! Aktualisiert am 2. Juni 2021
“In dieser Stadt ist kein Platz für uns zwei!” So ähnlich heißt es doch im Western, richtig? Bevor wir zu unserem Ausflug in die Westernstadt High Chaparral in Småland aufbrachen, hatte ich keinerlei Interesse an Cowboys & Co. gehabt; meine Mädels erst recht nicht. Das änderte sich in den folgenden Stunden gründlich – wir hatten einen Riesenspaß!
“Was, ihr wollt nach High Chaparral? Das ist doch totaler Mist!” Allzu ermutigend waren die Bemerkungen befreundeter Familien nicht, als wir von unserer Absicht erzählten, den High Chaparral Freizeitpark bei Värnamo zu besuchen. Voll, teuer, langweilig, albern – so lautete das Verdikt.
Wir fuhren trotzdem hin, und erlebten die erste Überraschung schon auf dem weiträumigen Parkplatz vor dem Eingang zur Westernstadt.
High Chaparral Westernpark – die schwedische Überraschungstüte
Hier stieg ein Cowboy nach dem anderen aus den schwedischen Autos – nicht nur die Kinder waren äußerst umfangreich in Cowboy-Montur ausstaffiert, auch die Erwachsenen! Und ich spreche hier nicht von billigen Supermarkt-Kostümen, sondern von richtig guten Hüten, coolen Ledermänteln, schicken Chaps… Mit mindestens zwei Colts am Gürtel natürlich.
Die machten zwar nur harmlos “peng-peng”, aber das ziemlich laut – für die kleineren Kids in unserer Reisegruppe erstmal gewöhnungsbedürftig. (In Deutschland hätten bestimmt alle Kinder diese grellbunten Kopfhörer getragen, die Schweden schienen härter im Nehmen.)
Erste Lektion: Wenn die Schweden in einen Westernpark gehen, dann machen sie das richtig. Und wenn wir das nächste Mal hingehen, verkleiden wir uns auch. So “normal” kamen wir uns total unpassend vor, und legten uns als erstes zünftige Cowboyhüte im Shop zu, um nicht allzusehr aufzufallen.
Dass uns die Westernstadt so authentisch vorkam, hat einen Grund: Den Western-Freizeitpark bei Kultorp gibt es schon seit 1966. Damals kam Besitzer Bengt Erlandson, besser bekannt als “Big Bengt”, von einer USA-Reise zurück und hatte die spleenige Idee, auf dem Land seiner Familie mit Hilfe von 200.000 ausrangierten schwedischen Telefonmasten ein echtes Fort nachzubauen.
Aus dem Fort wurde dann im Laufe der Jahre ein Themenpark, mit echter Dampfeisenbahn, einer kleinen Stadt, einem Indianer-Reservat, einer mexikanischen Siedlung, einem Kanal, auf dem ein Raddampfer fährt, und vielem mehr. Emil und Philip, die Enkel von Big Bengt, führen heute High Chaparral – der alte Herr ist erst letztes Jahr gestorben.
High Chaparral in Schweden – nicht albern, sondern ziemlich lustig
Der Eingang zur Westernstadt war die zweite Überraschung: Gar nicht “tacky” oder billige Kulisse, sondern bis ins Detail nachgeahmtes Western-Feeling begann schon an der Rezeption und setzte sich auf der “main street” fort, wo der Sheriff und diverse andere Gestalten herumlungerten und sich freundliche Wortgefechte mit besonders schicken Gästen oder den vielen aufgeregten Kindern lieferten.
High Chaparral besteht nämlich nicht nur aus wunderbar (und humorvoll) inszenierten Kulissen, Attraktionen und Shops, sondern beschäftigt einen ganzen Stab an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die kostümiert und mit der passenden Attitüde durch den Park streifen und für Atmosphäre sorgen. Das begann beim Sheriff, der sich fürsorglich um unsere (verbotenen) Laufräder kümmerte und sie in seinem Office einschloss, ging über den einfältigen Goldwäscher, der uns mit viel Slapstick assistierte, und die konstant erschrockenen Ladies in der Bank, die permanent ausgeraubt wurde, und kulminierte in den harten Männern, die den Zug voller Gold ins mexikanische Territorium begleiteten und dort gnadenlos überfallen wurden.
