! Aktualisiert am 17. März 2023
“In Brandenburg, in Brandenburg … ist wieder jemand in eine Allee gegurkt – was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg?” Das fragt Liedermacher Rainald Grebe in seiner bitterbösen Hymne an das größte der fünf ostdeutschen Bundesländer. Wir hatten zum Glück keine 17-, 18-Jährigen dabei auf unserem Kurztrip nach Brandenburg mit Kindern – und haben die Stille an der Zerpenschleuse ziemlich gemocht.
“Da, siehst du sie? Wahnsinn…” Staunend blicken mein Sohn und ich zum Nachthimmel auf, über den sich ein deutlich sichtbares Band aus abertausenden Sternen zieht.
Dass wir in Brandenburg, gerade einmal 50 km von Berlin entfernt, das als schmutzig gelbe Lichtwolke den südlichen Horizont erhellt, die Milchstraße sehen können, das haut uns um. Und dann zischt sogar noch eine Sternschnuppe über den Nachthimmel!
Zum Glück liegen wir sowieso schon auf dem Rücken, weil wir heute draußen schlafen wollen. Wir haben kurzerhand unsere Matratze nach draußen geschleppt und liegen jetzt auf der Terrasse unseres NOVASOL Ferienhauses im Örtchen Zerpenschleuse, direkt hinter dem Alten Finowkanal, der seit 1620 von Marienfelde nach Finowfurt führt – und den wir hinter den Bäumen leise gluckern hören, wenn wir die Ohren spitzen.
Sonst hören wir hier nichts. Weder abends noch tagsüber. Die Stille liegt wie eine heiße, ziemlich kratzige Wolldecke über den ausgedörrten Feldern und Wäldern der Barnimer Heide. Auch aus dem verschlafenen Dorf Zerpenschleuse auf dem anderen Ufer des Finowkanals dringt kein Laut, als würden die knapp 900 Einwohner auf Zehenspitzen gehen.
Brandenburg ist sowieso schon das niederschlagsärmste der deutschen Bundesländer – aber der Sommer 2018 war noch trockener als normalerweise (und was ist schon normal im Klimawandel?). Die von uralten Eichen gesäumten, kopfsteingepflasterten Alleen scheinen zu knistern vor Trockenheit, der Boden ist mit welkem Laub bedeckt wie im Herbst. Über den Feldern liegt ein Dunstschleier aus Staub, zwischen den Zehen und Zähnen knirscht es. Dafür werden wir mit spektakulären Sonnenuntergängen belohnt – und mit sternklaren, tropisch warmen Nächten.
In den Tagen unseres Aufenthalts steigen die Temperaturen bis auf 38 °C. Unter dem ausgebauten Spitzdach unseres NOVASOL-Ferienhauses sind es heute Abend gefühlte 50 °C – drinnen schlafen ist also völlig indiskutabel, finden wenigstens Sohnemann und ich. Die anderen haben Angst vor Spinnen und Käfern. Mit denen nehme ich es gern auf, wenn ich dafür eine kühle Brise bekomme!
Urlaub im NOVASOL Feriendorf in Zerpenschleuse
Das rot gestrichene und mit Holz vertäfelte Haus mit den 70 Geschwistern (200 sollen es noch werden), die das Ufer der Marina hinter dem Finowkanal säumen, sieht zwar aus, als hätte man es als Direktimport aus Schweden geholt. Aber man hat halt das schwedisch-kühle Sommerwetter nicht mitgeliefert, und wir lernen: Schwedenhäuser sind in Zeiten des Klimawandels wohl nicht die optimale Wohnform. Schwitz.
Wir liegen also auf unserer aufblasbaren Isomatte, die wir zum Glück noch vom Campingurlaub im Kofferraum hatten, und freuen uns über die leichte Brise auf unseren verschwitzten Bäuchen.
Ansonsten haben wir hier nichts zu meckern. “Hier sieht es aus wie in einem Tumblr-Blog!”, seufzte die große Tochter verzückt beim Eintreten. Tatsächlich fühlen wir uns ein wenig wie in einem Showroom – unser Ferienhaus scheint noch ganz frisch zu sein und wurde von einer wirklich geschickten Innenausstatterin eingerichtet.
