! Aktualisiert am 7. Dezember 2020
Fast jeder Neuseeland-Reisende bringt ein Foto von der Baldwin Street mit. Die kleine Straße in Dunedin ist unglaublich steil. Ob sie aber die steilste Straße der Welt ist, darüber wurde heftig gestritten – ein echter Krimi!
Ich staune immer wieder, wie wenige Nachrichten aus Neuseeland es auf unsere Seite der Erdkugel schaffen. Selbst wenn es so aufregende News sind wie ein Weltrekord, der Verlust eines Weltrekords und der anschließende Wiedergewinn des Weltrekords – niemand hierzulande bekommt etwas mit.
Heute klären wir euch also auf, ob ihr auf der Baldwin Street in Dunedin tatsächlich auf der steilsten Straße der Welt gestanden habt. Spoiler: Es kommt darauf an, wann ihr dort wart!
Dunedin: ein Must-see auf der Südinsel
Dunedin steht nicht unbedingt ganz oben auf der Must-see-Liste deutscher Neuseelandbesucher. Dabei ist die Stadt voller historischer Gebäude im edwardianischen und viktorianischen Stil und offizielle UNESCO-Stadt der Literatur. Als Sitz von Neuseelands ältester Universität ist sie (zeitweilige) Heimat vieler Studierender, die der Innenstadt abends ein für neuseeländische Städte ungewöhnlich lebhaftes Flair verleihen.
Von einer Kleinstadt darf ich hier nicht reden (deinem wütenden Einspruch sei stattgegeben, lieber Hans ;-) ): Dunedin ist schließlich die Hauptstadt des Bezirks Otago und sogar die fünftgrößte Stadt der Welt! Also, flächenmäßig gesehen. “Dunedin” ist übrigens der keltische Name für „Edinburgh“, man spricht es “Danniiidn” aus. Den Namen erhielt die Stadt von den Einwanderern aus Schottland, die sich hier zuerst niederließen. In den 1850er-Jahren war Dunedin zeitweise die wichtigste Stadt Neuseelands, hier landeten die Schiffe aus Europa und von hier starteten die Goldsucher und Glücksritter.
Die Baldwin Street in Dunedin ist bei weitem nicht die einzige Attraktion der Stadt, auch wenn sie in jedem Reiseführer erwähnt wird. Schaut euch unbedingt auch und vor allem Dunedins City und den Bahnhof mit der eindrucksvollen Architektur an, macht einen Abstecher ins richtig gute (und kostenlose) Otago Museum, lasst euch unter Umständen durch die Speight’s Brauerei führen (mit Verkostung – hicks!) und plant dann noch mindestens zwei bis drei Tage für das Umland ein.
Allen voran die spektakuläre Otago Peninsula, wo ihr Seelöwen, Albatrosse und die seltenen Gelbaugenpinguine beobachten könnt. Im winzigen Örtchen Portobello haben wir 2011 das sehr sehenswerte Marine Studies Centre der University of Otago besucht, außerdem solltet ihr zum Taiaroa Head fahren, dem einzigen Ort auf der Welt (!), wo Albatrosse auf dem Festland brüten und ihre Jungen aufziehen.
Dann gibt es noch die sturmzerzauste Sandfly Bay, wo ihr aus versteckten Tunneln die seltenen Gelbaugenpinguine beim Nisten beobachten könnt, den spektakulären Tunnel Beach im Vorort Brighton und in St Clair – in ganz Neuseeland einzigartig – einen beheizten Salzwasserpool direkt am Meer, in dem das Baden für Nicht-Neuseeländer selbst im Sommer zu kalt ist.
Und eben die Baldwin Street.
Baldwin Street in Dunedin: die steilste Straße der Welt?
Steil ist sie definitiv, die Baldwin Street im Vorort North East Valley von Dunedin, der Hauptstadt des Bezirks Otago. Im Durchschnitt führt sie auf 2,80 Meter Länge einen Meter nach oben. Das nutzen nicht nur viele Besucher für witzige Fotos, sondern auch die Einwohner von Dunedin seit 2001 für eine landesweit bekannte Party.
