! Aktualisiert am 22. August 2022
Im vierten Blog-Interview unserer Reihe berichtet „Schmeißi“ alias Stefan von seiner Neuseeland-Reise, die schon etwas länger zurückliegt – er ist vor zwei Jahren mit seiner japanischen Ehefrau und dem kleinen „Bu Chan“ für fünf Wochen durch Neuseeland gereist. Durch seinen nicht nur sehr sachlichen, sondern auch erfrischend kritischen Reisebericht auf rastlos.com sind wir auf den reiseerfahrenen Backpacker aufmerksam geworden und haben ihn um ein Interview gebeten.
WW: Stefan, erzähle uns doch bitte zuerst ein wenig über deine Familie. Deutsch-japanisch ist ja eine recht seltene Kombination…
Stefan: Meine Frau und ich haben uns 2003 in Australien kennengelernt und nach einem Dutzend Ländern später haben wir 2006 geheiratet. Seitdem können wir uns zwischen Deutschland und Japan nicht so recht entscheiden. Zusammen mit unserem inzwischen Dreijährigen sind wir eine nette kleine Familie; so normal wie man eben ist, wenn man japanische und ostdeutsche Kultur verbinden will. Unser kleiner Sohn heißt übrigens nicht wirklich Bu Chan, das ist ein etwas doppeldeutiger Kosename (aber wenn ich das erklären will, wird das Interview sehr lang …).
WW: Was gibt es denn so für Unterschiede zwischen den beiden Kulturen?
Stefan: Wenn ich das alles erklären will, würde das Interview… Nur ein Beispiel also: Als ich den Flug nach Neuseeland gebucht habe, wusste meine Familie gar nicht genau, dass ich wieder eine Reise plane – die sind es ja gewöhnt, dass ich öfters mal verreise. Für die japanischen Schwiegereltern war das dagegen eine krasse Nummer – wie die meisten Japaner kennen sie nur Urlaub für maximal fünf Tage, die haben noch nie länger als eine Woche im Ausland verbracht. Geschweige denn fünf Wochen in Neuseeland und gleich anschließend fünf Wochen in Thailand …
WW: Ihr lasst euch offenbar nicht beirren und seid auch als Eltern noch echte Globetrotter. Warum stand denn Neuseeland als Reiseziel auf eurer Liste?
Stefan: Den Plan hatten wir schon länger, und als wir dann mit unserem Sohn in Japan saßen, bot es sich ja an: Von da aus ist die Anreise nämlich viel kürzer und damit billiger. Neuseeland hat außerdem gewisse Vorteile für Individualtouristen wie uns, die dennoch etwas Komfort wollen, weil sie auf einmal mit einem Kleinkind reisen …
Ich muss auch sagen, dass alle Leute, die ich kannte, von Neuseeland schwärmten. Das Land hat als Reiseziel wirklich einen extrem guten Ruf. Meine Erwartungen waren daher schon sehr hoch.
WW: Wenn du das so betonst, gab es da offenbar eine Diskrepanz zu euren Erlebnissen?
Stefan: Auch wenn ich mich damit bestimmt unbeliebt mache, muss ich sagen: Neuseeland wird überbewertet. Für Menschen, die noch nie „rausgekommen“ sind, ist es sicherlich eine tolle und eben auch einfache Sache. Aber für uns hat das Verhältnis von Preis zu Leistung einfach nicht gestimmt. Von der Landschaft hat mich Norwegen weit mehr beeindruckt, und die Tierwelt fand ich zum Beispiel in Australien beeindruckender. Das ist natürlich ein Stück weit Geschmacksache – mit Kind war die Reise halt weniger abenteuerlich, wir konnten zum Beispiel die Neuseeländischen Alpen kaum erkunden, die mich dann sicherlich gnädiger gestimmt hätten.
