! Aktualisiert am 7. April 2023
Lange hat Neuseeland auf Touristen verzichtet. Jetzt geht es endlich wieder los: Ab Mai 2022 dürfen Touristen aus vielen Ländern wieder einreisen. Wird dann alles wie vorher? Hoffentlich nicht! Neuseeland-Reisen nach Corona muss dringend nachhaltig(er) werden.
Die Neuseeländer sind sehr gastfreundlich. Allerdings kamen in den Jahren vor der Corona-Pandemie so viele Besucher, dass es eng wurde – für Menschen und Umwelt. Was liegt also näher, als den tiefen Einschnitt durch Covid 19 für einen Neustart zu nutzen? Wie Neuseeland-Reisen nach Corona aussehen sollten, darüber wurde überraschend schnell nachgedacht.
Neuseelands Tourismusminister Stuart Nash wusste schon 2020 die Lösung: Backpacker hätten für den Tourismus in Neuseeland keinen Wert, es dürften nur noch “high-value visitors” angeworben werden. Da waren nicht nur wir Budget-Touristen brüskiert – auch Einheimische und Tourismusanbieter widersprachen scharf.
Was gibt es aber sonst für Ideen in Neuseeland – und ist es überhaupt möglich, einen “besseren” Tourismus nach Corona zu etablieren, wenn gleichzeitig eine Menge Unternehmen in der Tourismusbranche kurz vor der Pleite stehen oder schon verschwunden sind?
Wir haben uns in der Tourismus-Branche umgehört und unsere Freundin Alex um ihre Insider-Einschätzung gebeten. Sie lebt seit 2016 mit ihrem neuseeländischen Mann und bald zwei Kids in Christchurch und arbeitet als Journalistin für deutsche Medien wie Phoenix und Deutschlandfunk.
Inhalt
Neuseeland-Reisen nach Corona: Ist Massentourismus noch eine Option?
Neuseelands Grenzen sollen ab Mai 2022 endlich wieder für Touristen öffnen. Wie viele dann kommen werden, ist sehr unsicher – Australiens Vorbild zeigt, dass es zunächst eher wenige sein werden. Aber spätestens 2025 steigen die Zahlen wieder auf das alte Niveau, oder??
Genau das darf eigentlich nicht passieren, will Neuseeland in seiner unseligen Entwicklung der Naturzerstörung nicht einfach wieder von vorn anfangen. Nachhaltiger Tourismus ist gefragt, und das umso mehr, als Neuseeland als abgelegener Inselstaat ein großes Problem hat: Jeder Besucher startet hier schon mit einem riesigen CO2-Fußabdruck, denn man gelangt nun mal nur per Langstreckenflug hierher.
Der Aufstieg internationaler Billigreisen in den vergangenen 20 Jahren brachte enorme Zuwächse in den Besucherzahlen Neuseelands. 2019 kamen fast 4 Millionen internationale Touristen, die insgesamt 20,4 Prozent der neuseeländischen Exporteinnahmen ausmachten. Außerdem stellten sie, nicht zu vergessen, 14 Prozent der Arbeitskräfte Neuseelands.
Der Besucherboom brachte krasse Probleme mit sich, nicht zuletzt für die empfindliche Natur Neuseelands. Die Touristen, die wegen der wunderschönen Landschaften herkamen, trugen viel dazu bei, genau diese zu zerstören. Es kann nicht der Wunsch der Kiwis sein, sich diese Situation in einer Welt nach Corona ohne Veränderung zurückzuwünschen.
Wer sind die “high value visitors”?
Für Tourismus-Minister Stuart Nash sind die Zukunft von Neuseelands Tourismusindustrie weniger Touristen – aber dafür solche, die “Wert haben”. Diese wenigen, aber wertvollen Menschen gelte es, in Zukunft nach Neuseeland zu locken: Wert statt Volumen (“value over volume”) stand bereits 2019 in der Tourismusstrategie der Regierung.