Beim “Jaffa Race” wurden im Rahmen des “Chocolate Carnival” des Schokoladenherstellers Cadbury jedes Jahr im Juli zehntausende in rotes Stanniol verpackte Schoko-Kugeln am oberen Ende der Straße ausgekippt. Für einen guten Zweck konnte man für jede Kugel ein Los kaufen und die Daumen drücken, dass es die eigene Kugel als erste bis nach unten schaffte. Zehntausende Besucher kamen zum “steilsten Straßenfest der Welt” nach Dunedin. 2018 hat Cadbury seine Fabrik samt Schauwerkstatt in Dunedin an den Konzern Mondelez verkauft, worauf beide schlossen. Ein “Jaffa Race” hat es seit 2017 nicht mehr gegeben.
Aber die Baldwin Street ist noch da! Seit 34 Jahren hält die 360 Meter lange Straße den Guinness-Weltrekord als steilste Straße der Welt.
Den Titel hatte Dunedin eher unbeabsichtigt bekommen: Ein Journalist der Stadtzeitung hatte aus Neugier beim Stadtrat angefragt, welches eigentlich die steilste Straße der Stadt sei. Nach zweijährigen Verhandlungen mit dem Guinness-Buchverlag gab es die offizielle Anerkennung von Guinness World Records.
Die offiziellen Fakten zur Baldwin Street:
- Die Baldwin Street in Dunedin hat eine Steigung von 34,8 % bzw. 19,3°.
- Die Baldwin Street ist 350 Meter lang. Die ersten ca. 200 Meter steigen nur sanft an; das Rekordgefälle kommt erst auf dem letzten Abschnitt.
- Am Straßenbeginn an der North Road liegt die Baldwin Street 30 Meter über dem Meeresspiegel, oben auf dem Signal Hill endet sie auf 100 Metern über dem Meeresspiegel.
- Im Durchschnitt steigt die Straße auf 2,8 Meter Länge einen Meter nach oben; im wirklich steilen Abschnitt liegt das Verhältnis bei 3,4 Meter auf einen Meter.
- Auch die Nachbarstraßen sind ähnlich steil.
- Fun Fact: Die Baldwin Street ist (im oberen Bereich) nicht asphaltiert, sondern betoniert. Im Sommer würde der Asphalt sonst einfach nach unten wegrutschen.
- An der Baldwin Street ist kein Parkverbot.
- Beim “Baldwin Street Gutbuster” rennen die Teilnehmer*innen die Straße hinauf und hinunter; der Rekord dafür liegt seit 1994 bei 1:56 Minuten.
- Wenn man mit dem Fahrrad die Baldwin Street hinunterfährt, kann man 117 km/h erreichen; das gelang Thomas Hugenschmidt im Januar 2000.
- Der Versuch, in einer Mülltonne die Baldwin Street hinabzufahren, endete für eine 19-Jährige tödlich. Darwin Award! (Sorry.)
Dass die Straße so steil ist, war übrigens keine Absicht. Dunedin wurde großteils “am Reißbrett” entworfen, von Stadtplanern in London (!). Das Gitternetz-System wurde einfach auf die Landschaft gelegt und dann baute man entsprechend. Benannt ist die Baldwin Street nach William Baldwin, der in Otago im Parlament saß und eine Zeitung herausgab.
Guiness-Weltrekord – wie gewonnen, so zerronnen – und wiederbekommen!
Und dann das: Am 16. Juli 2019 erklärte Guinness World Records offiziell eine andere Straße zur steilsten Straße der Welt! Den Rekord hielt nun die Ffordd Pen Llech in Harlech im englischen Wales. Die Dorfstraße ist 330 Meter lang und sehr kurvig, an ihrer steilsten Stelle weist sie ein Gefälle von 37,45 Prozent auf – ganze 2,5 Prozent mehr als die schnurgerade Baldwin Street.
Nach 34 Jahren war es 2019 also aus mit dem Weltrekord. Die Neuseeländer reagierten sportlich und gratulierten den Gewinnern – und das, obwohl sie erst am Vortag eine schmähliche Cricket-Niederlage im World Cup gegen England erlitten hatten.
Hinweisschilder und Tourism New Zealand bezeichneten die Baldwin Street in Dunedin fortan als “steilste Straße auf der Südhalbkugel” oder “zweitsteilste Straße der Welt”. Immer noch cool, oder?
Nein, das genügte nicht, fand Toby Stoff, ein Vermesser aus Dunedin. Er bemängelte, der Rekordwert der Ffordd Pen Llech sei auf der Innenseite einer Kurve gemessen worden, womit der Steigungsgrad stark überschätzt worden wäre. Die schnurgerade Baldwin Street habe dadurch einen unfairen Wettbewerbsnachteil erlitten. Auf eigene Kosten flog Toby sogar nach Wales, um selbst nachzumessen.