Die Frau hat nicht nur Geschmack, sie weiß auch, was Familien brauchen: Vom Kindergeschirr über wirklich viele Teller und Tassen (wer will schon im Urlaub ständig spülen) bis hin zum frisch gemahlenen Kaffee ist alles da, damit wir es gemütlich haben. Dass wir den Kamin nicht ausprobieren können, finden wir alle schade.
Dass wir zu den Besuchern der ersten Stunde gehören, zeigen auch die (hitzematten) Bautätigkeiten an einigen Häusern, die noch frischen Bodenaushübe und vor allem: die Ruhe in der Anlage. Nicht jedes der 70 Häuser hier wird an Feriengäste vermietet, aber auch die “richtigen” Besitzer lassen sich kaum blicken.
Die Kids sind ein wenig enttäuscht von der Ruhe, sie hatten auf Altersgenossen zum Spielen gehofft. (Wir finden es weniger schlimm; wären alle Häuser bewohnt, wäre es vorbei mit der schönen Ruhe.) Damit sie nicht die ganze Zeit die Enten ärgern, die leise zwischen den Booten in der Marina schnattern, müssen wir etwas unternehmen.
Leider fehlt uns das eigene Boot – hätten wir so eins, könnten wir direkt von der hauseigenen Anlegestelle losschippern. Über den Alten Finowkanal, der seit 2016 wieder schiffbar ist, kommt man im Westen über die Havel bis in die Uckermark oder nach Potsdam, im Osten bis zum Werbellinsee oder ins Oderbruch. Bei unserem Aufenthalt schaukeln allerdings nur wenige Boote an den Anlegeplätzen.
Sommer in Brandenburg mit Kindern: ab in den See!
Was macht man im Sommer bei 38 °C in Brandenburg mit Kindern? Da gibt es nur eine Antwort: ab an den See und rein ins kühle Nass.
Rund um Zerpenschleuse gibt es zum Glück reichlich Auswahl. Der Ortsteil von Wandlitz liegt gleich zwischen zwei Naturschutzgebieten: im Süden der Naturpark Barnim, im Norden das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Hier ist es also eeecht grün. Und zu beiden Seiten des Alten Finowkanals, der schon seit 1925 zu einer Sackgasse zugeschüttet wurde und heute “Langer Trödel” heißt, liegen viele kleine Seen wie Wasserspritzer über das Land verstreut.
Brandenburg ist das gewässerreichste deutsche Bundesland, hier gibt es sage und schreibe 3.000 Seen! Der größte ist der Schwielochsee, fast ebenso groß ist der als Tagebau-Rest entstandene Senftenberger See. Wenn die Braunkohle-Baggerlöcher der Lausitzer Seenlandschaft vollgelaufen sind, wird diese Europas größte (künstliche) Wasserlandschaft sein.
Wir testen den Wandlitzer See, springen einmal in den Rahmer See, halten die Füße in den Stolzenhagener See und paddeln einen Wassertreter über den Werbellinsee. Ganz im Norden Brandenburgs, wo der 70 m tiefe Große Stechlin den Preis als tiefster See Brandenburgs abräumt, paddeln unsere Kids vorsichtig zum ersten Mal stehend auf dem SUP Board herum – was für ein Spaß!
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Über den Ruhlesee sausen die Wakeboarder, von unseren Kids mit großen Augen beneidet – und nach ein paar Tagen traut sich die Weltwundertochter. Im ersten Durchgang steuert sie ihre Wasserski immerhin bis zur ersten Kurve, bevor sie mit einem spektakulären Platsch versinkt.
Am winzigkleinen Bernsteinsee, der von einem breiten, goldgelben Strand gesäumt wird, bleiben wir so lange, bis die Sonne untergeht oder uns ein Gewitter vertreibt.
Was tun in Brandenburg mit Kindern?