Mitgenommen habe ich aber vor allem die bittere Erkenntnis, dass die Globalisierung mit ihren Landkäufen und der folgenden wirtschaftlichen Nutzung als Weideland usw. auch vor einem Paradies wie Neuseeland nicht Halt gemacht hat. Die Neuseeländer müssen höllisch aufpassen, dass sie ihre Wälder nicht komplett abholzen. Wenn dann nur noch die ewigen Schafweiden da sind, werden sie irgendwann keine Touristen mehr anlocken können…
WW: Ja, da magst du Recht haben – obwohl ich dir in Bezug auf die Natur nicht zustimmen kann! Wo hat es euch denn am besten gefallen?
Stefan: Inzwischen sind mehr als zwei Jahre vergangen, aber erinnern kann ich mich noch daran:
- die beeindruckenden Kauri-Bäume mit dem tollen Museum (und das sage ich als Museumsmuffel!)
- die einsamen Strände nördlich von Gisborne (Freedom Camping!), wo es übrigens ein schönes Aquarium gibt
- die Golden Bay und der Abel Tasman Nationalpark mit Sandstränden OHNE Sandfliegen
- die beiden Gletscher auf der Südinsel
- die beeindruckende Landschaft am Milford Sound; in Te Anau haben wir dazu einen sehr schönen Natur-Werbe-Film angeschaut
Sehr erholsam waren für uns die Zwischenstopps in einem Ferienhaus und in einem original neuseeländischen Bed and Breakfast, wo man mal mit Einheimischen in Kontakt kam. Insgesamt waren es viele kleinere Dinge, die einzeln für sich alle recht banal sind – aber wenn jeden Tag zwei, drei Highlights angesteuert werden, ergibt das doch eine ganz beeindruckende Summe.
Einen Geheimtipp habe ich noch: In Okarito an der Westküste gibt es einen günstigen DOC-Campingplatz, sogar mit Duschen. Der Strand mit der Gletscherkulisse im Hintergrund und einem Fluss, der ins Meer mündet, ist schon sehr idyllisch. Wenn die Sandfliegen nicht gewesen wären… aber so haben wir uns lieber eine Hütte genommen. Mit zwei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Kamin usw. hat sie nur 75 NZ$ gekostet!
WW: Und wie fand euer Sohn seine erste Reise?
Stefan: Bu Chan war damals noch zu klein, um eine eigene Meinung zu haben – mit grad mal einem Jahr … Aber ich denke, wir bzw. Neuseeland haben ihm gut was geboten. Problematisch waren die vielen Sandfliegen an den Stränden der Südinsel, vor allem an der Westküste, und die Moskitos im Milford Sound. Der Kleine musste deshalb ständig unter seinem Moskitonetz bleiben, was ihn und uns ziemlich genervt hat. Ansonsten ist Neuseeland aber ein sehr kinderfreundliches Land, da gab es nichts zu meckern!
WW: Wie seid ihr denn durch Neuseeland gereist?
Stefan: Die Vorbereitungen waren die üblichen – ich habe eigentlich nur einen möglichst günstigen One-Way-Flug gesucht. Mit Jetstar haben wir zu dritt knapp 770 Euro bezahlt. Nachteil: Es gab im Flieger nichts zu essen und das Gepäcklimit war auch sehr niedrig. Aber wir sind ja Ultra-Leicht-Backpacking gewohnt (ich sage nur: eine Gürteltasche Gepäck für drei Wochen Thailand).
Nachdem wir uns zwei Tage in Auckland akklimatisiert hatten, haben wir unseren Campervan abgeholt und uns eine grobe Reiseroute ausgedacht. Die Übernachtungen waren ein ständiger Spagat: Wir haben immer versucht, möglichst günstig zu übernachten, aber wegen Bu Chan wollten wir auch etwas Komfort haben, also mindestens ein eigenes Bad mit WC. Das ist naturgemäß ein Widerspruch. Als kleine Familie in einer Hütte zu übernachten, war ziemlich teuer – die sind nämlich meistens für mehrere Familien bzw. mindestens vier Erwachsene ausgelegt. Wir mussten trotzdem immer den vollen Preis bezahlen. Zu viert wäre es daher halb so teuer gewesen, pro Person gerechnet.
