! Aktualisiert am 10. November 2016
Eine Japan-Reise mit Kindern läuft nicht in jeder Beziehung so, wie man es als Erwachsener gern hätte. Die vom Reiseführer empfohlenen “Must sees” für den Normaltouristen mussten wir großteils links liegen lassen. Und trotzdem haben wir Japans Kultur kennengelernt – unserer Meinung nach sogar besser und näher als die Reisegruppen mit Tempel-Guide.
Geht man nach den Listen mit den Top 100 Sehenswürdigkeiten Japans, wie sie so zahlreich im Internet kursieren, dann war unsere Japan-Reise ein Reinfall. Von den mindestens 50 als absolut nicht verpassenswert angepriesenen Tempeln, Schreinen, Schlössern und japanischen Gärten haben wir vielleicht … zwei gesehen. Plus immerhin einen der drei offiziell schönsten Orte in Japan: Amanohashidate. Was aber nur daran lag, dass es dort einen Strand gibt ;-)
Ganz klar: Stille Zen-Kontemplation, Bewunderung architektonischer Feinheiten, stundenlanges Anstehen vor Sehenswürdigkeiten oder auch die beliebte Teilnahme an einer Teezeremonie oder ein schickes japanisches Kaizeki-Dinner sind mit drei kleinen Kindern im Gepäck komplett indiskutabel. (Und um unseren Kindern nicht alle Schuld in die Schuhe zu schieben: Bei 35° C hatten auch wir keine große Lust auf Sightseeing.)
Was also tun, wenn man als kulturell interessierter Erwachsener trotz Hitze und Nachwuchs ein wenig japanische Kultur mitbekommen will? Drei Strategien bieten sich hier an – die ihr natürlich auch in anderen Ländern anwenden könnt.
a) Öde Kultur kindgerecht schmackhaft machen
Man muss nicht nach Disneyland oder nach Odaiba fahren, um den Kindern in Tokio “etwas zu bieten”. Einen ordentlichen Happen Kultur servierten wir ihnen im “Drum Museum” im Stadtteil Asakusa – nur wenige Meter entfernt vom regelrecht vollgestopften Sensoji-Schrein, klimatisiert und komplett leer. Unter mildem Lächeln des einzigen Angestellten probierten unsere Kinder (und wir) nahezu jedes Schlaginstrument in dem großen Raum aus – und dann nochmal, und nochmal…
Nicht nur in Neuseeland sind viele Museen ausgesprochen kindgerecht. Auch in Japan bemüht man sich immer um “education” und darum, dieselbe mit “fun” zu verbinden. Ein geradezu ikonisches Erlebnis war in dieser Beziehung das “Cup Noodles Museum” in Yokohama. Ich sage nur: Wow!
Tempel kann man auch mit Kindern anschauen, wenn sie so schön und verwunschen sind wie der Fuchs-Tempel Fushimi Inari am Stadtrand von Kyoto. Hier heißt es nicht nur, die tausenden roten Torii zu zählen, man kann auch immer mal vom Weg abgehen und durch geheimnisvolle Winkel streifen, riesige Käfer und Spinnen entdecken, einen buddhistischen Gong schlagen…
Ein weiteres “Must see”, das wir unseren Kindern ohne Weiteres schmackhaft machen konnten, war der Große Buddha im Nara Park. Hier streifen nämlich hunderte handzahme Hirsche mit ihren Familien herum, stupsen die Besucher sanft um Futter an und lassen sich streicheln – süüüüß!
Während die Kinder also Rotwild jagen, können wir Eltern das größte Holzgebäude der Welt bewundern, in dem der 15 Meter hohe bronzene Daibutsu sitzt. (Nicht ganz so beeindruckend wie die riesigen goldenen Buddha-Statuen in Thailand, aber durchaus imposant.)
Wer durch das Nasenloch des Daibutsu passt, dem winkt angeblich immerwährendes Glück. Die findigen Japaner haben rechts neben der Buddha-Statue ein exakt genauso großes Loch in den Fuß einer Säule gebohrt, wo man ausprobieren kann, ob man passt. Klar, dass wir das gleich mehrmals probieren mussten – die Weltwundertochter blieb stecken und beobachtete dann staunend einen japanischen Opa, der sich wie eine Schlange hindurchwand. Tägliches Tai-Chi scheint sich auszuzahlen!