Wäre es nicht so furchtbar heiß, dass jede Bewegung an der trockenen Luft zur Qual wird, dann hätten wir in Zerpenschleuse und rundherum richtig viel zu tun: Wir könnten im Kanu über den Langen Trödel paddeln, der durch die Stilllegung so zugewachsen ist, dass man ihn den Kleinen Amazonas nennt. Wir könnten mit dem Fahrrad durch die Wälder der Schorfheide fahren.
Wir könnten den Hof der kleinen Tiere besichtigen, wo alte Haustierrassen gezüchtet werden (bzw. wurden, siehe unten). Wir könnten das gigantische Schiffshebewerk in Niederfinow anschauen, wo am Beginn des Finowkanals große und kleine Schiffe 36 Meter hoch geschleust werden. Wir könnten angeln, klettern, tauchen… (Wir könnten sogar, wenn das Wetter arg schlecht wäre, ins Tropical Islands fahren).
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Im Klimawandel-Mahnsommer 2018 (der, rückblickend betrachtet, noch gar nicht mal so besonders heiß war!) beschränken wir uns allerdings auf sparsame Bewegungen im Schatten. Unser Feriendorf in der Zerpenschleuse macht uns das sehr einfach: Beim Betrachten der sich im stillen Hafen spiegelnden Häuschen, des träge dahinströmenden Kanals, der über Seerosen flirrenden Libellen kann man problemlos die Zeit vergessen.
Und wenn uns die Hitze zu arg wird, schalten wir einfach den Gartenschlauch an.
“Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg…”
Und was ist nun mit Rainald Grebe und seiner tiefschwarzen Brandenburg-Hymne?
Die enthält schon ein paar Körnchen Wahrheit, sonst wäre sie nicht so lustig.
“In Berlin bin ich einer von drei Millionen, in Brandenburg kann ich bald alleine wohnen…”
Ja, es ist nicht viel los in Brandenburg. Es gibt wenige Restaurants, kaum Kinos, die Tankstellen sind ab 19 Uhr geschlossen und selbst die Sparkasse baut immer mehr Geldautomaten ab. WLAN? Mit EC-Karte zahlen? “Das lohnt sich hier nicht”, erklärt uns ein Gastwirt nach dem anderen. Wenn nur im Sommer Gäste kommen, sind die hohen Gebühren aufs Jahr gerechnet zu hoch.
-> Berlinerin Sophie zeigt euch Lychen, das alle Brandenburg-Klischees zu erfüllen scheint – positive und negative!
“Wir machen wieder zu, es lohnt sich nicht”, seufzt auch der Betreiber des Hofs der kleinen Tiere, auf dem wir (eingefrorenes) Fleisch von seltenen Dexter-Rindern kaufen. Seine Tochter ist nicht da, sie arbeitet in Berlin.
Da wollen sie alle hin – “Hallelujah, Berlin“, jubelt Rainald Grebe im Refrain lakonisch. Klar, die Hauptstadt ist sehr verlockend “mit 17, 18 in Brandenburg“.
Und sie bietet eine perfekte Ergänzung für einen Brandenburg-Urlaub mit Kindern. Auch wir haben zum Abschluss unseres Urlaubs noch mal Großstadt-Luft geschnuppert. Für einen Ausflug zwischendurch hätten wir auch ganz einfach die “Heidekrautbahn” nehmen können, die vom Bahnhof Zerpenschleuse bis nach Berlin-Karow fährt (von dort geht es mit der S2 weiter in die Stadt).
“In Berlin kann man so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben…”
Zwischen hupenden Autos, in stickiger Großstadt-Luft und auf vermüllten Gehsteigen voller Touristen erschien uns die Ruhe im NOVASOL-Feriendorf Zerpenschleuse dann aber rückblickend doch als ziemlich schön. Es hat halt auch was, wenn man mal nicht “einer von drei Millionen” ist, sondern dorthin kommt, “wo wieder Wölfe wohnen”.
Hoffentlich kommen die gelangweilten Teenager irgendwann zurück aus der weiten Welt nach Brandenburg; und hoffentlich erkennen sie dann, was sie für eine schöne Heimat haben. Immerhin lebt sogar Rainald Grebe selbst seit 2017 in der Uckermark in Brandenburg!