Nach monatelangen Verhandlungen mit ihm musste das Team von Guinness World Records zugeben, dass seine Messmethode falsch gewesen war, und die Entscheidung rückgängig machen. Kurz vor Ostern 2020 hatte die Welt eigentlich andere Probleme – Neuseeland war im Lockdown, das Corona-Virus zog um die Welt.
Aber das Guinness World Records machte keinen Rückzieher. Es verkündete offiziell, nach Überprüfung von Tobys Messungen und Befragung weiterer Experten müsse man der Baldwin Street ihren Rekordtitel zurückgeben. Ein weiterer Erfolg für Toby: Das Guinness-Team wird zukünftig seine Messmethode auf alle rekordverdächtigen Straßen anwenden.
Seit April 2020 ist die Baldwin Street also wieder offiziell die steilste Straße der Welt.
So könnt ihr die Baldwin Street in Dunedin besuchen
Die Baldwin Street in Dunedin ist eine unscheinbare Nebenstraße in einem Vorort von Dunedin, das tief im Süden an der Ostküste der Südinsel liegt. Einfach vorbeifahren ist nicht, ihr müsst sie schon gezielt ansteuern. Der Vorort North East Valley liegt deutlich nördlich vom Stadtzentrum.
Kommt ihr von Norden her in die Stadt gefahren und wollt sofort zur Baldwin Street, ist es also am besten, wenn ihr gar nicht erst auf dem SH1 in die City hineinfahrt, sondern an der Bank Street, spätestens aber an der George Street links abbiegt.
Wenn ihr die Baldwin Street gefunden habt: Bitte fahrt nicht mit dem Auto oder gar mit dem Campervan hinauf!
Die Anwohner sind vom Touristenrummel der letzten Jahre schwer genervt, und das ist nur allzu verständlich. Für Campervans ist es auf der schmalen Straße sehr schwierig zu wenden. Illegales Zuparken von Einfahrten, Kolonnen von Reisebussen und Mietfahrzeugen, feststeckende Autos, die beim Rangieren Zäune zerbrachen – alles nicht so geil. Es genügt ja schon, wenn ständig Leute vor der eigenen Haustür Faxen machen und den Vorgarten als Hintergrund für ihre Erinnerungsfotos nehmen.
Seid also bitte rücksichtsvoll und denkt daran, dass auf der Baldwin Street ganz normale Menschen wohnen, die durch euren Besuch keinerlei Vorteile genießen – das hier ist zwar eine Touristenattraktion, aber eben keine “richtige”.
Die Baldwin Street zu besuchen, ist kostenlos möglich. Auch das Parken in den umliegenden Straßen kostet nichts. Tragt bitte dazu bei, dass das so bleibt.
Wie viel Zeit sollte man für die Baldwin Street einplanen? Mal eben schnell raushüpfen, ein paar Meter die Straße hinaufgehen und Fotos machen, das dauert nicht mehr als 15 bis 30 Minuten. Denkt aber daran, dass das wirklich steile Stück der Baldwin Street erst im oberen Bereich kommt! Wenn ihr es bis ganz oben geschafft habt, wartet am Ende der Sackgasse ein Trinkbrunnen.
Wart ihr schon auf der Baldwin Street und habt alberne Fotos gemacht? Wir veröffentlichen sie gern hier :-)
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Bzgl. “steilste Straße der Welt”: es ist eben genau diese Meßtechnik, die den Unterschied ausmacht, denn sonst wäre die Strada Scanuppia mit 45.6% (in einer Kehre) eigentlich die Rekordhalterin => https://it.wikipedia.org/wiki/Scanuppia_-_Malga_Palazzo
Ich weiß natürlich nicht, bis zu welcher Größe in Ostdeutschland Städte als “Kleinstädte” gelten, aber als Wessi folgte ich bisher immer der Definition des Statistischen Bundesamtes ( https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Regionales/Gemeindeverzeichnis/zensus-grosstaedte-einwohner.html ) und da gelten Städte ab 100 000 Einwohner als Großstädte. Dunedin – nach dem Großraum Auckland, Christchurch, Wellington und Hamilton die fünftgrößte Stadt Neuseelands auch nach Einwohnern – als Kleinstadt zu bezeichnen ist also gewagt.
