! Aktualisiert am 1. Dezember 2023
Überall im Erzgebirge kann man Schaubergwerke und historische Bergbau-Anlagen besichtigen. Aber niemand fährt nach Dippoldiswalde – dabei ist das Städtchen im Süden von Dresden eine echte historische Sensation. Das coole MiBERZ-Museum in Dippoldiswalde hat uns echt überrascht!
So spurlos kann Geschichte verschwinden, und so überraschend taucht sie mitunter wieder auf. Das schmuck restaurierte Dippoldiswalde – von allen, die hier leben, einfach „Dipps“ genannt – ist Besuchern des Erzgebirges nicht unbekannt. Aber nur, weil man hier unweigerlich durchfährt auf dem Weg von Dresden ins Mittelgebirge. In meinen mehr als 40 Jahren bin ich noch kein einziges Mal in Dipps gewesen – bis jetzt!
Dass sich direkt unter ihren Füßen eine historische Sensation verbarg, ahnten die Einwohner von Dippoldiswalde nicht. Aber dann überflutete 2003 beim Jahrhunderthochwasser die Rote Weißeritz Straßen und Plätze des Ortes und ließ überraschend tiefe Gruben einbrechen: offenbar bisher unentdeckte mittelalterliche Bergwerksstollen, die schon vor langer Zeit wieder verlassen und zugeschüttet worden waren.
Die Bergsicherung rief bald die Archäologen herbei, als man historische Artefakte und Holzstücke entdeckte. Die Flut hatte in Dippoldiswalde ein 800 Jahre altes Erbe zutage gebracht, das komplett in Vergessenheit geraten war: die ältesten erhaltenen Silberminen im Erzgebirge. Eine echte Sensation!
Inhalt
UNESCO-Welterberegion Erzgebirge/Krušnohoří
Erstmal ein bisschen Vorgeschichte, damit ihr wisst, warum es sich unbedingt lohnt, das Erzgebirge in Sachsen zu besuchen.
Seit 2019 ist die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří UNESCO-Weltkulturerbe. An 17 Orten in Deutschland und fünf in Tschechien kann man historische Anlagen, Häuser und Naturdenkmäler besichtigen, die über den Silberbergbau miteinander verbunden sind. Der ließ im Erzgebirge (woher kommt wohl der Name?) eine ganz besondere Kulturlandschaft entstehen, die sich auf jeden erdenklichen Bereich des menschlichen Zusammenlebens und auch auf die Natur auswirkte.
Aus dem tiefen mittelalterlichen Urwald “Miriquidi” wuchsen zahllose Dörfer und Städte, sächsische Herrschaftsgeschlechter und das Bürgertum wurden reich und mächtig vom Silber, Kulturtechniken wie der Buchdruck oder die Mathematik (ja genau, Adam Ries arbeitete in der Minenverwaltung) entstanden.
Die alten Bergbau-Halden, Pingen (das sind großflächig eingestürzte Stollen), Teiche und Kanäle zur Be- und Entwässerung der Minen prägen bis heute die Landschaft des Erzgebirges, genau wie die großflächigen Abholzungen und gezielte Wiederaufforstungen – deren Schwachstellen sich heute der Borkenkäfer zunutze macht. Städte wie Annaberg-Buchholz sind als Bergbaustädte am Reißbrett entstanden, die Silbertaler aus Jáchymov gelten als Vorbild für den US-Dollar und die Technologien für den Abbau von Silbererzen, Zinn oder Uran dienten als Vorbilder für Bergwerke auf der ganzen Welt.
Das MiBERZ-Museum in Dippoldiswalde
Nachdem ab 2008 immer mehr Relikte in den verschütteten Stollen entdeckt wurden, rief man das internationale Projekt ArcheoMontan ins Leben, das sechs Jahre lang dokumentierte und aufarbeitete, was man fand: vor allem fantastisch gut erhaltene Leitern, Seilwinden und Werkzeuge aus Holz sowie Kleidungsstücke aus Leder, die erstmals einen Einblick in das Alltagsleben der Bergleute und ihrer Familien gaben – die wohnten nämlich meistens direkt neben dem Eingang zum Schacht, wo gleichzeitig das geförderte Silbererz weiterverarbeitet wurde.
Die Bergwerke von Dippoldiswalde sind die ältesten bisher gefundenen und gaben wertvolle neue Einsichten in Arbeitsabläufe und Technologien der damaligen Zeit. Ein echter Sensationsfund!
Seit 2018 wird die Vergangenheit der Stadt im passenden Ambiente der Gewölberäume im Schloss von Dippoldiswalde präsentiert – im kleinen, aber sehr modernen MiBERZ-Museum (=Museum für mittelalterlichen Bergbau im Erzgebirge). Mit Apps, die multimedial durch die Ausstellung führen und auf Wunsch in Filmen und 3D-Bildern weiterführende Informationen vermitteln, mit VR-Brillen und anderen technischen Spielereien wird die Geschichte des Silberbergbaus in Dippoldiswalde hier sehr anschaulich gezeigt.
Ein großes Problem hat das Museum auf diese Weise sehr clever gelöst: Von den historisch so bedeutenden Stollen ist “in echt” gar nichts mehr zu sehen. Anders als die vielen Schaubergwerke im Erzgebirge kann in Dippoldiswalde keine einzige Mine mehr betreten werden, das wäre viel zu gefährlich. Nicht einmal die Löcher der Stolleneingänge sind mehr zu sehen, fast alle wurden mit Beton verfüllt, damit die Häuser der Stadt weiterhin stabil stehen.