Ist die chinesische Reisegruppe mehr wert, die viel Geld für ihren Besuch bezahlt, brav alle Attraktionen abklappert und Souvenirs kauft? Oder doch der wohlhabende Besucher, der im Privatjet kommt, tausende Dollars für einen Privatguide zum Fliegenfischen ausgibt und wegen der schönen Erinnerungen später in Neuseeland ein Landhaus kauft und in ein Business investiert?
Der reiche Tourist, der in einer Luxus-Lodge wohnt und dreimal täglich im Restaurant speist, gibt pro Tag deutlich mehr Geld aus als ein Backpacker, der von Nudelsnacks lebt. Der Luxus-Tourist bleibt aber im Durchschnitt viel kürzer in Neuseeland. Und schaut man sich genau an, wo die reichen Besucher ihr Geld in Neuseeland ausgeben, wird deutlich: Das Geld bleibt nur selten vor Ort. Viele Luxus-Lodges gehören nämlich ausländischen Firmen.
Währenddessen gehen Backpacker, die häufig langsam und durch dünn besiedelte Gegenden reisen, öfters in kleinen Läden einkaufen und strecken ihre Ausgaben nicht nur regional, sondern auch über einen längeren Zeitraum. Viele von ihnen leisten auch weitere Beiträge zur Wirtschaft, indem sie hier und da arbeiten.
Vor Corona besuchten 70.000 Menschen Neuseeland mit einem Working Holiday Visum und blieben ein bis zwei Jahre; dazu kamen 75.000 Menschen mit Studenten-Visa. Diese Gruppe bildet die Mehrzahl der Backpacker. Wer so lange bleibt, der wird auch häufig von Eltern oder Freunden besucht, die dann ebenfalls Geld in Neuseeland ausgeben.
Jetzt hat Stuart Nash den Begriff “high value” genauer definiert:
High-value visitors give back more than they take. They travel across seasons and across regions. They are environmentally conscious, and seek to off-set carbon emissions. They are respectful of local communities and cultures. […] They want to learn about local history and culture, and try new experiences.”
Eine neue Zielgruppe: Einheimische
Alex erzählt uns, wie sie den Beginn der Corona-Pandemie in Neuseeland erlebt hat: “Als im März 2020 fast alle ausländischen Touristen abreisten, war es auf einmal gefühlt ganz ruhig im Land. Keine Campervans auf den Supermarkt-Parkplätzen, keine Freedom-Camper, die ihren Müll überall liegen ließen.
Für viele Kiwis war das gar nicht so schlimm, dass die Touristen fehlten – mal abgesehen von denen, die in der Tourismusbranche arbeiteten. Ich erinnere mich noch, dass ich für eine Recherche nach Queenstown geflogen bin damals. Beim Landeanflug habe ich riesige Parkplätze mit Campervans und Leihautos gesehen, die auf einmal keiner mehr mieten konnte, weil die Touristen ja alle weg waren.
Viele Kiwis haben das ein bisschen als Erholung empfunden. Sie haben angefangen, ihr Land selbst zu entdecken. Kiwis verreisen gern, wie Deutsche. Wenn es aber ums eigene Land geht, kennen sie sich oft gar nicht gut aus. Ich habe viele Leute getroffen, die auf der Nordinsel wohnen und noch nie im Süden oder gar auf Steward Island waren.
Die Regierung Neuseelands hat schnell herausgefunden, dass unsere Wirtschaft gar nicht so tief in den Keller sacken muss, wenn die Kiwis statt ins Ausland zu reisen, einfach ihr eigenes Land entdecken und hier Geld ausgeben. Deswegen flimmerte eine neue Werbung der Tourismus-Behörde über die Bildschirme, mit dem Claim: „Do something new: New Zealand.“ (Es gibt auch wirklich lustige Videos dazu!)
