! Aktualisiert am 24. November 2023
Wer auf Reisen Erlebnisse sammelt, anstatt Dinge zu besitzen, ist ein besserer Mensch? Pustekuchen. Wir sind reingefallen auf einen romantischen Mythos – und hängen genauso im Konsum-Hamsterrad wie alle anderen. Warum Neuseeland kein Land ist und unsere Reiselust auf Ausbeutung beruht.
Disclaimer: Der Anstoß für diesen Artikel ist das Buch “Eine kurze Geschichte der Menschheit” von Yuval Hariri, aus dem ich im Folgenden ab und zu zitiere und eben auch Gedankengänge übernommen habe. Lesen!
- Harari, Yuval Noah (Autor)
Inhalt
Reisen gilt ja heutzutage als Universalheilmittel gegen alle möglichen Krankheiten der Zivilisation – raus aus dem Hamsterrad, free your mind, geh über deine Grenzen, entfalte dein wahres Potenzial… Wir haben sogar einen Beitrag mit einer Menge schöner Reisezitate für Familien auf dem Blog, die genau das auf poetische Weise ausdrücken.
Aber ist Reisen wirklich so moralisch einwandfrei, so Anti-Mainstream und unverzichtbar für die Entwicklung eines freien Geistes? Ich stelle hier eine steile These auf, für die ich bestimmt heftigen Gegenwind ernte:
Reisen ist, genau betrachtet, einfach eine weitere Spielart des Konsumzwangs, verpackt in ein romantisches Gewand.
Waaas? Aber ich reise doch aus innerem Antrieb und kaufe eben NICHT ständig sinnlose Dinge! Quatsch. Wer sich all die Reisemagazine, die Influencer und die Kampagnen der Tourismus-Organisationen anschaut, der erkennt schnell: Auch hier geht es um viel Geld. Das Corona-Virus hat die Tourismus-Industrie in die Knie gezwungen und dabei Milliarden Euro vernichtet.
* Zur Klarstellung: Ich spreche hier bewusst gar nicht vom Pauschaltourismus. Pauschalreisende, die jedes Jahr eine Woche all inclusive in Ägypten entspannen oder es am Ballermann krachen lassen wollen, sind wenigstens so ehrlich, das zuzugeben. Sie wollen Unterhaltung oder Entspannung, relativ egal wo, und dafür bezahlen sie, genau wie fürs Nagelstudio oder den Fernseher.
Sind Reisende automatisch „bessere“ Menschen?
Reisen war früher, also zu Zeiten von Goethe und Schiller oder auch noch meiner Eltern, die 1970 im Trabi nach Bulgarien gefahren sind, eine anstrengende Sache. Rein körperlich war es anstrengend, lange Strecken in Verkehrsmitteln zurückzulegen, die dafür nicht gedacht waren. Es war beschwerlich und nervig, Unterkünfte zu finden, und man akzeptierte, was man bekam (normalerweise nicht viel). Es war schwierig, Grenzen zu passieren (denn man brauchte die richtigen Scheine, Visa und Erlaubnisse dafür), in fremden Sprachen zu kommunizieren, mit den lokalen Essgewohnheiten zurechtzukommen, Währungen umzurechnen etc.
All das ist heute gar kein Problem mehr. Wir packen Reisepass und Kreditkarte ein, steigen in ein online gebuchtes Flugzeug unserer Wahl, landen am anderen Ende der Welt (beschweren uns dabei über das maue Entertainment-Programm), bestellen dort wegen Kulturschocks erst einmal im McDoof einen Big Mäc (auf Englisch) und suchen dann fix bei Booking.com ein Hotelzimmer. Natürlich eines mit möglichst guten Bewertungen.
Und damit beschreibe ich keine Pauschalreise, sondern den Beginn eines Backpacking-Trips, wie ihn heute so viele coole junge Leute und noch coolere junge Familien antreten, vorzugsweise in Richtung Südostasien.
Ich bestreite nicht, dass es Reisende gibt, die immer noch so reisen wie olle Goethe. Denen schicke Hotels und schöne Pools, coole Selfies am Strand, Naturwunder mit Besucherterrassen und der Neid der Daheimgebliebenen total egal sind. Die per Anhalter oder Regionalbus durch fremde Länder ziehen und die Einheimischen kennenlernen, denen sie beim Couchsurfing begegnen und auf ihrer Farm helfen.
Aber die Mehrheit der heutigen Reisenden sind doch eher die „Traveller“, die vor allem gute Insta-Fotos schießen wollen, die stolz sind auf 100 Länderstempel in ihrem Reisepass – und vor allem: verächtlich auf die „Normalos“ im Hamsterrad herabblicken.
Dabei vergessen oder übersehen sie sehr gern, dass ihr cooler Lifestyle unter Palmen nur möglich ist, weil die Lebenshaltungskosten in Ländern der Zweiten und Dritten Welt sehr niedrig sind. Gibt es einen moralischen Unterschied zwischen denen, die von billigen Hotels in Thailand profitieren und denen, die von Billigklamotten aus Bangladesch profitieren?
-> auf VICE gibt es noch eine schöne Abrechnung, warum Reisen uns zu schlechteren Menschen macht
Reisen = Romantik + Kapitalismus
Ich versuche auf diesem Blog seit mehr als zehn Jahren, meine Begeisterung über das Reisen zu vermitteln. Weil ich fest daran glaubte, dass Reisen (mit und ohne Kinder) per se etwas Gutes ist, von dem ich meine Leserinnen und Leser gern überzeugen will.
Und weil ich dachte, das Bedürfnis danach, die Welt zu entdecken, würde meinem eigenen Wesen entspringen, meiner Neugier auf die Welt. Ich dachte, die Reiselust sei ein Teil meines Selbst.
Ich war mehr als überrascht, sogar regelrecht verunsichert, als ich „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Noah Harari las. Der israelische Historiker schreibt darüber, wie stark der Mensch durch Kultur geprägt wird. Was wohl wirklich einzigartig für unsere Spezies ist: Wir erschaffen uns ein erdachtes System von Regeln und Glaubenssätzen, und dann glauben wir so fest daran, dass diese Rahmenbedingungen für uns wirklich werden (jeder Soziologe weiß das, und das macht Soziologie auch so spannend!).
Zum Beispiel Geld: Es funktioniert nur, weil wirklich jeder Mensch daran glaubt, dass bedruckte Papierstücke und Metallscheiben einen Wert haben. Auf diese Weise wurden technologische und kulturelle Höchstleistungen möglich, aber auch Mord, Kriege und unfassbar viel Leid.
