klar geworden – und umgekehrt. Wie frustrierend es ist, den ganzen Tag Kinder zu hüten, zu kochen, zu putzen und dem Partner dann ein warmes Abendessen zu servieren, ohne dass der völlig aus dem Häuschen über diese absolute Leistung ist – das war eine neue Erfahrung für Daniel.
Wie kaputt man nach einem Tag im Büro ist, wie sehr man die Kinder vermisst, wie viele Dinge man auf einmal verpasst (den ersten Kindergarten habe ich genau einmal besuchen können) – das unterschätzt man, wenn man der “Zu Hause”-Teil ist.
Die Schwierigkeiten sind hier die gleichen, die jede Familie weltweit hat. Aber der Schritt, alles mal zu tauschen und anders zu machen, war für uns als Familie toll, denn es hat insbesondere in unserer Beziehung zu viel mehr Einsicht in den anderen Part geführt.
WW: Euer Quartier habt ihr zuerst in Auckland aufgeschlagen, einer Stadt, die ja so gar nicht typisch für Neuseeland sein soll. Wie habt ihr die Stadt wahrgenommen, taugt sie als Wahlheimat?
Franziska: Nein. Auckland ist klasse. Pulsierend, viele Restaurants, Kinos, Theater, Oper, Parks, Strände, Cafes – Shopping. High Life. Aber für immer? Nicht für uns. Wir wollten immer schon aufs Land, wir waren vorher auch auf dem Land.
Auckland ist ein super Ziel, wenn man auswandern will und erstmal irgendwo ankommen möchte. Hier gibt es alles, was man braucht und kennt und viel neues. Dann gibt es Jobs, sehr viele Jobs, was essenziell ist zum Auswandern. Als Ankunftsort ideal. Nach einem Jahr waren wir aber nicht traurig zu gehen. Als Single wäre ich bestimmt geblieben. Auckland ist “cool”, aber nicht wirklich familientauglich – zumindest nicht für uns.
WW: Gab es Dinge, die euch im neuen Leben überrascht haben – weil ihr sie nicht bedacht hattet, oder weil ihr etwas ganz anderes erwartet hattet?
Franziska: Nein, eigentlich nicht. Am einschneidendsten war der Rollentausch. Ansonsten ist Neuseeland kulturell und infrastrukturell so nah an Europa, dass es nicht wirklich “exotisch” ist. Vieles finden wir hier besser, vieles ist ruhiger, vieles fühlt sich freier an.
Familie spielt hier eine viel größere Rolle. Und wird viel, viel mehr wertgeschätzt. Das ist großartig und das genießen wir sehr. Sicher gibt es auch Nachteile. Eine Wirtschaft mit nur vier Millionen Menschen ist nicht so tragfähig, was Arbeits- und Gesundheitssystem angeht, wie bei 82 Millionen.
WW: Nach (gefühlt?) nicht einmal einem Jahr im neuen Leben habt ihr schon wieder alles umgeworfen – wie kam es dazu?
Franziska: Naja, so ganz stimmt das nicht ;-) Wir haben unsere Pläne, die ja zugegebenermaßen etwas größenwahnsinnig sind, einfach nicht so direkt kommuniziert, von Anfang an. Es war ja völlig unklar, ob es uns gelingen würde.
Der Schritt nach Auckland war Mittel zum Zweck. Immer schon. Dort langfristig zu bleiben, war nie die Idee. Aber wie gesagt, für Arbeit und Visum und alles drumherum war es ein guter, erster Schritt. Von dort haben wir uns umgesehen, wo wir eigentlich gern hin würden.
Und irgendwie, nach nur einem Jahr, ging dann wieder alles ganz schnell und unser verrückter Plan, irgendwann mal ein “Bed and Breakfast” am Meer zu führen, wurde Wirklichkeit.
WW: Wo lebt ihr jetzt, und was macht ihr da so?
Franziska: Wir leben jetzt in einem Ort namens Kaiteriteri. Naja, Ort ist übertrieben, wir leben mitten in der Pampa, auf einem Hügel, von dem aus man die Nachbarn nicht sehen kann. Seit Juni führen wir die “Split Apple Lodge”, ein Bed and Breakfast mit sechs Gästezimmern.
Unsere Kinder gehen drei Tage die Woche in den örtlichen Kindergarten, der 25 Minuten mit dem Auto entfernt ist. Es ist ein Kiwi-Montessori-Kindergarten, eine gesunde Mischung aus Farmerkindern, Montessori-Ansätzen und Spiderman-Kostümen. Eben nicht ganz so strikt, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin, hier sieht man alles etwas lockerer.