Keine internationalen Touristen = kein Tourismus in Neuseeland
Einheimischer Tourismus hat sicherlich einige Unternehmen vor der Pleite gerettet und vielen Neuseeländer*innen gezeigt, wie schön ihr Land ist. Aber als Ersatz für den internationalen Tourismus – auf dem Niveau, an das man gewöhnt war – konnte und kann er nicht ersetzen.
Neuseelands Tourismus-Industrie ist fast komplett von den Besuchern aus Übersee abhängig – und ohne internationale Touristen brach das System ziemlich schnell zusammen. Ob sich Orte wie Franz Josef von der Durststrecke erholen werden, ist zweifelhaft.
“Natürlich war das Wegbleiben der internationalen Touristen für Orte wie Queenstown oder Kaikoura eine Katastrophe. Trotz der staatlichen Unterstützung haben das einige Businesses nicht überlebt. Wir haben zwar keine Massenschließungen von Hotels oder so gesehen.
Unternehmen, die kulturell einen hohen Stellenwert haben, wie „Whale Watch Kaikoura“, das den Ngai Tahu gehört, wäre ohne Hilfsmittel nach einer so langen Touristen-Dürre kläglich untergegangen. Es hat, wie so häufig, eher kleinere Unternehmen getroffen.
Jeder, der irgendwelche Touren oder geführte Wanderungen anbot, musste sich umorientieren oder im schlimmsten Fall sein Business schließen. Die Neuseeländer selbst sind ja nicht daran interessiert, etwa eine Wanderung auf den Spuren von Frodo oder so zu buchen. Dafür geben die kein Geld aus, das ist etwas für Touristen aus dem Ausland.
Ich denke, dass es jetzt bald wieder voller wird. Was sich die Locals in Zukunft von den Touristen wünschen: Mehr Achtung für die Einheimischen und die Natur. Dazu gab es vor Corona viele Diskussionen.
Leute, die ihren Müll in die kleinen Spielplatzmülltonnen gestopft haben. Dreck wurde überall zurückgelassen, obwohl es genügend Mülltonnen und Luxus-Buschklos gibt. Wilde Tiere wie Robben und Pinguine sollten nicht fürs Foto in Position gerückt und angefasst werden. Das ist echt passiert!
In Dunedin musste man einen Strand absperren, weil Touristen ihre Kinder für einen Schnappschuss auf einen Seebären setzen wollten oder die kleinen blauen Pinguine gestreichelt haben. Wenn ein Pinguin wie angewurzelt sitzen bleibt, genießt er nicht die Streicheleinheit, sondern gefriert förmlich in Todesangst. Das sind wilde Tiere und in Neuseeland ist eben meistens kein Zaun um ihren Lebensraum. Das lieben die Touristen ja auch: die Weite und die Freiheit.
Aber man ist eben nur zu Gast und sollte sich auch so benehmen. Dann haben alle mehr davon.”
Neuseeland in Zukunft mit Eintritt?
Wo wir schon beim Umweltschutz sind: Den Marketing-Slogan von “100 % pure” nimmt ja schon lange niemand mehr ernst, Neuseeland hat vielfältige und massive Umweltprobleme (nicht nur durch den Tourismus, aber durchaus auch durch diesen).
In Neuseeland zahlen Besucher seit 2019 eine “visitor levy” von pauschal 35 NZD, die IVL. Und dieses Geld geht sogar direkt an das Umweltschutzministerium. Außerdem zahlen Ausländer*innen seit 2018 für vier der Great Walks in Neuseeland doppelt so hohe Übernachtungs-Gebühren wie Einheimische. Aber ist das schon genug?
Wie groß ist wohl der CO2-Fußabdruck eines Touristen, der für eine Woche mit dem Heli zur privaten Luxusyacht rüberfliegt? Wie viel CO2 verursacht die 40-köpfige chinesische Reisegruppe, die zehn Tage lang im Bus die Must-sees in Neuseeland abklappert? Und welchen Impact hat ein Student, der drei Monate lang in seinem gebraucht gekauften Van schläft?