Oder Kuhmilch: Die trinken wir pflichtbewusst, weil uns die Oma, die Werbung und der Kinderarzt sagen, dass es gesund ist. Wir vergessen dabei nur, dass Kuhmilch a) die Muttermilch eines anderen Säugetiers ist, die wir ernährungsphysiologisch gar nicht brauchen können, und dass b) ein Großteil der Weltbevölkerung keine Kuhmilch trinkt und trotzdem prima klarkommt. (Abgesehen von c), dass es unfassbar viel Leid bei den Kühen und Kälbern verursacht und d), dass wir durch Massentierhaltung unseren Planeten zerstören.)
Was Soziologen wissen: Viele Dinge und Gewohnheiten, die uns wie naturgegebene Gesetze erscheinen, sind “nur” Kultur. Das kulturelle System, also die Gemeinschaft, prägt uns bis in unsere innersten Gedanken und Gefühle (Angst vor Spinnen ist hier ein gutes Stichwort).
Auch das Reisen bzw. der Wunsch danach, die Welt zu entdecken, ist laut Hariri keine individuelle Sehnsucht einzelner Personen. Im Gegenteil.
Reisen ist eine Mode unseres Zeitalters.
Nichts an der Reiselust ist irgendwie natürlich oder logisch. Ein Schimpanse würde nicht im Traum daran denken, einen Erholungsurlaub auf dem Territorium der Nachbar-Horde zu machen, oder eine Entdeckungstour nach Europa.
Die Pharaos im Alten Ägypten gaben Vermögen für den Bau von repräsentablen Grabmälern aus und quälten dafür tausende Sklaven zu Tode. Dabei hätten sie mit ihrem Reichtum auch Luxuskreuzfahrten nach Babylon oder Phönizien machen können, um die Hängenden Gärten der Semiramis oder andere Weltwunder zu besichtigen.
Noch nicht einmal unsere Großeltern fanden es erstrebenswert, jedes verlängerte Wochenende in eine andere Stadt zu fahren und dort die „10 coolsten Cafés“ auszuprobieren. Sie sammelten auch keine Stempel in ihrem Reisepass (wenn sie einen hatten). Die Welt erkundeten sie vom Sofa aus, etwa mit den Abenteuerromanen von Karl May.
Wenn wir heutzutage viel Geld für Reisen ausgeben, tun wir das nicht aus innerem Antrieb heraus.
Wir reisen, weil wir an einen romantischen Mythos glauben.
Die Reise-Romantik sagt uns, wir müssten so viel erleben wie möglich, um das meiste aus unserem Potenzial zu machen. Wir sollen uns öffnen für alle möglichen Eindrücke und Emotionen; wir sollen verschiedene Landesküchen probieren und unterschiedliche Musikstile wertschätzen.
Am besten, wir tun das, indem wir komplett aus unserer täglichen Routine ausbrechen, unser vertrautes Leben hinter uns lassen und in möglichst weit entfernte Länder reisen. Nur dort können wir wirklich „eintauchen“ in die fremden Kulturen, Gerüche und Geschmäcker anderer Menschen.
Ständig hören wir begeisterte Reisende berichten, wie ihre Erlebnisse „ihre Augen geöffnet“ und ihr Leben verändert hätten.
Der Trend der Romantik ermutigt zur Vielfalt und zum Entdecken; und er passt ganz wunderbar zusammen mit der Lust am Konsum. Aus ihrer Verbindung ist der unbegrenzte „Markt der Erlebnisse“ entstanden, auf dem die moderne Tourismus-Industrie basiert.
Erlebnisse sammeln – oder kaufen?
Wir Reisenden bilden uns unheimlich viel darauf ein, dass uns Erlebnisse und Erinnerungen wichtiger sind als Immobilien, Schuhe oder ein eigenes Haus. Wir finden, dass unsere Kinder möglichst viele verschiedene Kulturen gesehen haben müssen, um Toleranz und Weltoffenheit zu lernen.
Ist das alles wirklich so viel besser, cooler und unspießiger, als die Natur zu Hause zu genießen, den Sommer am heimischen Badesee zu verbringen und die Welt über Reisereportagen im Fernsehen kennenzulernen? Wir haben zwar keine Ferraris, iPads und Manolo Blahniks. Dafür geben wir ähnliche Summen für Fernreisen aus, mit denen wir uns dann ganz genauso schmücken.
Apropos schmücken: Wer von uns geht denn heute noch in Jeans und Halbschuhen wandern? Trägt zum Skifahren eine normale Winterjacke mit Pudelmütze? Rausgehen heißt heute Outdoor-Sport, und die Wanderschuhe unserer Kinder kosten so viel wie ein Monat Kita-Beitrag. Dafür sind sie wasserdicht, atmungsaktiv und die Lütten könnten damit auf den Mount Everest steigen!
Leute, wir sind sowas von reingefallen auf die Versprechungen einer cleveren Industrie. Der ist es total egal, ob wir uns als Fashionistas inszenieren oder als Frischluftfans – wir alle kaufen eifrig ein, um unseren Lebensstil zu präsentieren. Und auch Flugtickets, coole VW Bullys und Hotelzimmer kosten natürlich Geld, nicht zu knapp. Der Tourismus ist nicht nur einer der größten Wirtschaftszweige auf unserem Planeten, er gehört logischerweise auch zu den krassesten CO2-Emittenten.
Auch wenn wir für Reisen eine Menge Geld ausgeben, empfinden wir das als etwas moralisch Besseres als schlichtes Shopping. Aber wir werden reingelegt! Die Tourismus-Industrie tut so, als würde sie uns weder Flugtickets noch Hotelzimmer verkaufen, sondern: Erlebnisse.
Paris ist keine Stadt, Neuseeland kein Land.
Reisen sind Erlebnisse, die wir konsumieren, um unseren Horizont zu erweitern, unser Potenzial zu entfalten und – glücklicher zu werden.
Über allem spannt sich das System des Kapitalismus, an den wir alle glauben. Wir glauben an das Streben nach Freiheit, und wir arbeiten hart dafür, uns diese mit Geld zu kaufen. Wir stecken bis zum Hals in der Tretmühle, selbst wenn wir glauben, darüber zu stehen. Und was noch schlimmer ist: Wir erkaufen uns diese Freiheit mit der Ausbeutung von Menschen der Dritten Welt, die wir nicht gefragt haben, ob das okay für sie ist.