Mit uns wohnen nun zwei “Work and Traveller”, die alle sechs bis acht Wochen wechseln und uns mit Kindern, Haushalt und Lodge-Business unterstützen. Ich arbeite weiterhin Vollzeit im Marketing, allerdings selbstständig, von zu Hause aus. Mein Schreibtisch hat jetzt Meerblick, ich kann im Schlafanzug arbeiten, wenn ich will, und in der Mittagspause in den Wald reiten. Denn mit uns sind einige “Viecher” eingezogen, wir haben mittlerweile Hühner, eine Ziege (die gerade Zwillings-Jungs bekommen hat!!), ein witziges Zwergschwein, ein Pony und ein Pferd.
Hier sind die Dimensionen etwas anders, für das was in Auckland (oder Hamburg) eine Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnung kostet, bekommt man auf der Südinsel zwei Hektar Land.
WW: Von der PR-Frau zur Hüttenwirtin, wie geht es dir damit?
Franziska: Ach, so wirklich stimmt das nicht. Ich bin nun nicht mehr nur die PR-Frau. Ich arbeite im Marketing für eine Softwarefirma, von zu Hause aus. Ich manage die Buchungen und das Marketing für unsere Lodge, backe Brot, mache Käse, gehe ausreiten, bin Mutter von zwei Kindern und irgendwann schlafe ich sogar.
Der Unterschied ist: Das hier ist unser Traum, er wird Wirklichkeit und das alles macht Spaß. Daher kommt dann viel Energie, mit der sich das alles umsetzen lässt. Daniel, ehemals Anwalt im Anzug, ist nun Mann für alles – lebt zwischen Gummistiefeln, Motorsäge und Traktor, kümmert sich um Haus und Land und alle Umbauten, die wir vornehmen.
Das Beste ist allerdings, dass wir nun beide von zu Hause aus (und am zu Hause) arbeiten. Wenn die Kinder weinen, kann ich sie trösten. Wir essen gemeinsam Frühstück, Mittag und Abendbrot und ich verschwende nicht mehr drei Stunden am Tag im Berufsverkehr. Das allein ist ein Traum, das Ganze hier immer noch etwas schwer zu begreifen. Wir genießen es :-)
WW: Welche Pläne habt ihr mit der “Split Apple Lodge”?
Franziska: Zunächst haben wir viel renoviert, die Einrichtung verändert, enorm viel an Wald und Garten gearbeitet. Wir leben auf Regenwasser-Speicher, heizen mit Feuerholz aus unserem Wald und haben einen großen Gemüsegarten angelegt, um zumindest mal privat selbstversorgt (so gut es geht) leben zu können. Mit zwölf Gästen im Haus geht das natürlich nicht immer, aber Versuch macht klug.
Bis Juni, also bis wir eingezogen sind, waren Kinder auf dem Grundstück nicht erwünscht, der Ruhe halber. Das ändert sich nun! Und weil wir wissen, wie elend es ist, mit Kleinkindern eine Unterkunft zu suchen, berechnen wir nichts für Kinder bis 3 Jahre. Ab 4 gibts einen Zuschlag für Bett und Frühstück.
Streichelzoo und Kinderspielzeug, Babyreisebettchen und Hochstuhl sind natürlich auch da. Außerdem verleihen wir kostenlos Wanderkraxen (von Deuter) und einen Reisebuggy für einen Ausflug ins Städtchen.
In den nächsten ein, zwei Jahren werden wir noch viel werkeln und verändern, gerade im Innenbereich. Grundsätzlich ist aber der Plan: Entschleunigung. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance mit Zeit zum Geldverdienen, Zeit für Hobbys, Zeit für Kinder, Zeit für sich selbst und Zeit für die Familie.
Ich glaube, das war es, was uns in Deutschland am meisten gefehlt hat und letztlich dazu bewogen hat, einen kompletten Neuanfang zu starten: Zeit.
WW: Auswandern nach Neuseeland – so einfach kann das also gehen. Wir danken dir für das Interview, liebe Franziska!
Wenn ihr mehr von der mutigen kleinen Familie wissen wollt, dann könnt ihr den (mittlerweile leider beendeten) Blog doubletravel.de durchschmökern. Oder ihr schaut bei eurer nächsten Neuseeland-Reise in der “Split Apple Lodge” vorbei, wo Franzi und Daniel ihre Gäste sehr herzlich willkommen heißen!
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