Ähnlich sieht es mit der Auswirkung des Tourismus auf die Gemeinden in Neuseeland aus. Klar würde man der Vermutung zustimmen, dass der Backpacker sich stärker gesellschaftlich einbringt, indem er im Pub ein Bier trinkt, beim Beach Cleanup hilft, beim Rugby mitjubelt – aber das muss nicht stimmen. Denn die Gemeinschaft braucht auch Einnahmen, von denen der Backpacker wenige erzeugt.
Die Einwohner müssen direkt mit ihren Steuern für den Erhalt von Freedom Camping Sites, öffentlichen Toiletten und Straßen bezahlen, die der Backpacker gern kostenfrei nutzt. Je abgeschiedener die Gegend, desto mehr Touristen kommen her – aber desto weniger Menschen leben hier, auf deren Schultern sich die notwendigen Ausgaben verteilen.
Neuseelands dürfte zumindest für die nächsten Jahre kein Reiseziel für Sparfüchse und Budget Traveller mehr sein. Zu teuer wird das Reisen nach und in Neuseeland werden:
- ein krass ausgedünnter Flugplan mit viel weniger internationalen Routen bedeutet höhere Preise
- ein krass ausgedünnter Markt für Miet-Camper, zusammen mit der wieder steigenden Nachfrage, bedeutet auch hier deutlich höhere Preise
- ähnliches dürfte für alle Arten von Unterkünften gelten
- deutlich gestiegene Preise dank Inflation, Krieg in der Ukraine und den Nachwirkungen der Pandemie haben die Kosten für Lebensmittel und Sprit zum Teil noch über das deutsche Niveau gehoben
- der gehobene Mindestlohn und das Pandemie-bedingte Fehlen tausender günstiger Saison-Arbeiter bedeutet, dass viele Unternehmen ihre Preise anheben müssen
Die Stimmen in Neuseeland mehren sich, die noch zusätzliche Eintrittsgebühren für Neuseelands Nationalparks fordern. Bisher ist es gesetzlich unmöglich, solche Eintrittsgelder von Touristen zu erheben, und es widerspricht eigentlich auch diametral dem neuseeländischen “spirit”. Aber diese Grundidee, dass sich jeder Mensch nach Belieben in der freien Natur aufhalten darf, entstand halt in einer Zeit, als der Mensch in Neuseeland in der Unterzahl war. Das hat sich deutlich verändert.
Warum sollen nicht genau die Leute, die für die tolle Natur herkommen und sie genau durch ihr Herkommen über die Maßen belasten, auch dafür bezahlen, sie zu erhalten? (Hier könnt ihr mehr über die Idee lesen.)
Eine weitere Idee, die sich höchstwahrscheinlich durchsetzen wird, ist die zwingende Kompensierung der CO2-Emissionen für den Neuseeland-Flug. Das wird von Air New Zealand bisher freiwillig angeboten, aber nur von einem Bruchteil der Passagiere genutzt.
Grüner Tourismus ist Neuseelands (einzige) Zukunft
Simon Upton, parlamentarischer Umweltkommissar, hat vier Forderungen an Neuseelands Tourismus-Industrie, die sie sofort umsetzen müsse, um ihr Dilemma zu lösen:
- eine “departure tax” für alle Abfliegenden, um den hohen CO2-Fußabdruck der Anreise zu reflektieren: damit soll Forschung in grünere Treibstoffe finanziert werden und die Pazifik-Nationen sollen entschädigt werden, die bereits stark vom Klimawandel betroffen sind. Auf diese Weise soll auch ein Bündnis von Ländern gefestigt werden, die alle in einer ähnlichen Lage sind – nämlich weitab vom Schuss.
- deutlich strengere staatliche Vorgaben für die Unterstützung von Tourismusprojekten, die sowohl umweltfreundlich als auch sozial sein müssen
- strenger Schutz echter, unberührter Wildnis-Gebiete in den Nationalparks – also ohne Zutritt für Touristen oder mit einer Besucherbeschränkung
- strengere Regeln zum Freedom Camping und der Art der Fahrzeuge, die dafür erlaubt sind – vor allem, um die Zufriedenheit der Einwohner mit dem Tourismus wieder zu stärken.