Das alles sind nicht meine Ideen, sondern die von Yuval Hariri. Aber ich finde sie so überzeugend (und er bringt sie so nüchtern und ohne jeden Vorwurf zu Papier), dass ich kaum etwas dagegen sagen kann.
Einen Wal sehen oder Whale watching?
Beispiel gefällig?
Eines der wundervollsten Erlebnisse, die man meiner bescheidenen Meinung nach auf dieser Erde haben kann, ist es, einen Wal aus nächster Nähe zu sehen. Während einer Bootsfahrt unverhofft den Rücken eines solch gigantischen Tiers aus den Wellen auftauchen zu sehen, dabei an die eigene Winzigkeit erinnert zu werden und gleichzeitig die Verbundenheit mit diesem so fremden und doch recht nahe verwandten Tier zu spüren – das einem auf individueller Ebene so haushoch überlegen ist und das man, als Spezies, bis an den Rand der Ausrottung gebracht hat –, ist eine wahnsinnig erhebende und berührende Erfahrung.
Das wird jeder bestätigen, der dieses Erlebnis bereits genießen durfte. Und hier kommt das Problem: Unglaublich viele Menschen haben bereits das Glück gehabt, einen Wal aus nächster Nähe zu beobachten. Und zwar nicht zufällig, sondern ganz gezielt.
Sie wollten dieses Erlebnis haben, also haben sie es gebucht und bezahlt. Wir übrigens auch. Hätten wir gewartet, bis uns irgendwann bei einer Bootsfahrt zufällig ein Wal begegnet, dann würden wir wohl immer noch warten. Aber das mussten wir ja nicht – wir haben auf ein touristisches Angebot zurückgegriffen, das Menschen in Gruppen auf ein Schnellboot pfercht, anwesende Wale per Sonar aufspürt und sie verfolgt, bis man sie beim Luftholen „erwischt“.
-> Wer es nachmachen will: Auf nach Kaikoura zum Whale Watching mit über 90 % Sichtungswahrscheinlichkeit!
Den perfekten Schnappschuss von der abtauchenden Schwanzflosse haben wir alle gemacht, davon war das vielfache Klicken der Kameras Zeuge. Aber haben wir dieses Erlebnis wirklich als unsere ganz eigene Erfahrung aufgenommen und genossen?
Nein. Wir haben das Foto gemacht, das wir schon zigmal woanders gesehen haben, und das Erlebnis “Whale Watching” zufrieden von unserer Bucket List abgehakt. „Muss man gesehen haben!”, erzählten wir danach begeistert zu Hause. Und vergaßen dabei, dass wir dieses eigentlich einzigartige Erlebnis wie ein paar Socken gekauft und als Reiseandenken ins Regal gestellt haben.
Wollen wir Teil des Problems sein oder Teil der Lösung?
Wenn nun klar ist, dass Reisen auch nur eine andere Art von Materialismus ist, führt das zu der Frage: Ist das denn so schlimm?
Nun ja. Es ist kein Geheimnis, dass der Mensch die ressourcenhungrigste Art auf unserem Planeten ist. In den wenigen Jahrtausenden unserer Existenz haben wir es geschafft, einen Großteil unserer natürlichen Lebenswelt zu zerstören. Wir haben die Oberfläche der Erde tiefgreifend verändert, Berggipfel abgetragen, Seen zugeschüttet und riesige Waldflächen gerodet. Unsere Fortbewegungsmittel verschmutzen die Atmosphäre, Straßen und Städte dringen in die letzten unerschlossenen Gebiete vor.
Unsere Reiselust spielt eine nicht unerhebliche Rolle bei der Zerstörung der Natur. Das ist besonders bitter, weil wir ja genau die unberührte Natur kaputtmachen, die wir eigentlich erkunden wollen.
Wir sind der Stau, wir sind die Ursache für den Kohlendioxidausstoß der Billigflieger, wir sind die Bewohner der hässlichen Bettenburgen an den schönsten Stränden der Welt, wir sind die Quelle des Plastikmülls.
Wir sind ein Teil des Problems, nicht der Lösung.
Yuval Noah Hariri hat in seinen Büchern eine Menge sehr kluger Gedanken und Thesen aufgestellt, über die es sich gründlich nachzudenken lohnt. Am Ende sitzt ihr vielleicht genauso verwirrt da wie ich und fragt euch, warum ihr euch den ganzen Mist eigentlich überhaupt antut, wenn es doch schon ein Fehler der Menschheit war, mit dem Ackerbau anzufangen.
Aber Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!
Wir sollten akzeptieren, dass wir “Reisenden” genauso Opfer des Konsumwahns sind wie alle anderen.
Wenn wir Reisen als Konsum betrachten und nicht als romantisches Erlebnis oder gar Recht auf Selbsterfüllung, dann können wir informiertere Entscheidungen treffen, was wir kaufen wie wir reisen und wohin. Das kann auch helfen, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, etwa indem wir bewusst weniger energieintensive Reisearten und Reiseziele wählen. Ohne uns von Palmenstrand-Romantik oder den “10 Must-dos in XY” blenden zu lassen.
Wir könnten dann erkennen, dass wir Reisenden, obwohl wir uns so tief als eine Gruppe von besonderen, anders denkenden, „besseren“ Menschen fühlen, gar nicht anders sind als die Otto-Normalbürger, die Vollzeit arbeiten, ins Büro pendeln, shoppen gehen und dem neuesten Modetrend hinterherlaufen.
Wie alle Menschen suchen wir in dieser verrückten, kommerzialisierten, turbokapitalistischen Welt nur einen Weg, um glücklich zu sein.
Lesetipps: Tourismus-Kritik und Nachdenken über das Reisen
Yuval Hariris Buch war für mich der erste Anstoß, über das Reisen nachzudenken. Inzwischen habe ich noch einige weitere kluge Bücher über Tourismus und seine Rolle in unserer Gesellschaft gelesen – und die teile ich gern mit euch!
(Die Cover-Bilder sind Affiliate-Links zu Amazon: Klickt ihr darauf und kauft dann etwas, erhalten wir eine kleine Provision. Danke!)
- d'Eramo, Marco (Autor)
- Groebner, Valentin (Autor)
- Howell, James (Autor)
Ich bin sehr neugierig, was ihr zu meinen Gedanken über das Reisen sagt!