Eine große Ausgrabungsstätte über Tage, die am Obertorplatz lag, musste aus Kostengründen wieder zugeschüttet werden. Wo im 12. Jahrhundert die Bergleute und ihre Familien direkt neben den Grubenhäusern und den Förderanlagen lebten, parken heute Autos auf einem Schotterplatz neben einer Grillbude. Mööp.
Virtual Reality im Museum: äußerst cool!
Das macht aber gar nichts – solange man ein Smartphone dabeihat, und wer hat das heute nicht? Im Museum gibt es freies WLAN, über das ihr die App „Montanarchäologie in Dippoldiswalde“ im Google Play Store herunterladen könnt. Die bietet sogar einen eigenen Museumsguide für Kinder: Der kleine Frieder erklärt an mehreren gekennzeichneten Stationen den jungen Besuchern, was sie da sehen.
Tipp: eigene Kopfhörer mitbringen! Ein Tablet kann kostenfrei ausgeliehen werden.
Wenn gerade keine Corona-Einschränkungen herrschen, kann man an einer VR-Station mit Brille ganz echt in ein Bergwerk eintauchen und dort selbst Silber abbauen. Die Umgebung, die man dabei sieht, ist originalgetreu nach den Vermessungen der Archäologen nachgebildet.
Richtig cool fanden wir die Experimentierstationen im letzten Raum des Museums. Dort kann man den Wissenschaftlern über die Schulter schauen, die zum Beispiel die uralten Holzgegenstände aus den Stollen haltbar machen und deren Alter herausfinden. Ins Mikroskop schauen darf man auch in Corona-Zeiten!
Und wenn ihr so neugierig auf das MiBERZ-Museum seid, dass ihr nicht bis zu eurem Besuch warten könnt: Auf der Museums-Website könnt ihr eine virtuelle 360°-Tour durch die Ausstellung machen und euch schon mal umsehen. Außerdem gibt es verschiedene Ausmalbilder und Rätsel, die ihr zu Hause ausdrucken könnt.
Mit Augmented Reality durch Dipps
Noch mehr virtuelle Realität bietet der Bergbaulehrpfad, der in sechs Stationen durch Dippoldiswalde führt. Keine Angst, die Runde vom Busbahnhof bis zum Schloss ist so kurz, wie der Stadtkern klein ist – in maximal 15 Minuten habt ihr alle Infotafeln gefunden.
An den Stationen des Bergbaulehrpfades wird dann kurz mit dem Smartphone ein Symbol gescannt, und schon entfaltet sich eine zweite Realität: Am Busbahnhof schwebt zum Beispiel plötzlich eine virtuelle 3D-Karte der 55 Meter langen unterirdischen Stollengänge in der Luft, die dort 2011 entdeckt wurden. An der Station auf der Glashütter Straße läuft man direkt durch einen mit Holz ausgelegten Stollen, wo Bergleute im Schein von Kerzen nach Silber hämmern.
Das war echt cool!
Wenn ihr also bei eurem Besuch in Dippoldiswalde Menschen seht, die mit vorgehaltenem Smartphone seltsam fremdgesteuert und staunend durch die Gegend tapsen: Das sind Geschichtsfans. Und zu solchen werdet ihr bestimmt auch, wenn ihr das MiBERZ-Museum in Dippoldiswalde besucht. Selbst Teenies können hier nicht widerstehen, die Augmented Reality auf dem Handy ist einfach spitze.
Das MiBERZ-Museum in Dippoldiswalde besuchen
Dippoldiswalde liegt ca. 20 km südlich von Dresden, erreichbar in etwa 30 Minuten über die B6 oder mit dem Bus 360 ab Hauptbahnhof (der fährt alle 30 Minuten, eine Fahrt für Erwachsene kostet 6,50 Euro).
Adresse: MiBERZ-Museum, Kirchplatz 8 im Schloss
Öffnungszeiten: Di-So 10-17 Uhr
Tickets: 5 €/Erwachsene, 2,50 €/Kinder
Mediaguide: Tablets sind im Museum ausleihbar, App-Download (aktuell nur für Android) von „Montanarchäologie in Dippoldiswalde“ im Google Play Store oder über die Museums-Website, App „Medieval Mines“ für die AR-Stationen des Bergbau-Lehrpfads ebenfalls für AR-kompatible Android-Geräte im Play Store
-> Hier findet ihr mehr Infos zur Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.
-> Hier haben wir noch mehr spannende Ausflugsziele in Sachsen vorgestellt.
Interessiert ihr euch für die Geschichte von Sachsen? Dann ist ein Besuch in Dipps und überhaupt im Erzgebirge eine gute Idee!
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Wow, das liest sich ja mega spannend. Ich finde diese Mischung aus echten historischen Gebäuden und moderner Technik sehr interessant. Aktuell sind meine Mädels für so etwas zwar noch zu klein, aber ich denke, dass größere Kindern auf diese Weise direkt doppelt so viel Spaß beim Erkunden von Geschichte haben.
Im Erzgebirge war ich noch nicht und auch Sachsen insgesamt fehlt noch auf meiner Reise-Karte. Aber in nächster Zeit rückt auf unseren Reisen erst einmal Deutschland mehr in den Fokus. Wie ich unter anderem bei Artikeln wie diesem immer wieder feststelle gibt es viel zu viele spannende Regionen, die wir noch gar nicht erkundet haben.
Liebe Grüße, Reise-Mama Wibke
Liebe Wibke,
so hat die Corona-Krise am Ende doch etwas Gutes und sorgt für mehr Nachhaltigkeit beim Reisen – hoffentlich auch auf längere Sicht!
LG
Jenny