WW: Moment mal – warum habt ihr denn nicht in eurem Campervan geschlafen?
Stefan: Es war kein richtiges Wohnmobil, sondern ein „Microcamper“ – das ist eher ein großes Auto mit eingebautem Bett, Kocher, Wasserkanister und Kühlbox. Unser „Spaceship“ hatte zwar Schlafdecken an Bord, aber wir fanden schnell heraus, dass wir zu dritt mit Bu Chan im Zelt einfach besser schliefen. Wir haben uns also unterwegs erst einmal ein Zelt und Isomatten gekauft; eine Campingausstattung, Tisch und Stühle waren zum Glück schon an Bord. Anstrengend wurde es allerdings bei Regenwetter (und es hat auf der Nordinsel oft geregnet!) oder wenn Sandfliegen da waren: Da war das Zelten dann nicht mehr so toll und wir brauchten eben eine feste Unterkunft.
WW: Das Reisen mit Kind scheint für eingefleischte Backpacker eine große Umstellung zu sein?
Stefan: Klar, es ist schon was anderes: Man versucht natürlich, weniger Risiken einzugehen und zum Beispiel keine endlosen Wanderungen zu unternehmen. Dabei wird das Reisen weniger abenteuerlich, was ich schon ein wenig vermisst habe. Auf der anderen Seite kommt man schneller mit den Menschen in Kontakt, wenn der kleine Racker dabei ist. Das erste Baden im Meer, das erste Lagerfeuer oder das Übernachten im Zelt waren für unseren Sohn natürlich etwas Besonderes und haben dadurch auch für uns eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Bu Chan war auch begeistert von den vielen Tieren: Auf einigen Campingplätzen werden ja Wallabys, Emus oder Alpakas zum Streicheln für die Touristen gehalten. Der Farmyard Holiday Park bei Christchurch war in der Beziehung echt der Kracher.
WW: Wie lautet also dein Fazit?
Stefan: Auch wenn ich mitunter kritisch klinge, bereue ich unsere Reise auf keinen Fall! Ich hätte nur eben gern mehr Camping gemacht und die vielfältigen Outdoor-Sportangebote ausprobiert, also Seekajak fahren, Wandern in den Alpen etc. Das geht mit kleinen Kindern einfach (noch) nicht. Und mich hat das Touristen-Marketing genervt: Jede kleine Attraktion wird kommerzialisiert, verkauft und zum Teil auch gnadenlos übertrieben. Es gibt wirklich wahnsinnig schöne Natur, aber fast nur noch in den Nationalparks – und da rammeln dann die Massen mit Jetboats, Helikopter und Schneemobil durch. Das ist schade.
WW: Würdest du Neuseeland als Reiseziel für Familien trotzdem empfehlen?
Stefan: Auf jeden Fall! Es kann eigentlich nichts schiefgehen – es gibt super viele Campingplätze mit allem, was man braucht und alles ist sehr familienfreundlich eingerichtet. Wer also darüber nachdenkt: einfach mal machen!
WW: Und die ganz speziellen Backpacker-Tipps?
Stefan: Ich habe vier Ratschläge:
- in einer größeren Gruppe reisen, zum Beispiel zwei Familien zusammen, damit es günstiger wird
- viel Zeit und Geld einplanen
- Antimückenspray für Kleinkinder und Schwimmwindeln für die Pools einpacken
- nicht mit allzu hohen Erwartungen herangehen – sonst ist man schnell enttäuscht…
WW: Auf deiner Website schreibst du sehr detailliert über die Kosten jedes einzelnen Postens und scheinst ein echter Sparfuchs zu sein – wie viel habt ihr denn insgesamt ausgegeben?