- Neuseeland mit Kind Karte: mehr als 450 Tipps für Familien auf Google Maps! - 25. Oktober 2024
- DOC Campsite Pass in Neuseeland: Lohnt er sich für Familien? - 5. Oktober 2024
- Zürich mit Kindern: Geht das auch günstig? - 12. September 2024
Toller Beitrag! Ich habe vor allem im letzten Jahr viel darüber nachgedacht. Auf der einen Seite liebe ich reisen und auch, wenn es mir wirklich viel gibt, hat es mich nicht glücklich gemacht. Diesen Sommer waren wir viel zu Hause und haben die heißen Tage am Pool im Garten verbracht und die Entspannung und Ruhe war auch wirklich mal schön.
Reisen und Tourismus ist aber für andere auch eine wichtige Einnahmequelle.Wenn verwöhnte Europäer im Bikini in einem Tempel laufen ist das pure Arroganz, die sie aber Zuhause auch schon hatten. Reisen und entdecken haben Menschen schon immer so gemacht.Wenn man natürlich frustriert in seinem Reihehaus und mit falschem Partner sitzt und nichts mehr erleben kann, lässt es sich schnell auf andere zeigen.Im Gegensatz zu unserer satten Gesellschaft ist es woanders nicht so und das mal zu sehen, würde einigen mal gut tun.Reisende, die das nur für Fotos und Likes machen werden egal wo diese Egotour abziehen.Es gibt sehr viele,die eben nicht so sind und anstatt das teure Auto zu fahren reisen gehen. Der Artikel ist viel zu pauschal.Reisen ist am Ende überhaupt nichts verwerfliches.
Liebe Sonne, ich hoffe das Du nicht so “oberflächlich” reist wie Du Artikel liest. In der Überschrift steht “MEINUNG” – und diese “Meinung” ist – für mich – alles andere als paschal. Ich finde es verantwortungsvoll und refektierend wenn ein Reiseblog seine (eigene) Motivation hinterfragt. Ich kann nicht erkennen das die Weltwunderer jetzt das Reisen als etwas verwerfliches ansehen und aufgegeben haben. Ich kann aber erkennen das sie nach Wegen und Mitteln suchen, nachhaltiger und umweltschonender zu reisen.
Das ist ein Toller Artikel! Ich sehe das ebenfalls so mit dem Reisen. Ich gehöre auch zu den Reiseverweigerern und zu denen die immer blöd angeschaut werden, wenn ich sage das ich nirgendwo hinwill. Egal wie groß die Krise ist, Reisen geht immer. Die Länder in Mitteleuropa gehört zu den reichsten Welt. Vorallem der Punkt das wir uns der Armut anderer für unsere Vorteile Nutzen. Die Menschen in Mitteleuropa benutzen den Rest der Welt als Klo, Abfalleimer und Vergnügungspark. Leider interessiert es die wenigsten. WhatsApp Status Bilder zeigen die “besseren Menschen” in Asien und co. Hab den Eindruck das es nur darum geht. Um Fotos anderer unter die Nase zu reiben. Ich bin finanziell recht Stabil würd ich sagen, bin auch nicht geizig, oder sonst was. Wenn ich etwas brauche, kauf ich mir es und ich betone auch BRAUCHEN. Ich versuche selbst für mich in jeder Lebenslage so wenig wie möglich zu benötigen. Das Konsumieren, Essen und Trinken, Reisen, dicke Autos… brauch ich alles nicht. Ich möchte nicht zu denen gehören, die ihren “Wohlstand” zur schaustellen. Ich find es nur noch peinlich das sich alles darum dreht, anderen Menschen die man kennt und vor allem die man NICHT kennt irgendwas beweisen zu wollen. Traurige Welt…
Hallo, ein sehr guter Artikel! Hat mich komplett abgeholt. Ich habe keine Reise bucket list, bin reiseunwillig und extrem entspannt dadurch! Gleichzeitig habe ich natürlich Träume und Ziele, aber alles kann und nichts muss! Um das zu erkennen habe ich allerdings auch ein bisschen gebraucht und die zweite Aufgabe war es diese Einstellung auch nach draußen zu vertreten und zu leben. Das ist nämlich heutzutage nicht so akzeptiert und gängig – ich fühle mich viel freier dadurch!
Ja, da hast du wohl Recht. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt :-)
Finde ich richtig super die Einstellung :) Dann bleibt Reisen auch was Besonderes. Nein zum Konsumwahnsinn :) Besonnener leben, auf die Ressourcen achten und nicht verschwenderisch sein.
[…] (weltenwunderer.de) Ich reise, also bin ich?! Warum uns Reisen nicht glücklich machen wird […]
Ein sehr schöner, erfrischender Artikel!
Allerdings spüre ich doch stark zwischen den Zeilen ein schlechtes Gewissen meines Reisekonsums gegenüber den Menschen der Entwicklungsländer, dem ökologischen Fußabdruck, d. h. hauptsächlich ethische Gründe gegen das Reisen.
Meine persönliche Reiseunwilligkeit ist nichtmal mehr in einem schlechten Gewissen begründet, sondern schlicht in der fehlenden Attraktivität von Reisezielen, welche die Kosten, den Stress, den Aufwand rechtfertigen würden, bzw. mein Hauptbedürfnis des Urlaubs nach Ruhe und Entspannung nicht befriedigen können. Jede Reise, die ich bisher unternahm, erzeugte in mir ein schlechtes Gewissen, da das Kosten/Nutzen-Verhältnis nicht stimmte und ich mich nur selten erholt und wirklich entspannt fühlte. Die beste Reise-/Urlaubserfahrung meines Lebens hatte ich 200km von meinem Wohnort entfernt im Kloster Maria Laach. Nach einer Woche Klosterleben fühlte ich mich wie neu geboren, was mein weiteres Reiseverhalten nachhaltig prägte. Auch in diesem Sommer werde ich wieder eine Woche im Kloster verbringen und mich sicher bestens erholen.
Guten Morgen!
Herzlichen Dank für das Wort “Reiseunwilligkeit”!
DAS ist genau das, was mich gerade umtreibt.
Freundlichen Grüße!
Inge
Ich habe mal einen Satz auf einem Reisebus gelesen, der es ziemlich gut erfaßt…. “Der Reisende entdeckt, der Tourist findet vor” In der heutigen Zeit mit dem Smartphone ist es nur noch ein Vorfinden und damit Konsum.
Ich habe es an manchen Orten beobachtet wie sich das alles entwickelt hat. Es geht nur noch ums Geld und um den Konsum. Man kann sich dem kaum noch entziehen. Reisen macht nur Sinn wenn man entdeckt und sich an den Kleinigkeiten, die einem begegnen, freuen und sie auch wertschätzen kann…
Gefühlt macht für die Touri-Industrie einen Reise keinen Sinn, wenn am Ende des Tages nicht alles grölt und besoffen ist
Hallo, alle reden über die Umweltbelastungen beim Reisen und Konsum. Ich bin der Meinung, wir werden zu 100 % für dumm verkauft.
