Der Reiseplan der meisten Japan-Besucher steht schon Monate vorher fest: Tokio, Kyoto, Osaka. Und vielleicht noch ein Abstecher nach Hiroshima und Nara. Gähn, wie langweilig! Fanden wir, und machten uns auf, das “echte” Japan zu entdecken. Das war gar nicht so schwer – mit ein paar einfachen Tricks.
Vorab ein Disclaimer: Wir behaupten natürlich nicht, in drei Wochen Japan tief in die Lebensweise der Japaner eingedrungen zu sein, ihr Denken und ihre Gefühle durchschaut zu haben oder das echte japanische Alltagsleben mitgelebt zu haben. Dafür war in der Kürze der Zeit leider keine Gelegenheit – und die Japaner machen es Ausländern aka “gaijin” ja ohnehin sehr schwer, wirklich ein Teil ihrer Gesellschaft zu werden.
Selbst im weltoffenen, neonglitzernden und von internationalen Firmen wimmelnden Tokio wurden wir immer wieder verstohlen beobachtet und mit dem Finger bezeigt – nicht verächtlich oder feindlich, aber offensichtlich fasziniert und (seitens der Kinder) auch ein wenig ängstlich.
Und wo selbst die coolen Jugendlichen mit den gestylten Frisuren und den schicken westlichen Klamotten unsere Frage nach “water” nicht verstanden und lediglich “no english” kichern konnten, stand die Sprachbarriere oft wie eine Wand zwischen uns und dem “echten” Japan.
Aber wir bilden uns trotzdem ein, mehr davon gesehen zu haben als auf einer Standard-Japan-Reise. Und wie haben wir das gemacht?
Mehr von Japan sehen: mit dem richtigen Verkehrsmittel
Es ist so herrlich einfach, dass gefühlt 99 Prozent der Japan-Reisenden ganz selbstverständlich den Zug als Fortbewegungsmittel durch Japan wählen. Und wir wollen gar nicht bestreiten, dass das Zugfahren in Japan große Vorteile hat. Es ist bequem, sehr schnell und mit dem richtigen Pass wohl auch gar nicht teuer (jedenfalls für Einzelreisende oder Paare).
Aber das japanische Bahnsystem hat eben auch einen großen Nachteil: Es verbindet die großen Städte und Touristenzentren miteinander, und nicht die kleinen Dörfer auf dem flachen Land (oder in den Bergen). Da nicht nur 99 Prozent der Ausländer, sondern auch der reisenden Japaner Shinkansen & Co. bevorzugen, landen dann unweigerlich alle zusammen an denselben Orten zur selben Zeit. Und immer nur so lange, bis der letzte Zug fährt.
Wir haben jeden Tag gestaunt, wie krass unterschiedlich eine japanische Kleinstadt aussieht, sobald gegen 16 Uhr die Tagesausflügler in den letzten Zug gestiegen sind (Japaner sind keine Freunde des langen Bleibens, scheint es). Es war buchstäblich niemand mehr da!
Wir bummelten dann gemütlich durch die Straßen, schauten uns in Geschäften um, die noch etwa eine Stunde geöffnet hatten, und gingen dann in ein kleines Restaurant, wo nur noch Einheimische saßen.
Oder wir kamen in Orte, die überhaupt nicht ans Bahnnetz angeschlossen waren: Mit dem Campervan kein Problem. In winzigen Dörfern, in schmalen Gassen, zwischen endlosen Reisfeldern haben wir ganz in Ruhe das echte Japan gesehen. Bis zum Sonnenuntergang, oder auch noch länger; und wenn es uns gefiel, dann blieben wir einfach bis zum nächsten Morgen.
Ein weiteres tolles Fortbewegungsmittel, das wir im Hochsommer in Japan allerdings nicht genutzt hätten, ist das Fahrrad. Wie schön eine Fahrradtour in Japan sein kann, erzählt Kumo in ihrem Blogpost über den Shimanami Kaido. Und auf Nippon Insider lest ihr die spannende Geschichte von Danielas wilder Fahrrad-Reise durch Okinawa.
Wohnen wie die Japaner: in der richtigen Unterkunft
Ein Hotel in Tokio zu finden, stellt für uns als Familie ein Ding der Unmöglichkeit dar. Mit drei Kindern passen wir offenbar nicht ins Buchungsschema und bekommen allenfalls die Möglichkeit, zwei (hoffentlich nebeneinander liegende) Doppelzimmer zu buchen. Zu den entsprechenden Preisen natürlich. Selbst im günstigsten Ryokan, der bei Backpackern recht beliebt ist, zahlen wir fast 500 Euro für drei Nächte – irks!
Das geht doch auch günstiger, dachten wir. Tatsächlich gibt es in Tokio (und sicher auch in anderen japanischen Städten) Massen von bezahlbaren und teilweise sehr persönlichen Airbnb-Apartments – von schlichten Gästezimmern mit Bett und Schrank bis zu ganzen Häusern im traditionellen japanischen Stil. Dort haben wir uns auf unserer letzten Japan-Reise für insgesamt fünf Tage eingemietet, und auf der nächsten werden wir es ebenfalls tun.
Airbnb bzw. “Home Sharing” ist zum Glück inzwischen von der Stadtverwaltung in Tokio für legal erklärt worden – unter der Bedingung, dass es sich um das gelegentliche, kurzzeitige Vermieten von Wohnraum bis zu 180 Tage im Jahr handelt.