(Ein Punkt, den andere Umweltschützer noch dringend ergänzen wollen, ist ein Verbot des Kreuzfahrttourismus in Neuseeland oder zumindest eine starke Beschränkung. Diese Form des besonders “schmutzigen” Tourismus hat in den letzten Jahren nämlich ebenfalls exponentiell zugenommen.)
Noch ein paar Ideen von uns für “grünere” Neuseeland-Reisen nach Corona:
- mehr Radwege und Möglichkeiten für Radtouren – hier hat sich in letzter Zeit schon sehr viel getan.
- mehr Eisenbahnstrecken und besser getakteter öffentlicher Nahverkehr in den größeren Städten – hier ist Neuseeland noch ein echtes Entwicklungsland, ohne Auto kommt man kaum irgendwohin.
- mehr Park-and-Ride-Plätze mit kostenfreien Shuttles zu beliebten Wanderungen und Attraktionen, um Staus und überfüllte Parkplätze zu vermeiden
- verpflichtende CO2-Kompensationen für alle Miet-Camper – oder gleich E-Camper! Die gibt es von Maui und Britz bereits, ihre Reichweite von 120 km ist allerdings bisher ziemlich beschränkt.
Mit Stand März 2022 ist unklar, wie schnell sich die globale Tourismusindustrie nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder erholen wird – und ob sie sich wirklich verändern wird (-> noch ein bisschen Lesestoff).
Ist das Zeitalter der Billigreisen, wie wir sie kannten und liebten, vorbei? Oder werden noch mehr Menschen in die Flieger steigen, um all die verpassten Reisen nachzuholen, egal was das für Auswirkungen haben mag? Darüber haben wir schon ausführlich nachgedacht.
Eins ist klar: Wenn alles so weitergeht (oder wieder losgeht) wie zuvor, dann büßt Neuseeland binnen kurzem nicht nur sein Image eines unberührten, wunderschönen Landes ein, sondern auch die soziale Unterstützung der Bevölkerung für Tourismus – und seine letzte intakte Natur. (Wir haben bereits 2016 davor gewarnt!)
Unsere Vision: So könnten Neuseeland-Reisen nach Corona aussehen
Der tiefe Einschnitt durch die Corona-Pandemie ist auch eine Chance auf einen Neuanfang. Das sieht die neuseeländische Tourismusbranche bereits. Erste Stimmen werden laut, eine Obergrenze der Besucherzahl festzulegen.
In Bhutan, auf den Seychellen oder den Galapagos-Inseln funktioniert das Konzept beschränkter, exklusiver und gleichzeitig nachhaltiger Reisen sehr gut – warum nicht auch in Neuseeland? Die Natur und die vom Overtourism in Neuseeland genervten Anwohner würden sich freuen.
Neuseeland-Reisen nach Corona könnten so aussehen:
Wer einmal im Leben den weiten Weg ans andere Ende der Welt auf sich nimmt, der ist nicht sauer über die 1.000 NZ$ Einreisegebühr pro Person. Das klingt mehr, als es ist – man kann die Hälfte des Betrags in Form von Gutscheinen bei touristischen Angeboten einlösen. Und wer nach Neuseeland kommt, der hat genug Urlaub angespart für den Mindestaufenthalt von 21 Tagen.
Dabei hilft zum einen das bedingungslose Grundeinkommen und das Recht auf Home Office und Distance Learning, das nach weltweiten Demonstrationen wütender Eltern in vielen Ländern eingeführt wurde (die Families Against Corona-Bewegung war noch größer als Fridays for Future!).
Auf der anderen Seite hat Neuseeland freundlicherweise seine Visa-Regelungen gelockert: Wer länger als zwei Monate durchs Land reist, der kann auch als Tourist im “Fern-Homeoffice” legal weiter für seine Firma in Deutschland arbeiten. Davon haben schließlich alle etwas.