Ein Gesetz wüde sehr viel zum Positiven führen, Produkte müssen 15 Jahre halten und reparaturfreundlich sein.
Grüssle Jens
Interessantes Thema, das mich zum Denken anregt. Was mir allerdings durch den Kopf geht, ohne es wirklich klar in Worte fassen zu können: Reisen – zumindest in seiner Form als Lustgewinns – ist vermutlich immer und unvermeidlich auch Konsum, selbst dann, wenn man den Konsum ausdrücklich ablehnt. Aber ist das wirklich tragisch? Goethe Reise nach Italien zu lesen oder einen Arabischkurs zu belegen ist ja letztlich auch eine Form des Konsum. Und war das früher wirklich so sehr anders? Wallfahrten gab es schon bei den alten Ägyptern und man darf sich etwas zugespitzt schon fragen, ob es wirklich einen derart grossen Unterschied macht, ob man seine Endorphine durch Beten oder durch viele Likes auf Instagram ausschüttet.
Interessant finde ich daran übrigens auch die Denkfiguren, die in ähnlicher Form immer wieder auftauchen. Mich erinnert das Ganze an das Altruismus-Dilemma, wonach auch dieser egoistisch sei, weil ja Helfen ein positives Lustgefühl vermittele; oder an das Problem, dass wir – frei nach Camus – zum Entscheiden verdammt seien, weil schliesslich auch das Nichtentscheiden eine Form des Entscheidens sei. Das ist sicherlich alles wahr und logisch, aber vielleicht bis zu einem gewissen Grad doch auch einfach eine Tautologie?
Ich muss mir das alles noch einmal genauer überlegen und vielleicht gibt es dann irgendwann einen ganzen Artikel als Antwort. Vielen Dank für den Denkanstoss.. :)
Ich bin schon sehr gespannt, Oli! Und möchte dir die Bücher, die ich am Ende des Beitrags aufliste, zur Lektüre empfehlen. Es macht auf jeden Fall Spaß, das Reisen mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Die zentrale Frage ist doch in erster Linie – warum machen wir (oder auf jeden Fall „sich viele von“ ) uns diese Gedanken – diese Gedanken, die zu diesem Artikel führen, diese Gedanken, die uns darüber nachdenken, die uns Rechtfertigungen dafür suchen lassen – warum wir letztendlich so handeln wie wir es tun ( oder eben nicht tun) . Warum empfinden wir es als notwendig, Reisen oder auch Nicht-Reisen rechtfertigen zu müssen ? In meinen Augen geht es nämlich vielfach gar nicht mehr darum, was ICH SELBST dabei empfinde, (hier auf das Reisen bezogen) auf dem Eiffelturm, vor dem Tower oder der Grossen Mauser zu stehen, ob ich das überhaupt möchte, sprich ob es mir persönlich „etwas gibt“- sondern viel mehr um die Frage – was denken die mich Umgebenden, wenn sie hören, ob ich irgendwo war. Ich gebe zu – Ausgangspunkt war auch bei mir die Suche nach Meinungen „zum Nicht-Reisen“ oder besser – ist Reisen nur dann ein solches, wenn es gewissen Kriterien erfüllt? Ist Reisen nur dann, wenn es „weit weg, hoch genug, ausreichend abenteuerlich“ ist ? Lebe ich nur dann, wenn ich in gewisser Zeit bestimmte Punkte aufweisen kann oder darf es auch einfach nur erfüllend sein, mit dem MTB die Ostseeküste entlang zu fahren oder auch schlicht und ergreifend der Meinung zu sein, dass ich mich z.B. zuhause wohl fühle ? Somit ja – jeder muss das finden, was ihn glücklich macht – ABER: dafür müssen wir uns auch vom Gedanken lösen, bestimmten Erwartungen entsprechen zu müssen. Wir müssten wieder mehr „für uns selbst“ und nicht „für die anderen“ leben. Nicht nur beim (Nicht-)Reisen.
Lieber Mike,
das ist ein echt guter Gedanke! Klar, Reisen ist natürlich immer auch ein Mittel, sich sozial abzugrenzen. Weltreisende finden sich besser als normale Touristen, Individualreisende blicken auf Pauschalreisende herab, und alle lachen die langweiligen Balkonien-Urlauber aus. Nicht erst Instagram hat uns so kaputtgemacht, dass wir ein Selfie zur Bestätigung brauchen, irgendwo gewesen zu sein. Das begann schon im 19. Jahrhundert mit dem Boom der Ansichtskarte. Aber die sozialen Medien treiben diesen Statusgewinn durch coole Reisen natürlich auf ihre hässliche Spitze. Ich hab noch einen Lesetipp für dich, der mir den Mallorca-Urlaub ziemlich verdorben hat: “Die Welt im Selfie” von Marco d’Eramo. Das bringt dich sicher noch ein Stück weiter in deiner Suche!
Viele Grüße
Jenny
wer noch was tiefer graben möchte, empfehle ich enzensberger, sein essay von 1958 hat eigentlich alles vorweggenommen, und aktuell valentin groebner mit dem buch ferienmüde, gibt auch interessante einblick.
persönlich sind mir die frühe reisen anfang der 80er, vw quer durch die türkey, irak syrien oder lämge reisen durch afrika mehr wert als der heutige trip nach asien, dort ist man egal wie man es angeht tourist, man konsumiert als toirist.
buckelwale habe ich vor st. marie, einer kleinen insel im osten von madagaskar gesehen. völlig überraschend, schwamm und sprangen sie direkt an der küste herum, unvergesslich.
Worum gehts beim Reisen? Man kann den eigenen Horizont erweitern, Menschen aus anderen Kulturen kennenlernen, Sprachkenntnisse auffrischen oder erwerben. Das wären mal ein paar Motive, die beim heutigen Pauschaltourismus, wenn nicht längst verlorengegangen, so doch stark ins Abseits geraten sind.
Heute sehen wir reichen Westeuropäer es als normal an, zwei bis drei Mal irgendwo hinzureisen und die Umwelt zu belasten.
Viele machen sich nicht die geringsten Gedanken über die Auswirkungen ihrer Anspruchshaltung. Nun, von mir aus soll das jeder halten, wie es ihm sein Gewissen erlaubt. Es geschieht halt so lange, bis irgendwann der Hammer fällt und die Klimaveränderungen so schlimm geworden sind, dass nichts mehr geht.
