! Aktualisiert am 4. Juni 2015
Das Erdbeben in Christchurch, das wir nur knapp verpassten, beeindruckte unsere Tochter weniger als die entfernte Chance, der Mount Tongariro könnte ausbrechen (was er 2012 tatsächlich tat). Für die Weltwunderertochter Grund genug, Neuseeland in Zukunft zu meiden. Wir schauen uns mal an, ob sie da nicht ein wenig überreagiert …
Neuseeland liegt direkt auf dem Pazifischen Feuerring, in der Reibungszone zwischen der Pazifischen und der Australischen Platte, was die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Vulkanausbrüchen und Erdbeben im weltweiten Vergleich recht hoch macht. Dazu kommt, dass beide Inseln in den Zyklon-Zonen für antarktische und pazifische Unwetter liegen – Stürme, Unwetter und Überflutungen treten also ebenfalls überdurchschnittlich häufig auf und das sehr bergige Terrain trägt ein Weiteres zu Erdrutschen, schweren Stürmen und Wetterstürzen bei.
Nicht umsonst witzelt man, das wichtigste Teil im Katastrophen-Pack jedes Neuseeländers sei ein One-way-Ticket nach Australien, und Warnschilder für Tsunami-Evakuierungsrouten und Fluchtwege bei Vulkanausbrüchen sieht man allerorten. Die Kiwis sind es gewohnt, 95 Prozent von ihnen leben in weniger als 200 km Abstand der Bruchzone zwischen den Erdplatten: Ein Erdbeben, das weniger als 5 Punkte auf der Richter-Skala erzielt, erzeugt bei ihnen nur müdes Gähnen, und Erdrutsche oder Überschwemmungen gibt es sowieso jedes Jahr irgendwo.
Naturkatastrophen gehören einfach zu Neuseeland – ohne sie würde es das Land in seiner heutigen Form gar nicht geben, etwa die thermalen Gebiete um Rotorua oder den Lake Taupo. Was genau kann denn aber wirklich passieren?
Erdbeben – aber immer
Zwar werden jährlich über 15.000 Erdbeben registriert, von denen sind aber nur etwa 150 spürbar und noch weniger verursachen echte Schäden. Das Doppel-Erdbeben in Christchurch in den Jahren 2010 und 2011 war in dieser Beziehung eine absolute, tragische Ausnahme – das letzte derart dramatische Erdbeben geschah 1931, als in Napier 258 Personen starben und die Stadt daraufhin als Art-deco-Juwel wieder aufgebaut wurde. Bei allen anderen aufgezeichneten Beben lagen die Opferzahlen im einstelligen Bereich.
In puncto Erdbeben leben die Einwohner von Wellington, der Hawke’s Bay, Nelson und dem nördlichen Canterbury am gefährlichsten. Unter diesen Gebieten liegen “active fault lines”, also Sollbruchstellen, wo sich die Erdplatten mit einer Geschwindigkeit von 4 cm pro Jahr aneinander entlangreiben. Als Folge gibt es hier nicht nur häufig Erdstöße, sondern in Folge von Seebeben auch bis zu 10 m hohe Tsunamis (bei denen allerdings noch nie jemand gestorben ist).
Bei Erdbeben geht die größte Gefahr von einstürzenden Häusern und Bränden aus – daher wird in Neuseeland peinlich auf die Einhaltung von Bausicherheitsstandards geachtet. Häuser aus Holz sind zum Beispiel bei Erdbeben weniger gefährdet als Ziegelhäuser (dafür leider im Winter schlecht isoliert …). Und in einem Campervan kann/wird/sollte schon mal gar nichts passieren (es sei denn, man fällt sehr unglücklich in eine neu aufbrechende Fault Line hinein …).
Vulkanausbrüche – jederzeit
Auch hier spielt der Pazifische Feuerring die Hauptrolle – Neuseeland ist eine der vulkanisch aktivsten Gegenden der Welt und Ausbrüche jeder Größe begleiten die Geschichte des Landes seit jeher. Ohne das Magma und die Hitze aus dem Erdinneren würde es die heißen Quellen, die Mud Pools und all das andere spannende Zeug rund um Rotorua gar nicht geben.
Am ehesten erlebt man spannendes Brodeln im Gebiet zwischen Mount Ruapehu und White Island. Das bisher größte (und auch letzte) Desaster geschah hier 1953, als bei einem Ausbruch des Mount Ruapehu ein Kratersee überlief und eine Schlammlawine (ein „Lahar“) 151 Menschen in einem vorbeifahrenden Zug unter sich begrub. Beim letzten Ausbruch des Mount Tarawera nahe Rotorua im Jahr 1886 wurden drei ganze Dörfer unter einer Aschedecke begraben und die berühmten rosa und weißen Siliziumterrassen (vergleichbar mit denen im türkischen Pamukkale) wurden zerstört.