Wer länger als zwei Monate bleibt, für den reduziert sich auch die Einreisegebühr mit jedem weiteren Tag. Und wer freiwillig bei Natur- und Artenschutzprojekten mithilft, kann sich über weitere Vergünstigungen wie Gutscheine für Campsites freuen. Für Airbnb-Ferienhäuser und Miet-Camper von kleinen Firmen gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz. Große Hotelketten und Anbieter gibt es nach dem Corona-Crash in Neuseeland ohnehin kaum noch.
Neuseelands Tourismusindustrie hat sich nach dem tiefen Einschnitt durch die Corona-Krise komplett neu erfunden. Nicht mehr so viele Touristen wie möglich sollen jetzt kommen, sondern diejenigen, die dem Land etwas nützen – also Reisende, die länger bleiben, auch abgelegene Regionen entdecken, möglichst nachhaltig unterwegs sind und dabei auch Geld ausgeben.
Langzeitreisende sind die neuen Vorzeige-Touristen in Neuseeland. Klar, dass man so eine lange Auszeit am liebsten nimmt, wenn man Kinder hat. Neuseeland ist halt auch ideal für Familien. Anbieter von Helikopter-Rundflügen, Zorbing oder Bungee-Jumping sind leider großflächig pleite gegangen. Dafür poppen nun im ganzen Land neue “scenic cycleways” samt Leih-Rädern auf. Am beliebtesten bei den Touristen sind E-Bikes, mit denen sich auch die neuseeländischen Hügel bezwingen lassen. Wind und Sonne für die überall herumstehenden Aufladestationen gibt es ja genug.
Mit dem neuen System von öffentlichen Hybrid-Fernbussen kommen nicht nur die Touristen bequem durchs Land, die auf ein Mietfahrzeug verzichten. Auch die Neuseeländer selbst freuen sich über die stark gesunkenen Verkehrsunfallzahlen – und die bessere CO2-Bilanz ihres Landes. “100% pure”, den alten Slogan von Tourism New Zealand, liest man jetzt wieder ohne ironisches Augenzwinkern.
Ein Wermutstropfen: Freedom Camping im Campervan ist nicht mehr erlaubt. Das gilt mindestens solange, bis sich die Campingplätze wieder von der Corona-Pandemie erholt haben. Wo es nur wenige Campsites gibt, darf man auf Stellplätzen übernachten. Die Schutzgebühr von 15 NZ$ pro Fahrzeug dort wird direkt für die Ausstattung der Camper-Stellplätze investiert, deren Instandhaltung und Pflege wiederum Arbeitsplätze für die Region bringt.
Wer es nicht so einsam braucht, der findet auch ein schönes Plätzchen bei einem der vielen Campable-Anbieter (kein Wunder – viele Neuseeländer brauchen dringend Einkünfte). Und sowieso werden viele Touristen von den Einheimischen gern eingeladen – zum BBQ oder gleich zum Übernachten. Nach zwei Jahren der Isolation haben die Kiwis ihre berühmte Gastfreundschaft wiederentdeckt – und sie freuen sich über jeden Gast vom anderen Ende der Welt, wie früher.
(Die Idee einer solchen Zukunftsvision vom Reisen nach Corona habe ich vom Blog Jansens Pott.)
Was sind eure Gedanken zu dem Thema? Plant ihr schon Neuseeland-Reisen nach Corona? Was meint ihr, was euch erwartet?
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Finde diese Ansichten teilweise recht einseitig. Warum erkläre ich in den folgenden Punkten, möchte zuerst aber darauf hinweisen, dass ich aktuell in Neuseeland bin. Und: Alle Anbieter von Vans, Autos, BnBs etc. können sich schon jetzt kaum retten vor Arbeit, weil so viele Reisende kommen (wollen). Und die Saison beginnt ja erst noch. Also nichts da mit weniger Touristen.