Sogar auf dem Oku-no-in, dem mystisch-verwunschenen, wunderschönen (und tagsüber leider proppevollen) Friedhof von Koya-San fanden wir für unsere Kinder spannende Dinge zu tun: Hier gibt es zum Beispiel eine hölzerne Box, in der ein glatter Stein liegt. Angeblich entspricht sein Gewicht genau dem der eigenen Sünden – und wer ihn nicht mit einer Hand hochheben kann, der hat offenbar ein Problem. (Sollen wir verraten, ob wir unseren Stein heben konnten?)
2) Kultur ganz nebenbei “mitnehmen”
Besser, als sich von Touristenmassen zu den “Big Sights” schieben zu lassen, sind sowieso die kleinen Entdeckungen am Wegrand. In Japan findet sich immer irgendwo ein Shinto-Schrein, wo ihr die Mönche bei ihrem Tagwerk beobachten könnt, einen Gong läuten oder Räucherstäbchen anzünden könnt. Sehr angenehm im Sommer ist das rituelle Händewaschen vor dem Betreten des Tempelgeländes.
Fortgeschrittene oder Mutige versuchen sich an komplizierteren Bräuchen wie Stäbchen aus Schublade ziehen – in Holzbox tun und schütteln – passenden Zettel aus Schublade ziehen – Zettel falten und an Gitter knoten. Was das bringen soll? Hoffentlich Glück!
Wo man diese Rituale ausprobiert, ist egal – sie werden in jedem Tempel auf die gleiche Art praktiziert. Und wenn man dabei seine Ruhe hat, macht es viel mehr Eindruck und Spaß.
Es gibt natürlich auch größere Events, die man “am Wegrand” mitnehmen kann. Wir hatten im August die Qual der Wahl, denn er ist nicht nur die Zeit der riesigen Feuerwerke, sondern es ist auch Obon, die höchste buddhistische Festwoche. Dass wir unseren Zwischenstopp in Tokushima auf Shikoku Island mit einer Stippvisite beim Awa Odori ergänzen konnten, begeistert uns heute noch – was für ein Wahnsinnserlebnis dieses größte Straßen-Tanzfestival Japans war!
3) Alltagskultur erleben
Kultur, das heißt ja nicht nur Tempel, Schlösser und Museen. Gerade in einem so traditionell geprägten Land wie Japan finden sich überall im Alltag faszinierend fremde Bräuche und Gepflogenheiten, die man entdecken kann. Je näher man dran ist, desto einfacher geht es.
Tipps für Kultur im Alltag, die man auch mit Kindern probieren kann:
- in einem ganz normalen japanischen Restaurant essen (ohne englische Speisekarte!): einfach irgendwo reingehen und warten, ob/bis man platziert wird. In dem Separee mit bequemen Sitzkissen hat man relative Ruhe und die Kinder genießen Bewegungsfreiheit, da es keine Stühle gibt. An Benimmregeln ist nur eine angemessene Lautstärke gefordert, sehen kann euch beim Essen keiner ;-)
- in einem Einkaufszentrum (“Depachika“) oder großen Supermarkt essen: Vor dem Kassenbereich, dort, wo hierzulande der Bäcker und der Blumenladen sind, findet ihr immer eine Sushi-Bar mit Plastik-Menü zum Aussuchen und Draufzeigen, wo es günstig ist, niemand auf Benimm achtet, ihr den Köchen beim Zubereiten zuschauen könnt und das Ergebnis garantiert hervorragend schmeckt.
- ein Onsen besuchen: und zwar nicht nur einmal als Highlight, sondern wie die Japaner ganz normal als Reinigungs-Routine. Es gibt supergünstige am Stadtrand oder auf dem Land mit nur einem Becken, aber auch schicke, teure Spas mit bis zu zehn verschieden temperierten Becken, Whirlpool etc. Nach dem Waschen und Baden könnt ihr oft gleich vor Ort noch essen, oder ihr macht es zur Morgenroutine und brecht dann erfrischt und entspannt in den Tag auf.
- Kleinstädte wie Takayama in den Japanischen Alpen oder Fukura auf Awaji Island besuchen: Hier sieht Japan noch aus wie früher, die alten Leute schieben ihre Fahrräder durch die Gassen, Gläubige bestücken die Ahnengräber mit frischen Blumen und Kinder ziehen in kichernden Grüppchen herum… (jedenfalls in den Altstadtbezirken, die endlosen Industriegebiete am Stadtrand muss man einfach ausblenden)
- eine japanische Familie zu Hause besuchen – oder hilfsweise ein Apartment als Unterkunft buchen. Aber so ein richtig japanisches, mit Tatami-Matten und Futon-Betten. Wir haben uns auch ohne Stühle sehr wohl gefühlt!