Der Mount Tongariro, der seit Ende des 19. Jahrhunderts ruhig gewesen war, gilt seit seinen überraschenden Ausbrüchen im Jahr 2012 wieder als aktiv und steht auf Warnstufe 2 des “Volcanic Alert Level”. Der höchste Vulkan Neuseelands, der Mount Ruapehu, ist da etwas aktiver – er bricht seit 1895 immer wieder aus, allerdings in der Regel ohne menschliche Opfer. Einzig beim letzten Ausbruch 2007 kam ein Wanderer zu Schaden, als ein Steinbrocken auf sein Hüttendach fiel.
Insgesamt ist es enorm unwahrscheinlich, dass man als Tourist einen Vulkanausbruch miterlebt – und noch unwahrscheinlicher, dass man dabei zu Schaden kommt. Trotzdem muss und sollte man sich bei Aufenthalten im Tongariro National Park mit den überall aushängenden Evakuierungsrouten und -routinen vertraut machen – sicher ist sicher!
Stürme und Überschwemmungen – saisonal
Wirbelstürme sind in Neuseeland selten, in der Regel erreichen nur Ausläufer das Festland. Das einzige nennenswerte Unglück im Zusammenhang mit einem Zyklon ereignete sich 1968, als die Interislander-Fähre zwischen den beiden Inseln sank.
Viel häufiger verursachen die starken Regenfälle bei Wirbelstürmen gefährliche Überflutungen – von Straßen, Feldern und Städten. Nicht nur Wanderer, auch Autofahrer werden daher allerorten gewarnt, bei Hochwasser keine Flüsse zu durchqueren und lieber abzuwarten, bis die Pegel wieder sinken.
Die Gefahr von Überflutungen wird von Reisenden komplett unterschätzt – tatsächlich sind im 20. Jahrhundert fast 1.000 solcher Ereignisse mit teilweise katastrophalen Folgen in Neuseeland geschehen. Schon bei den ersten europäischen Siedlern war das Ertrinken in plötzlich angeschwollenen Flüssen als “New Zealand death” bekannt.
Wie gefährlich ist Neuseeland also wirklich?
Die nackten (Opfer-) Zahlen sprechen bereits für sich. Noch wichtiger für das Gefährdungsniveau eines Landes sind die sozialen Strukturen, mit denen die Gesellschaft etwaigen Naturkatastrophen begegnet. In Neuseeland ist man mit dem Auftreten von Erdbeben, Vulkanausbrüchen & Co. so vertraut, dass umfangreiche Sicherheitsroutinen installiert sind, die schlimme Katastrophen abfangen oder verhindern.
Das reicht von hochtechnisierten, global vernetzten Mess- und Warnsystemen über Bauvorschriften (die auch eingehalten werden!) bis zu Vorsorge-Maßnahmen in der Bevölkerung: Immer wieder wird diese dazu aufgerufen, einen Notfallvorrat an Verpflegung und Ausrüstung für mindestens drei Tage anzulegen, und um die 80 Prozent der Neuseeländer sind diesbezüglich gut ausgerüstet.
Der Welt-Risiko-Bericht von 2012 stuft Neuseeland denn auch in der Liste der durch Naturkatastrophen gefährdeten Länder ziemlich weit vorn ein – in puncto Anpassungs- und Bewältigungskapazitäten liegt das Land aber genau wie Deutschland im grünen Bereich.
Will sagen: Selbst wenn ihr während eures Aufenthalts in Neuseeland ein Erdbeben, eine Überschwemmung oder gar einen Vulkanausbruch erleben solltet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ihr im Zuge dieses Ereignisses von einer funktionierenden Notfallversorgung aufgefangen und gut versorgt werdet. Das würde euch in Nordafrika, großen Teilen von Südostasien, aber auch in einigen Ländern Südosteuropas anders gehen – und wer dorthin reist, macht sich über Naturkatastrophen in der Regel wenig Gedanken.
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Hallo Weltwunderer!
Wir verfolgen deinen Blog schon etwas länger, jetzt entschieden wir uns dich mal zu kontaktieren vielleicht auch nur zu loben!
Du schreibst wirklich tolle und informative beiträge vielen dank ersteinmal dafür!*daumenhoch*
Ich persönlich finde diesen Beitrag besonders interessant, weil wir im Mai nach Neuseeland fliegen werden, um dort ein Monat Urlaub zu machen und uns das GANZE Land anzuschauen! Besonders freue ich mich schon auf das spannende Brodeln im Gebiet zwischen Mount Ruapehu und White Island!!
wir lesen uns!
Antonia & Heinz