Zu meiner Kritik zum Text:
– Wenn Nachhaltigkeit wirklich so gross geschrieben werden soll, dann müsste man die Reise nach Neuseeland eigentlich komplett verbieten/einschränken. Das Gepoche auf Nachhaltigkeit, gepaart mit dem unbändigen Willen (mehrmals) nach Neuseeland zu reisen, beisst sich als Europäer einfach gewaltig. Da sollte man schon ehrlich zu sich selbst sein.
– Ist die China-Reisetruppe wirklich so viel schlechter? Die reisen immerhin alle in einem Bus durch das Land. Sind da alle Backpacker, die einzeln oder maximal zu zweit in uralten Campervans unterwegs sind, die viel Sprit saufen und definitiv alles andere als umweltfreundlich sind, wirklich so viel besser, weil sie dann dort drin schlafen? Wohl kaum. Die Freedom Camping-Romantik ist eh langsam am Ende, das haben mir Einheimische hier bestätigt. Es hat nicht mehr denselben Reiz wie vor zehn, zwanzig Jahren als es AirBnB und booking noch nicht gab, man planlos drauflos gefahren ist, man dafür überall anhalten und übernachten konnte. Das einzige, was gleich geblieben ist: die Campervans selbst. Die werden immer älter und (trotzdem) immer teurer. Da stimmt auch etwas nicht.
– Was ich derzeit beobachte, ist nicht nur in NZ ein Problem: Quasi jeder Baum, See, Fluss wird (künstlich) zu einer Attraktion gemacht, dafür kostet dann auch alles Eintritt. Das enttäuscht einen oft. Da lob ich mir Kanada: Da gibt es so viel Natur zu sehen. Einfach so. Es geht aber nicht ums Geld sparen. In Kanada gibt man das so “gesparte” Geld lieber im Restaurant aus oder für eine komfortablere Unterkunft. Wenn man aber an jeder Ecke für jede vermeintliche Attraktion blechen muss, dann wird jeder, der budget unterwegs ist, zweimal überlegen, was er machen soll. Das führt in die falsche Richtung. Eines der besten Negativbeispiele: der Fake Geysir Lady Know. Was hat NZ alles zu bieten, da braucht es doch ganz sicher keinen künstlichen Geysir.
So, lange Rede kurzer Sinn: Einige Dinge haben sich sehr verändert, andere sollten sich verändern und wieder andere sind schon wieder genau wie vor Corona oder werden wieder so sein. Davon abgesehen: Danke für diesen tollen Blog, er ist sensationell gut gemacht mit enorm vielen wirklich nützlichen Infos.
Nachhaltiges Reisen an sich versuche ich, zumindest in gewissem Maße. Wenn ich mit meinem Camper in den Urlaub fahre, dann habe ich immer auch mein Fahrrad mit (kein E-Bike, sondern Muskelschmalz *ggg*). Normalerweise suche ich mir dann für mehrere Nächte einen Platz und bewege danach meinen Camper nicht mehr, sondern mache alles mit Fahrrad oder zu Fuß. Das möchte ich auch bei meiner nächsten Reise nach Neuseeland gerne machen. Ich schiebe diese ja nun seit Herbst 2020 vor mir her und nächstes Jahr im Herbst soll es dann endlich so weit sein. Ich hatte mir vor zwei Jahren bereits einen Anbieter von Mietfahrrädern in Christchurch herausgesucht, nicht weit von dem Mietwagenfirma entfernt und nahezu auf dem Weg von dort zum Campingplatz. Eine Nachfrage bei der Mietwagenfirma ergab auch, dass es bei dem Campervan, den ich mir ausgesucht hatte, möglich wäre, einen Fahrradträger anzubauen. Das einzige, was mir wirklich etwas Bauchschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass viele Straßen in Neuseeland nicht wirklich fahrradtauglich sind und die Fahrweise der Menschen (Einheimische und Touristen) ebenfalls nicht fahrradfreundlich ist. Aber diese Art, den Camper nur zu nutzen, um von A nach B zu kommen und darin zu schlafen und alles andere zu Fuß oder mit dem Rad zu machen, hat auch den Vorteil, dass man seinen Stellplatz nicht verliert, weil man halt tagsüber weggefahren ist und sich jemand anderes auf den Platz gestellt hat. Insbesondere auf den DOC-Plätzen in Neuseeland an besonders gefragten Orten (z.B. White Horse Hill) kann das ein Problem werden.