Disclaimer: NOVASOL hat unseren Aufenthalt in der Zerpenschleuse bezahlt. Unsere Meinung über Brandenburg hat das nicht beeinflusst.
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Hallo, das sind wirklich sehr sehr schöne Bilder von euch. Danke für diese stille Reklame für unser kleines verschlafenes Schifferdorf. Allerdings kann ich nicht bestätigen, dass im Winter hier die Bürgersteige hochgeklappt werden. Wenn der Kanal zugefroren ist, tobt hier das Leben. Auch zu unserem Drachbootrennen im September. (Die Veranstaltung hängt durch Corona etwas in der Luft. Wir halten uns an die Verordnungen des Bundes, Landes und der Gemeinde Wandlitz). Im Herbst ist wandern angesagt sowie angeln und fahrradfahren ist jederzeit möglich. Solltet ihr uns Schlüser nicht sehen, hier in Zerpenschleuse wissen wir uns auch in unserem Stübchen gut zu unterhalten. Ein Besuch lohnt sich immer, wenn unsere Besucher mit sich allein und der Natur sein möchten.
Ich habe heute diesen Artikel hier gefunden und mit einer Sehnsuchtsträne verschlungen. Dort, wo jetzt die Marina und die NOVASOL-Ferienhäuser stehen, habe ich als Kind gespielt, gebadet und geangelt. Zerpenschleuse ist und bleibt meine Heimat. Beim Lesen ist mir wieder einmal bewusst geworden, dass ein Teil von mir – obwohl ich weit weg in der Welt bin – immer in Zerpenschleuse bleibt.
Oh Henning,
das klingt so schön ♥ Vielleicht haben wir diese Magie in Zerpenschleuse gespürt? Obwohl es nur ein kurzer Urlaub vor unserer großen Neuseeland-Reise war, ist uns dieser Trip tief im Herzen geblieben und wir denken total oft an Brandenburg und Zerpenschleuse zurück. Du hattest dort sicher eine schöne Kindheit!
Liebe Grüße
Jenny
Ich finde deine Bilder allesamt traumhaft! Außerdem habe ich mir Brandenburgs Seen gleich mal auf meine Wohnwagenliste gesetzt. Vielen Dank für den tollen Beitrag.
LG
Charnette
Liebe Charnette,
danke für das Kompliment – Brandenburg hat es uns in diesem Sommer aber auch leicht gemacht :-) Wie es an den Seen mit Camping aussieht, weiß ich gar nicht – berichtet unbedingt, wenn ihr dort mal mit dem Wohnwagen hingekommen seid!
LG
Jenny
Danke für den Tipp Jenny. Meine Vorliebe für Brandenburg kennst Du ja, aber manche Ecken habe ich einfach nicht auf dem Schirm. Dabei wäre das genau meins, Schweden in Brandenburg – zwei Lieblinge auf einmal. LG Ines
Genau das hat uns auch so gefallen – zwei Fliegen mit einer Klappe quasi ;-)
Ach ja….. Brandenburg bzw. die Uckermark, ist ja meine zweite Heimat, weil mein Vater und meine Stiefmutter dort 20 Jahre gelebt haben. Nun sind sie nur noch immer Sommer dort und verbringen den Winter in Berlin, weil es in der Tat, z.T. einfach zu ruhig ist und gerade für alte Leute auch keine richtige medizinische Versorgung gibt. Sobald der Sommer vorbei ist klappen gefühlt die Bürgersteige hoch, die Cafes schließen und es passiert rein gar nichts mehr. Außer das mal einer in die Allee gurkt ;). Trotzdem liebe ich es dort und fahre immer wieder dorthin, wenn ich mal wieder einfach nur Ruhe und Muße für mich brauche. GlG, Nadine
Ach, das sind echt schöne Bilder, da möchte man ja fast mal wieder….naja, meine Brandenburg-Erfahrung kennst Du ja, aber hier könnte ich rückfällig werden.