Corona könnte ein Zeichen sein. Ein Zeichen dafür, dass wir uns – jetzt gezwungener Weise, dann der allgemeinen Einsicht folgend – etwas am Riemen reißen und endlich mehr auf das achten, was vielleicht sonst unwiederbringlich verlorengehen könnte.
Klingt schon düster, meine Sichtweise. Ich sage das vor allem denen, die aufgrund der Strapazen für Reisewillige in Corona-Zeiten, mit den staatlichen Auflagen so schreckliche Probleme haben.
Hallo Ina, mir ist da noch etwas aufgefallen, was meinen deutlichen Widerspruch erregt. Du schreibst bzw. zitierst “Reisen ist eine Mode unseres Zeitalters”. Das stimmt nicht! Das Reisen ist ein elementares Grundbedürfnis des Menschen. Wir würden gar nicht existieren, wenn unsere frühen Vorfahren nicht den Drang verspürt hätten zu schauen, was hinter der nächsten Ecke oder dem nächsten Bergrücken liegt. Die Menschen waren immer schon in Bewegung. Ja, sogar Reisen zur Entspannung kannten die frühen Völker. Nicht jeder konnte es sich leisten. Und das ist heute der Unterschied! Immer mehr Menschen haben die Zeit, die Gelegenheit und das Geld, um reisen zu können. Das tun sie. Das ist völlig normal. Schau doch mal, wie es war, als die DDR-Grenzen geöffnet wurden: Das erste, was die Menschen machten, war reisen! Nein, das Reisen macht niemanden zu einem “besseren” Menschen (was auch immer du darunter verstehen magst), aber das Reisen ist ein Grundbedürfnis. Sicherlich nicht für alle, aber für die meisten. Jeder tut es so, wie er kann, wie er möchte. Und ganz bestimmt ist Konsumzwang meistens nicht der Hauptantrieb.
Ich wehre mich gegen Dein “Wir” und Deine Pauschalisierungen.
Hallo Ulrike,
ich nehme an, mit Ina meinst du mich? Ich heiße Jenny :-)
Ich stehe nach wie vor zu meiner These, die ja auch gar nicht von mir stammt, sondern von einem renommierten Historiker. Das, was wir seit den 1960er-Jahren als Reisen bezeichnen, ist in nichts vergleichbar mit den Bildungsreisen Goethes, den Entdeckungs- und Handlungsreisen von Marco Polo oder der Alpenüberquerung von Ötzi. Kein Mensch reiste im Mittelalter zum Vergnügen ans Meer, um sich zu erholen oder die Fischbrötchen zu genießen. (Beweis: Die ersten Badeorte an der Ostsee entstanden erst im 19. Jahrhundert.) Reisen hatte einen Zweck; ob Handel, Forschung, Pilgern oder Lehrmeister besuchen, aber einfach so durch die Gegend gegondelt ist damals niemand. Warum auch? Es macht ökonomisch keinen Sinn – solange niemand davon profitiert, dass Leute herumreisen. All-inclusive-Hotels, Airlines, Reisebüros, Fremdenführer. Alles Dinge, die es noch nicht allzu lange gibt – warum nur?
Der Punkt ist doch: Wir wären heute nicht so getrieben von der Sehnsucht nach fernen Orten, wenn uns nicht ständig medial gezeigt würde, wie toll es dort ist. Und wenn es nicht so verlockend einfach und günstig wäre, dort hinzukommen. Und das ist Konsum, nicht mehr und nicht weniger.
Du kannst natürlich sagen, dass du selbst aus ganz anderen Motiven reist, dass deine Reisen kein Geld kosten und du auch dann regelmäßig nach China reisen würdest, wenn du das auf dem Landweg zu Fuß machen müsstest. Einfach, weil du innerlich, aus genetischer Prädisposition, dafür brennst. Dann ziehe ich meinen Hut vor dir und nehme dich aus meinem pauschalisierenden “Wir” offiziell raus, einverstanden?
Viele Grüße
Jenny
Ich sehe das nicht so. Reisen habe ich bei mir noch nie als Grundbedürfnis wahrgenommen. Ich habe dieses Bedürfnis einfach nicht. Und wenn man etwas globaler denkt, und sich nicht nur die vermögenden ansieht, die sich eine Reise leisten können, sondern auch die viele (wenn nicht sogar die meisten) Menschen auf der Erde anschaut, die von der Hand in den Mund leben und hoffen, dass es noch ein Morgen für sie gibt, dann scheint es sehr gewagt von dem Reisen als Grundbedürfnis zu sprechen. Reisen ist Luxus.
Ach Jenny, so ein toller Artikel!
Ich brauchte immerhin kein Corona, um das tatsächlich genauso zu sehen. Schon seit meiner längeren Reise 2012 bin ich der Meinung, dass Menschen durch das Reisen nun wirklich weder besser noch schlauer werden. Die weisesten Menschen haben 70 Jahre lang ihren kleinen Fischerort in Portugal nicht verlassen, und die intolerantesten sind schon um die ganze Welt gereist. Wer sehen will, sieht, wer denken kann, denkt, dazu braucht es keine weite Reise.
Und wie oft hatte ich überlegt, darüber zu schreiben, habe es aber nicht getan, weil: Ich hätte das eben nie so gut hinbekommen. Ich hatte Vorbehalte, einen total negativen Artikel zu schreiben, einen, bei dem mir wieder vorgeworfen wird, ich sei nur neidisch, dass ich nicht so viel reise wie andere, oder dass ich mal wieder alles zu verbissen sehe, sowas.
Du hast das sehr gut auf den Punkt gebracht: ja, Reisen als Konsum – genau das ist es häufig, viel zu häufig! Wann aus Walen Whalewatching geworden ist – irre gut auf den Punkt. Und natürlich nehme auch ich mich selbst da nicht aus, Konsumgeilheit ist so ansteckend. Ich versuche das, stetig zu überprüfen. Tatsächlich war bei mir allerdings die Reisegeilheit nie unglaublich ausgeprägt. Es gibt eben nur bestimmte Dinge, die ich unbedingt erleben möchte und die ich mich – damals gottseidank noch ohne Social Media – verliebt habe, ins Eis zum Beispiel. Aber die Bloggerei und Social Media, das tut dem ganzen eigenen Verhalten wirklich nicht gut, auch wenn ich mich natürlich schon seit langem sehr auf Brandenburg spezialisiert habe.
Ich werde den Artikel verwahren und bei jeder sich bietenden Gelegenheit anbringen und mir immer wieder mal selbst zu Gemüte führe. Ganz ganz vielen Dank dafür!