Klar, schwedisch zu können, wäre schon gut gewesen, um alles zu verstehen, was bei diesem Hinterhalt passierte – vor allem, weil wir nichtsahnenden Zugpassagiere voll ins Geschehen involviert wurden. “Hände hoch!”, brüllte (wahrscheinlich) die mexikanische Gangsterbraut, die in unser Abteil sprang und dort das versteckte Gold suchte. Unsere Vierjährige verschwand daraufhin kreischend unter der Sitzbank und war nicht mehr hervorzubekommen – oje…
Noch mehr Krach auf die Ohren gab es bei der Theater-Aufführung auf der großen Bühne, die mehrmals täglich stattfindet. Wir erkannten einige vertraute Gestalten wieder, die sich vor den Kulissen von Bank und Saloon ein wildes Feuergefecht lieferten – auch ohne Schwedisch-Kenntnisse waren die Guten von den Bösen einfach zu unterscheiden. Während die Darsteller filmreife Stürze von den Dächern auf bereitliegende Matratzen hinlegten, waren die kleinen Zuschauer nicht zu bremsen – “klickklicklickklick” tönte es aus hunderten Colts und Revolvern, die ein imaginäres Sperrfeuer auf die bösen Gangster veranstalteten.
Zweite Lektion: Wer den Unterschied zwischen “So tun als ob” und echt noch nicht versteht, der kann hier einen großen Schreck bekommen – Kinder unter vier Jahren solltet ihr gründlich vorbereiten (und eventuell doch mit Ohrenschützern ausstatten).
High Chaparral in Småland – unsere Favoriten
Mit Kindern im Freizeitpark, das ist eine organisatorische und pädagogische Herausforderung. Man muss die Wege geschickt so legen, dass man nicht doppelt und nicht zu lange laufen muss, die coolsten Attraktionen ausmachen und die sinnlosen schon vorher erkennen, so dass keine Enttäuschung aufkommt. Dort, wo die Kinder begeistert für immer bleiben wollen, heißt es entscheiden, wie lange “für immer” sein darf und ob es wirklich lohnt, das Glück vorzeitig zu beenden – weil ja aber um die Ecke etwas noch Tolleres warten könnte, das man nicht verpassen will!
Das Gelände des High Chaparral Westernparks ist zum Glück nicht allzu groß, so dass doppelte Wege nicht allzu schlimm sind. Trotzdem: Für einen Tag hatten wir mehr als genug Beschäftigung, und wir haben längst nicht alles gesehen.
Hier sind unsere Lieblingsstationen in der High Chaparral Westernstadt:
- die Zugfahrt mit dem Gold nach Mexiko – Aussteigen in einer mexikanischen Kleinstadt, die exakt genauso aussah wie in der Kult-Serie “Westworld” (nur für Erwachsene!!), und wo uns ein mexikanisches Restaurant mit echtem mexikanischem Koch originalgetreu verwöhnte
- Goldwaschen an einer Hütte im “shabby look”, wo die Kinder geduldig Nugget um Nugget aus dem Wasser fischten, um es dann mit einer beeindruckenden Cyberpunk-artigen Dampfmaschine zu goldenen Münzen zu pressen – liebevoll begleitet von einem clownesken Goldwäscher und seinem Sohn (?)
- Kaffeetrinken in einer Siedlerhütte aus Wyoming, wo uns strahlende, knicksende Farmgirls im Amish-Look schwedische Zimtschnecken und Kaffee zur “fika” servierten
- die “kleine Westernstadt”, wo jedes Kind die Cowboy-Show mit Dachkletterei, Verstecken und Überfallen persönlich nachspielen konnte – hier hätte der Weltwundersohn sicherlich Stunden verbracht (wenn er nicht in Deutschland zur Schule hätte gehen müssen…)
- das Café von “Mama Dalton”, wo die gesamte Dalton-Brüderschaft zugange war, mit den Besucher-Kindern einen spontanen “Line Dance” auf die Bretter legte und dann in einer langen Schlange zur Bank zog, um diese zu überfallen
- die Pferde, die von Kindern bis 10 Jahre kostenfrei und immer wieder im Kreis geritten werden durften – die kleine Tochter war hier gar nicht mehr wegzubekommen
Shoot-out auf der Main Street
… und schließlich die “main street”, auf der wir am Ende unseres Besuchs auch gern mal die Bank überfallen wollten. Leider fehlte uns dafür der richtige Colt – aber ohne Banküberfall kann man High Chaparral nicht verlassen, befand der Hilfssheriff und lieh der Weltwundertochter kurzerhand seine Waffe. Ihren erschrockenen Einwand, sie könne doch gar nicht schießen, ließ er nicht zählen – “Schieß doch einfach auf den Typen dort”, riet er ihr augenzwinkernd.