- Wie die Japaner mit dem Zug fahren oder einen Campervan mieten; auf den “Michi no Eki” und Campingplätzen trefft ihr ganz normale Familien, die sich immer über nette Nachbarn freuen.
- Statt Sehenswürdigkeiten abzuklappern, lieber auf gut Glück durch Nebenstraßen bummeln, durch den Stadtpark streifen und auf den Spielplatz setzen.
Auch mit Kleinkindern im Schlepptau werdet ihr eine Vielfalt von kulturellen Eindrücken aus Japan mitbringen – versprochen!
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Wir waren mit Kleinkindern unterwegs und sind auf die Haseninsel gefahren (Rabbit Island) – das war toll, denn die Kleinen durften die Hasen füttern und die großen konnten die dunkle Vergangenheit der Insel erkunden (Ruinen einer ehemaligen Giftgasfabrik). Ansonsten war Nara mit den Rehen natürlich ein Highlight oder auch das Affenfüttern in Kyoto.
Das Nasenloch des Daibutsu ist übrigens leider seit Corona gesperrt :(
Ach wie cool, das kommt direkt auf meine Bucket List für die nächste Japanreise! Dass wegen Corona ein Nasenloch gesperrt wird, ist aber wirklich schon sehr witzig ;-)
Hallo!
Nach dem lesen von euren Reisetipps für eine Japan-Reise mit Kindern freue ich mich nun noch mehr auf unsere baldige 3-Wöchige Reise mit unseren 2 kleinen Töchtern. Vielen Dank für eure spannenden, informativen Berichte.
Wir waren vor 6 Jahren schonmal in Japan und haben uns regelrecht in dieses Land verliebt.
Bin gespannt wie es nun mit Kindern wird.
Ich hätte da noch eine Frage: Sind Spielplätze schwierig zu finden? Hat es viele davon?
Herzliche Grüsse, Lea
Hallo Lea, wie cool! Erzählt unbedingt mehr von euren Reiseplänen, wo wollt ihr denn hinfahren?
Spielplätze haben wir in Japan tatsächlich fast gar keine gesehen… Die scheinen eher an “sicheren” Orten wie drinnen oder auf dem Dach von Malls zu sein anstatt im Park. Ein sehr schöner Spielplatz mit großen Planschbecken war im Park in Tokio-Shinjuku, ganz in der Nähe der Rathaustürme – aber den Beitrag habt ihr ja bestimmt schon gelesen ;-)
LG, Jenny
Spielplätze sind tatsächlich sehr speziell in Japan. In manchen Gegenden gibt es weit und breit nichts für die Kinder. Wenn man einen Spielplatz findet dann ist es meist nur eine einzige Schaukel und vielleicht noch eine Rutsche.
In größeren Parks findet man hingegen auch manchmal wirklich tolle, groß angelegte Spielplätze mit Klettertürmen, vielen Rutschen und Spielgeräten für jede Altersklasse. Die lagen aber häufig am Stadtrand und wir mussten mit ÖPNV meist >30 Minuten lang anreisen.
Lach, von den “Top Ten”-, “Top 50”- oder “Top 100”-Listen habe ich noch nie etwas gehalten! Klar, ab und an will man UNBEDINGT genau diesen Spot sehen, aber in der Regel ist es doch viel schöner, wirklich auf Entdeckungsreise zu gehen. Museen & Co kann man wieder auf die Wunschliste setzen, wenn die Kinder gar nicht mehr mit Ma & Pa unterwegs sein wollen – das ist bei uns nämlich gerade der Fall : )
Ich bin ein überzeugter Fan der kleinen, “unbekannten” oder wenig beachteten Orte. Ich glaube, dass man abseits des Trubels auch viel empfänglicher für schöne oder interessante Details ist. Wenn ich lese, wie ihr gereist seid, was ihr euch angesehen und was ihr erlebt habt, scheint mir das genau die richtige Art des Reisen zu sein! Sonnige Grüße, Jutta
Und wie kommt man aus dem Nasenloch wieder raus, wenn man nicht unten durchpasst?! Auf dieses Foto bin ich schon seeehr gespannt! :-)
Davon gibt es nur ein verwackeltes Bild – ich musste so sehr lachen, und es war echt dunkel da drin… ;-)