Mensch Inka,
da werde ich ja schon beim Lesen rot… Und muss nochmal darauf hinweisen, dass dieser exzellente Gedanke nicht mir, sondern Yuval Hariri zuzuschreiben ist. Ich hab ihn nur weitergesponnen. Und bin gespannt, wann diese (doch sehr ernüchternde) Erkenntnis im Mainstream ankommen wird – vielleicht werden wir in ein paar Jahren/Jahrzehnten auf die verrückten Zweitausender zurückblicken und die Köpfe schütteln, dass wir wie Getriebene um die Welt gehetzt sind, um dort Schnappschüsse zu machen…
Viele liebe Grüße nach Brandenburg!
Jenny
Hallo Jenny,
bin gerade zufällig auf deinen wirklich lesenswerten Beitrag gestoßen (habe ehrlich gestanden etwas anderes gesucht), der mich wirklich zum Nachdenken angeregt hat.
Die These, dass die eigene Welt durch kulturelle Prägung geformt wird, ist sicherlich nicht neu und gab es schon vor vielen tausend Jahren. In Bezug auf die heutige Welt und das Reisen gilt dies sicher noch, wird aber durch die Globalisierung sehr stark verändert. Konsumiert haben die Menschen schon immer und überall, was ja auch das Überleben sicherte. Vor Hunderten von Jahren war der Konsum lediglich zum Überleben gedacht, nicht um Güter anzuhäufen, und das hat sich eben mit den Jahrhunderten geändert, und das in nahezu jeder Kultur. Dieses Rad lässt sich leider nicht zurückdrehen.
In Bezug auf das Reisen gilt das selbstverständlich auch. Wir können nicht einfach sagen: Ok, jetzt reisen wir einfach nicht mehr! Selbst das macht uns nicht zu besseren Menschen. Denn wer zu Hause sitzt, wird sich in seiner freien Zeit irgendwie beschäftigen wollen. Ist es umweltbewusster, in den Ferien zu Hause zu sitzen und eine Netflix-Serie nach der anderen zu streamen??
Sich ein Hobby suchen?? Jedes Hobby bedeutet automatisch Konsum, selbst wenn man sich nur an den nächsten See zum Angeln setzt (die Ausrüstung dafür fällt ja nicht vom Himmel). Was ist oder macht dich zu einem besseren Menschen?? Grundsätzlich finde ich den Begriff “besserer Mensch” genauso dämlich wie “Gutmensch”, weil man sich damit moralisch über andere erhebt. Bewusster Mensch, finde ich, trifft besser auf Menschen zu, die nicht gedankenlos konsumieren.
Du hast völlig Recht mit der Aussage, dass Reisende und vor allem Blogger und Influencer eine heile Welt konsumieren, dokumentieren und präsentieren. Das schadet der Umwelt und den armen Menschen in den Reiseländern. So etwas macht mich persönlich irre wütend, aber weder ich noch du können und werden daran etwas ändern. Viel wichtiger als die Erkenntnis, dass Reisen nichts anderes als eine andere Art des Konsums darstellt (die ich zugegebenermaßen durch das Reisen selbst gewonnen habe), ist das “Wie kann ich nachhaltiger reisen?”
Was können wir alle tun, damit das Reisen wieder umweltfreundlicher wird?? Gerade wir als Reiseblogger sind gefragt, einer großen Anzahl von Menschen nicht nur eine Traumwelt zu präsentieren, sondern auch auf Missstände hinzuweisen und zu einer umweltfreundlicheren Reiseform aufzurufen. Wir werden natürlich keinen Mallorca-Pauschaltouristen davon überzeugen können, dass eine Wanderung im Bayerischen Wald doch so schön ist, aber wir können weniger umweltbelastende Alternativen aufzeigen (Urlaub an der Nord- oder Ostsee).
Ich glaube, wir Blogger sollten das Reisen nicht grundsätzlich in Frage stellen, sondern daran arbeiten, Menschen von nachhaltigem Reisen zu überzeugen. Das wird unsere Welt zwar nicht retten oder besser machen, aber vielleicht viele Menschen bewusster. Wir müssen weg vom ultimativen K(l)ick für das Instagramprofil, weg von irrealen Reiseträumen, die es überhaupt nicht gibt. Und dafür brauchen wir keine “besseren” Menschen zu sein, sondern einfach nur Menschen, die auf Reisen sehen, zuhören, verstehen, daraus lernen und diese Erkenntnis an andere weitergeben.
Ich finde, du gehst absolut einen richtigen Weg, und ich folge dir – als bewusster Reisender – sehr gerne.
“Aber die Mehrheit der heutigen Reisenden sind doch eher die „Traveller“, die vor allem gute Insta-Fotos schießen wollen, die stolz sind auf 100 Länderstempel in ihrem Reisepass – und vor allem: verächtlich auf die „Normalos“ im Hamsterrad herabblicken.”
Tatsächlich muss ich sagen: Die meisten Leute, die ich in meinem Umfeld habe, die gerne reisen, reisen v.a. in Deutschland und Europa. Ich glaube, mit meinen sechs Stempeln im Pass bin ich die, mit den meisten. Und die taugen wahrlich nicht zum Angeben.
Ich sehe – wie ich sagen muss – diese Attitüde gerade vor allem unter Reisebloggern, denen ich folge. Plötzlich ist es der heiße Scheiß, in Deutschland Urlaub zu machen. Und dann kann man nicht einfach sagen: Dieses Jahr bin ich in Wanne-Eickel oder Bottrop, sondern dann übt man Verzicht und rettet die Welt, weil man ja dieses Jahr mal nicht in die USA, nach SOA oder Australien fliegt. Und dann gerne mit dem missionarischen Ton, dass es “daheim doch auch schön ist und so viel zu sehen gibt” Tatsächlich war ich so naiv und hielt das immer für völlig normal, auch in Deutschland Urlaub zu machen. Für die meisten Leute, die ich kenne, war das seit Jahren gänzlich bekannt, dass es auch in D schön ist und dass es auch da was zu sehen gibt.
Also kurz: Ich kann aus meinem Umfeld echt nicht bestätigen, dass es “die Mehrheit der heutigen Reisenden” ist, die so reisen. Denen ist auch völlig bewusst, dass Reisen auch ein Konsum ist. Halt ein anderer. Das Gequatsche mit “aus dem Hamsterrad raus und sich selbst entdecken” käme denen auch nie über die Lippen. Auch das kenn ich nur aus dem Internet von diversen Bloggern und Influencern. Den anderen ist klar, dass sie einfach zwei Wochen Urlaub machen und mal was Neues sehen wollen.