Was für uns eindeutig nicht politisch korrekt war und zu einigem verlegenen Kichern führte, ist für Schweden offenbar völlig harmloser Spaß – Papas knallten ihre Söhne ab, aus Buggys erklang es “peng-peng” in Mamas Richtung, großes Gelächter. Die Weltwundertochter brauchte jedenfalls viel Ermutigung, bevor sie mit zugekniffenen Augen den Goldwäscher in den Fuß schoß – das Duell mit dem Hilfssheriff verlor sie kläglich.
Aber die Bank haben wir trotzdem überfallen! Letztlich musste ich die Sache selbst in die Hand nehmen, weil es der Teenie-Tochter dann doch zu peinlich war. Die erbeuteten Goldmünzen habe ich natürlich dann auch selbst behalten – höhö.
High Chaparral Westernstadt: unser Fazit
Freizeitparks finden wir eigentlich doof – zu voll, zu teuer, zu langweilig, zu albern. Und das Thema Cowboy und Indianer habe zumindest ich persönlich ziemlich satt; nach einer Kindheit voller Winnetou, dessen Schöpfer auch noch nahe meiner Heimatstadt Dresden, in Radebeul, geboren wurde und der dort jährlich beim Karl-May-Fest gefeiert wird. Und das ist voll, teuer, langweilig und albern – wenigstens sehe ich das heute so.
Dass Themenparks uns tatsächlich Spaß machen können, war unsere überraschendste Lektion an diesem Tag. Wenn man sich wirklich Mühe gibt, sie mit Leben und Spaß zu füllen, wenn man ihre kleinen Gäste an die Hand nimmt und sie nicht an jeder Attraktion Schlange stehen und Eintritt zahlen lässt, wenn man an ruhige Ecken und leckeres Essen abseits von Bratwurst und Pommes für die Eltern denkt, und wenn man schließlich von allen Gästen erwartet, dass sie aus ganzem Herzen mitspielen und nicht nur Geld ausgeben – dann kann es klappen.
High Chaparral gehört jedenfalls ganz oben auf unsere Liste von Småland-Hits für Familien!
Ihr wollt auch nach High Chaparral? Der Park hat nur im Sommer von Anfang Juni bis Mitte August und danach ein ein paar Extra-Wochenenden geöffnet, also schaut vorher unbedingt auf der Website nach. Die Eintrittspreise liegen je nach Datum zwischen 240 und 320 SEK, Kinder unter 1 m sind kostenfrei.
Achtung: Für die Zugfahrt und das Goldwaschen müsst ihr extra bezahlen; die Shows, das Ponyreiten und der ganze Spaß sind im Ticket inklusive. Der Parkplatz kostet noch einmal 60 SEK für einen Tag. Und auch die 30 SEK für das Goldwaschen konnte ich, wie alles andere in Schweden, problemlos per Kreditkarte bezahlen ;-)
Wart ihr schon in High Chaparral in Småland? Wie fandet ihr es dort? Habt ihr mitgespielt oder nur zugeschaut?
Unser Besuch im High Chaparral in Småland fand auf Einladung von NOVASOL und TT Line statt. Vielen Dank auch an Camilla von SmålandsTourism, die uns vor Ort begleitete und beim Verstehen der Gangster half!
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Ich wär auch skeptisch gewesen. Aber es klingt dann doch ziemlich cool. Ich glaub, ich schreib mal eine Bewerbung als Gängsterbraut oder so. :D
Stimmt, das hab ich ganz vergessen zu erzählen: Da kann man sich tatsächlich als Darsteller für die Sommermonate bewerben. Der Hilfssheriff war 19 und machte gerade Abitur ;-)