Der Vorteil eines eigenen Apartments für uns als Familie liegt auf der Hand: Wir haben unsere Ruhe, müssen mit gestressten Kids keine Hotel-Etikette einhalten und können uns dank Küchenzeile selbst versorgen. Kleine Supermärkte (“konbini”) finden sich in Tokio buchstäblich an jeder Ecke. Unsere japanischen Airbnb-Gastgeber reißen sich ein Bein aus, um uns wirklich alles – vom Finden der Wohnung über das Bedienen der Waschmaschine bis zur korrekten Mülltrennung – zu erklären.
Und wir lernen so ganz nebenbei viel über den japanischen Alltag. Auch beim täglichen Ein- und Ausrollen der Futons, beim Ausziehen der Schuhe vor dem Betreten der Tatami-Matten und bei der Benutzung des japanischen Badezimmers!
-> Tipp: Richtig coole Apartments im traditionellen japanischen Stil in Tokio und Kyoto könnt ihr auch bei Japan Experience buchen.
Das echte Japan kennenlernen: abseits der ausgetretenen Pfade
Zweifellos sieht der Buddha in Kamakura toll aus, wirkt der rote Tori auf der Insel Miyajima bei Hiroshima total romantisch und sind die zahmen Hirsche in der Tempelstadt Nara ganz entzückend (fanden wir auch). Aber uns persönlich befriedigt es einfach nicht, dieselben Dinge und Orte zu besuchen, die auch jeder andere Japan-Tourist besucht. Schon während der Reisevorbereitung langweilten mich die immer gleichen Tipps zu Kyoto, Nara, Osaka.
Warum nicht mal etwas ganz anderes anschauen in Japan? Mit dem Campervan ist es einfach, “off the beaten track” zu gelangen, aber auch mit Zug und Bus kommt man sicher an Orte, die nicht von Touristen und Tagesausflüglern überrannt sind.
Warum nicht mal zum Lake Biwa fahren, oder auf die Izu Peninsula südlich von Tokio, oder an die Nordküste von Honshu, oder auf die Insel Awaji, oder nach Shikoku? Warum nicht mal von Tokio aus nach Norden fahren und Tohoku erkunden – was wir diesen Sommer vorhaben? Japan hat so viele tolle Ecken und Landschaften zu bieten, da ist es doch jammerschade, immer dem “tourist trail” zu folgen.
Tipp: Euer Standard-Reiseführer dürfte euch dabei gnadenlos im Stich lassen. Wir haben gestaunt, was im Reise Know-How oder Stefan Loose alles nicht drin steht. Der Lonely Planet schnitt da wesentlich besser ab; aber auch hier gab es Lücken. Fragt japanische Bekannte, Einheimische mit Englischkenntnissen (die gibt es), Japan-Backpacker und Expats nach ihren Geheimtipps und Lieblingsorten; oder fahrt aufs Geradewohl los!
-> Tolle Japan-Tipps haben Andi und seine Familie bei ihrer Campervan-Reise gesammelt; zum Beispiel diesen Guide zu den schönsten Stränden auf Honshu und Shikoku
-> Hier findet ihr unsere Liste mit Online-Japankennern
Japan for real: do like the locals do
When in Rome, do like the Romans, sagte bereits jemand, der mir gerade nicht mehr einfällt. Der Spruch ist ungeheuer weise und funktioniert nicht nur in Rom. Gerade wenn man in einer so fremden Kultur unterwegs ist wie in Japan, machen schon die einfachsten und alltäglichsten Dinge Spaß und sind ungeheuer spannend – weshalb wir es genießen, flexibel als Selbstversorger in Japan unterwegs zu sein.
Einkaufen gehen im Riesensupermarkt am Stadtrand, Abendessen mit “salarymen” in kleinen Izakayas, “normale” Onsen besuchen, wo sich abends die Familien der Nachbarschaft treffen, ein Schwimmbad im Stadtpark besuchen, übernachten auf Rastplätzen am Straßenrand (den “michi no eki”) gemeinsam mit anderen japanischen Familien – das hat uns auf unserer Reise die interessantesten Eindrücke beschert und zu den nettesten Begegnungen geführt.
Japan für Fortgeschrittene: Japanisch sprechen
Trotz des großen Interesses, der Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft eigentlich aller Japaner, die wir getroffen haben: Die Sprachbarriere ist doch eine große. Warum kaum jemand sich traut, Englisch zu sprechen, habe ich in diesem Beitrag über unsere Versuche, Japanisch zu lernen, erklärt.
Bei dem Versuch ist es bisher geblieben – Japanisch lernt sich nicht mal so nebenbei wie vielleicht Spanisch. Wer also die Gelegenheit hat, in der Schule, im Studium oder auch in der VHS Japanisch zu lernen, der sollte diese Möglichkeit mit beiden Händen ergreifen!
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Eine Reise ganz naxh meinem Geschmack. Bei Lesen der bekannten Orte gähnende ich innerlich auch immer schon. Deshalb finden ich die Reise mir dem Campervan genial.
Günstig, weg von den Touristenpfaden und eintauchen ins einfache Japan.
Genau das habe ich in meinem Artikel zum Thema Backpacker in Japan auch beschrieben.
Toll geschrieben wie immer. Ich lese deine Artikel so gerne.
Liebe Grüße
Daniela
Ich finde, dass die japanische Sprache recht zugänglich ist. Die Grammatik ist oft wie im Deutscben nur genau umgekehrt. Ich hatte mir vor der ersten Japanreise das Buch “Japanisch im Sauseschritt” gekauft und das mit einer Tamdempartnerin in drei Monaten durchgerbeitet. Danach wohnte ich ein paar Wochen bei einer japanischen Famile (mit dem zweiten Band der Reihe). Das hat dann gereicht, um einigermassen mit den Leuten reden zu können. Fand Japanisch sehr viel zugänglicher als Chinesisch.