In guten Reiseführern (siehe Reisehandbuch Neuseeland unter http://www.hans-klueche.de ) heißt es übrigens:
»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?« mag man angesichts
der großen Städte Neuseelands fragen. Meine Antwort: Dunedin. Unter den gut 120 000 Einwohnern sind 20 000 Studenten, die für ein lebendiges Kultur- und Nachtleben sorgen. Cafés und Kneipen an allen Ecken sprechen für sich, ebenso die Musikszene. In den 1980er- und 1990er-Jahren war der Dunedin Sound ein Begriff; Bands wie The Clean, The Chills und Verlaines hatten internationale Erfolge. Das moderne Leben kontrastiert mit historischen Bauten aus der Boomzeit Ende des 19. Jh., als die größte und reichste Stadt der jungen Kolonie sich Repräsentatives leisten konnte. Sogar ein Schloss mit einer grauen Dame gibt es. Dunedin ist zudem Badeort mit tollen Stränden am Pazifik. Es ist eine Stadt mit Profil dank der Hügel vulkanischen Ursprungs, über die sie sich ausdehnt. Und wo sonst kann man in einer Großstadt an einem Nachmittag Robben, Seelöwen, Albatrosse und Pinguine in freier Natur sehen? …
Noch eine Anmerkung nach Wissensstand von meinem letzten Besuch im Februar / März: Das Aquarium der Uni bei Portobello ist seit den berühmt berüchtigten Erdbebenprüfungen öffentlicher Bausubstanz nicht mehr für Touristen zugänglich, nur für “for group education visits. Groups must book in advance” ( http://www.otago.ac.nz/marine-studies/aquarium/index.html ). Ich habe es früher immer in meinem Reiseführer empfohlen, weil es zwar sehr basic und ohne Firlefanz , aber mit Kindern wirklich toll war. Ich hatte bei meiner Familienreise 2007 mit zwei 6jährigen dort viel Spaß, die Jungs waren hin und weg und das lag wohl auch daran, dass es ohne die ganzen Ablenkungen, die es in “Show”-Aquarien gibt, hier das Meeresgetier wirklich im Fokus stand. Odr hast Du zur Zugänglichkeit neuere Informationen?
Mein lieber Hans – drei Links in einem Kommentar, das ist höchst spammy ;-) Danke für deinen Hinweis auf das Portobello Aquarium, uns hat es dort 2011 auch ausnehmend gut gefallen. Sollte doch aber eigentlich kein Problem sein, vorher anzurufen und zu buchen. Soo “basic” war das in meiner Erinnerung auch gar nicht – es gab diverse Science-Stationen, ein Detektivspiel, eine große Spielecke mit Kostümen zum Verkleiden…
Liebe Grüße
Jenny
Wir waren letztes Jahr zu Fuß in Dunedin unterwegs (keine Lust in der Stadt mit dem Auto rum zu kurven…), die Baldwin Street war uns dann zu weit, aber man läuft in Dunedin eigentlich ständig die gefühlt steilste Straße der Welt rauf und runter ;-).
Sehr empfehlenswert ist neben den angesprochenen Sehenswürdigkeiten auch die Zugfahrt auf der historischen Strecke durchs Hinterland – am stilechtesten natürlich in einem historischen Wagon und am schönsten ganz hinten, oder ganz vorne – das ist vollkommen egal, denn nach der Hälfte der Strecke koppelt die Lok vorne ab und hinten an (vorne ist es allerdings laut und ordentlich Diesel in der Luft…).
Dunedin ist echt eine der schönsten Städte Neuseelands und ich bin überglücklich, dass wir letztes Jahr in NZ sein konnten, wer weiß wann das wieder so möglich ist.
Da hast du wohl Recht! Wir waren 2011 das letzte Mal in Dunedin, das ist eindeutig zu lange her. Die Taieri Gorge Railway, die du ansprichst, ist allerdings nach meinem Kenntnisstand momentan bis auf Weiteres eingestellt. :-/
Knapp 40 Grad Steigung im Wohnmobil? Das braucht dann aber einen starken Motor – und starke Bremsen. Da würde ich vielleicht doch lieber zu Fuß hingehen ;-)
Liebe Grüße
Gela
Ich glaube auch, unser schwachbrüstiges Monster wäre glatt rückwärts wieder hinuntergerollt :-)