Und dafür muss man übrigens nicht den Urlaub möglichst unbequem gestalten. Man kann auch ehrlich an einem Land interessiert sein, ohne es so low-budget wie möglich zu machen
Seien wir ehrlich: Auch die Blogger/Influencer-Industrie ist eine Industrie. Gerade die Großen nutzen ähnliche Mechanismen wie bei jeder anderen Form des Marketings. Aus dem Geschreibsel dieser Minderheit auf “die meisten Leute” zu schließen wäre, als wolle man behaupten, für die meisten Menschen beginne das “Weekendfeeling” mit einem Zott Sahnejoghurt.
Aber ich habe auch einmal festgestellt, dass ich von meiner eigenen Bucketlist übertölpelt wurde. Ich überschrieb das damals mit “Mein Haus, mein Boot, meine Fernreise”. Damals hab ich beschlossen: Die Mühe, nach Kuba zu kommen, wars irgendwie nicht wert, so interessant die Reise auch war. Seither hab ich eigentlich auch keinen Bock mehr, über den Atlantik oder ähnlich weit zu fliegen.
Und: In Jeans wandern gehen ist echt ne doofe Idee ;) Ebenso das Wandern in gewöhnlichen Turnschuhen… v.a. wenn es auf den Berg geht und wir von etwas anderem als einem längeren Spaziergang sprechen. ;)
Ach ja….
“Die Pharaos im Alten Ägypten gaben Vermögen für den Bau von repräsentablen Grabmälern aus und quälten dafür tausende Sklaven zu Tode.”
Dass die Pyramiden von Sklaven gebaut wurden, ist historisch schon laaaaange überholt.
Die Pharaonen blieben übrigens auch nicht daheim. Die waren durchaus unterwegs: halt in kriegerischer Absicht.
Es ist halt schade, wenn man denk Reisen bildet und dann werden ungeprüfte Glaubenssätze propagiert: die Pyramiden wurden weitestgehend nicht von Sklaven erbaut und es wird wohl evolutionäre Gründe geben, warum Europäer eine so hohe Kuhmilchtoleranz entwickelt haben in so kurzer Zeit – Einkochen, Gefriertruhen, Schutzgasatmosphäre, Gewächshaus, Welthandel und Co sind alles recht junge Erfindungen und in Europa gibt’s halt natürlichweise gar nicht so viel zu Essen im Winter – und dafür müsste man jetzt gar nicht so weit reisen um das zu erleben
Super Artikel, nach dessen Lektüre ich mir reichlich Gedanken gemacht habe. Da müssten wir eigentlich mal bei einer Flasche Wein drüber philosophieren. Gerne mehr von solchen Beiträgen.
Liebe Grüße
Steffi
Sehr gern, wobei ich nach einer Flasche Wein wohl nicht mehr in der Lage zum Philosophieren bin ;-)
Ein unglaublich toller Artikel! Viele meiner Gedanken konntest du in Worte fassen und selbstverständlich werde ich nun “Eine kurze Geschichte der Menschheit” lesen. Ich liebe kritische Texte und tatsächlich sind wir gerade als Familie auf Langzeitreise. Dennoch – oder gerade deswegen- stimme ich dir in vielen Punkten zu. Wir sind genauso Konsumenten. Und in keinster Weise ist dieser “Lebensstil” besser zu bewerten, als der “normale” Familienalltag. Individual – Reisen und Vanlife sind heute ist ein Massenprodukt. Wir sind Touristen, auch wenn wir gerne so tun, als wären das nur die anderen. Liebe Grüße Jenni
Interessanter Artikel, der ich nachdenklich gestimmt hat. Ich bin gleich am Anfang darüber gestolpert, dass Du von der “Begeisterung über das Reisen” schreibst. Vielleicht ist das der Knackepunkt. Aller stürzen sich mit Begeisterung ins Reisen. Da ist es fast schon egal, wohin man reist. Hauptsache, man reist! Warum steht da nicht die Begeisterung für ein Land, ein Ort, für die Menschen im Vordergrund und Mittelpunkt? Vielleicht ist das mit ein Grund, warum ich das Reisen jetzt nicht vermisse. Ich begeistere mich für fast alles, was ich sehen und kennen lernen kann. Das kann ich genauso direkt vor der Haustür wie irgendwo in der Ferne. Ich reise, um mir bestimmte Dinge anzusehen, um etwas über ein Land und seine Kultur zu lernen, nicht um mit instagramablen Fotos zu punkten. Auch wenn ich Jahrzehnte im Reisebüro gearbeitet habe, so habe ich mir meine Reiseziele eher danach ausgesucht, ob sie gerade im Trend waren oder nicht. Dann habe ich immer das Ziel gewählt, was nicht im Trend war, sofern es Sehenswürdigkeiten bot, die meinen Interessen entsprachen. Aber vielleicht ist das auch ein Generationending. Denn ich gehöre der Generation Deiner Eltern an.
LG
Ulrike
Hallo Ulrike,
danke für deine Gedanken! Ich finde allerdings nicht, dass die Generation meiner Eltern wegen ihres Alters vor der Romantisierung und dem Konsumzwang gefeit wäre. Im Gegenteil – Senioren sind doch diejenigen, die am meisten herumreisen und das meiste Geld dafür ausgeben (können). Meine Eltern sind jedenfalls seit ihrer Rente gefühlt ständig unterwegs, und die waren vorher auch nicht eben reisefaul.
Viele Grüße
Jenny
Wirklich interessanter Beitrag! Und nein der Gedanke ist mir weder fremd noch neu und zeigt sich wohl gerade in diesen Krisenzeiten besonders,wie die Reiseindustrie eben eine Industrie ist!
Wir mit unserer Reiseart, die hauptsächlich öffentliche Verkehrsmittel ausmacht, eben Tagelang im Zug zusammen mit Einheimischen, ja wir teilten uns in der Transsib Abteile mit anderen einheimischen Reisenden, machen es eben ein bisschen anders wie der “normale” Tourist und trotzdem sind und bleiben wir Touristen und damit Konsumenten, dessen sind wir uns bewusst.
Wir wandern dann eher gerne mal aus, ob Grönland, dort hat mein Mann übrigens eine Wal ganz ohne Watching Tour gesehen, oder Norwegen, wer weiss in welches Land es uns als nächstes zieht.
Liebe Grüsse von den östlichen Nachbarn
Ina