Stefan: Danke für das Kompliment – aber ich gebe frei zu, dass wir unser Budget heillos überzogen haben. In den fünf Wochen haben wir ohne Flugtickets 4.400 Euro ausgegeben. Ein Luxusurlaub war es aber dennoch nicht! Da wir für unsere gesamte Reise – die dauerte zehn Wochen – einschließlich aller Flüge etc. nur 8.000 Euro eingeplant hatten, mussten wir den anschließenden Australien-Trip verkürzen und sind dafür länger in Thailand geblieben, wo es viel günstiger ist.
WW: Da ihr ja offenbar überall in der Welt zu Hause seid – habt ihr mal überlegt, in Neuseeland zu bleiben?
Stefan: Ja, am Anfang schon – wir haben auch öfters Leute dazu ausgefragt. Und die Jobangebote recherchiert. Aber die Löhne waren nicht besonders hoch und die Lebenshaltungskosten sind doch recht hoch. Für anspruchslose Singles oder Pärchen ist es sicherlich machbar und man hat dort bestimmt eine tolle Zeit. Aber alle meine Freunde, die mal ein Jahr in Neuseeland verbracht haben, sind inzwischen wieder zurück nach Deutschland gekommen – weil es hier einfach doch bessere Bedingungen gibt.
Mein Fazit also: Neuseeland ist schön für ein Abenteuer und bestimmt auch mal für ein Jahr, aber auf Dauer dort leben – nein.
WW: Und dein Fazit zum Reisen mit Kind – wo fährst du mit deiner Familie als nächstes hin?
Stefan: Nach dem Neuseelandtrip ging es ja gleich weiter nach Australien. Von da aus sind wir nach Thailand und über Malaysia nach Japan zurückgeflogen. Später ging es nach Deutschland zurück, wo wir mit einem „richtigen“ Wohnmobil an die Ostsee nach Rügen gefahren sind. Ich gebe aber zu, dass ich auch sehr, sehr gern allein oder mit meinen Freunden reise… Schneeschuhwandern in Norwegen zum Beispiel geht mit Bu Chan einfach noch nicht.
Wer das also liest: Ich suche aktuell noch eine Begleitung für einen Trip im August 2012 nach Kanada, um von White Horse nach Dawson City auf dem Yukon zu paddeln …
WW: Alles klar, Stefan, wir helfen gern und danken dir für deine Zeit!
Hier gibt es die (vielen!) Reiseberichte von Stefan und seinen Freunden und hier kann man die Neuseelandreise der kleinen Familie detailliert nachlesen.
- Neuseeland mit Kind Karte: mehr als 450 Tipps für Familien auf Google Maps! - 25. Oktober 2024
- DOC Campsite Pass in Neuseeland: Lohnt er sich für Familien? - 5. Oktober 2024
- Zürich mit Kindern: Geht das auch günstig? - 12. September 2024
Vielen Dank für diesen doch kritischen Bericht. Wir sind ja auch schon so in dem ein oder anderen Land gewesen und waren, wie in unserem Bericht hier im Blog schon zum vierten mal in NZ. Ich kann zu obigem Bericht nur sagen, dass wenn man seine Tour vorbereitet, sich vielleicht etwas größeres als ein Spaceship ausleiht kann man auch ein Abenteuer erleben. Und dass es auf der Südinsel Sandflies gibt, ist zum einen bekannt und zum anderen übertrieben, da es nicht auf der kompletten Südinsel, sondern lediglich an der Westcoast Sandflies gibt. Und Wanderungen und Abenteuer kann man mit einer Kraxn von Deuter trotz Kind mit Sicherheit haben, ist eben nur eine persönliche Einstellungssache. Wir waren auch auf Tageswanderungen. Ich denke, wenn man nicht 2 – 3 Highlights pro Tag macht, sieht man auch die kleinen Details von NZ und nicht nur die offiziellen Touristen-Highlights. Ich denke, im obigen Bericht wurden wohl nur die offiziellen Highlights gesehen.
Trotzdem vielen Dank für den Bericht, wenn ich die Meinung leider überhaupt nicht teilen kann.