Vermutlich wird Neuseeland bis auf weiteres meine letzte Flugreise werden, in Europa mache ich alles mit meinem eigenen Camper und Südamerika oder Kanada werde ich nach meiner Pensionierung in Angriff nehmen.
Fazit ist, ich versuche, nachhaltiges Reisen und meine eigenen Reise-Vorstellungen so gut wie möglich anzupassen, weiß aber, dass ich sicherlich noch Luft nach oben habe, was ersteres angeht.
Das finde ich einen sehr guten Plan, liebe Tina! Wenn du die State Highways vermeidest, sollte das Radfahren in Neuseeland relativ sicher sein. Außerdem gibt es ja ein immer besser ausgebautes Netz an touristischen Radwegen im ganzen Land, die bestimmt richtig toll sind und die dann getrennt von Autostraßen entlangführen.
Ich wünsche dir eine traumhafte Reise durch Neuseeland!
Jenny
Ein interessantes und komplexes Thema! Um die Toristenzahlen etwas zu reduzieren ist vermutlich die Preissteigerung (sei es durch tourist taxes, teurere Flüge, u.ä.) die einzig wirklich realistische Herangehensweise. Zum einen, weil viele Touris dann natürlich abgeschreckt werden, zum Anderen weil NZ die geringeren Touristenzahlen ja finanziell wieder irgendwie kompensieren muss.
Das Dilemma ist nur, dass die reichen Menschen dieser Erde nicht automatisch diejenigen sind, die sich die größten Gedanken zu Nachhaltigkeit machen. Und ob dann eben erst wieder Luxus-Chalets aus dem Boden gestampft werden müssen, um dieses Klientel anzuziehen und zufrieden zu stellen…? Denn wenn man schon Unsummen für den Urlaub ausgibt, „will man schließlich etwas geboten bekommen…“?!
Wer weiß, durch steigende Kerosinpreise wird das Fliegen vielleicht nun wirklich dauerhaft teurer, und zusätzliche Taxes sind gar nicht nötig. Was NZs Tourismuswirtschaft insgesamt sicher hart treffen, unseren Planeten aber etwas aufatmen lassen könnte…
Alles Liebe, Julia :)
P.S.: Eine Frage habe ich noch an euch NZ-Experten: Immer wieder lese ich, dass das Leben in NZ ( Mieten, Wohnungskauf, gesunde Lebensmittel, …) deutlich teurer ist als hierzulande, die Gehälter aber unter denen der Deutschen liegen. Stimmt das? Wie geht das zusammen? Ist die Einkommensschere in NZ einfach viel größer und gibt es so viele Kiwis an der Armutsgrenze?)
P.P.S.: Toller Blog!
Die Preise sind in NZ zuletzt deutlich gestiegen, und es war ja vorher schon nicht preiswert, gesund einzukaufen. Auch der Treibstoff ist jetzt, wie wohl überall auf der Welt, nochmal teurer.
Zu den Gehältern kann man keine pauschale Aussage machen – in einigen Branchen (IT) verdient man wohl deutlich weniger als in AUS oder USA, da gibt es einen “Brain Drain”. Auswanderer berichten allerdings ja immer wieder, sie würden jetzt in NZ mehr verdienen als in Deutschland (v. a. in der Pflege und im Gesundheitsbereich). Und ja, es gibt einen deutlich größeren Anteil an Menschen und Familien in Neuseeland, die richtig arm sind; so wie wir es in Deutschland gar nicht (mehr) kennen, also ohne Schuhe rumlaufen, sich keine Monatsbinden leisten können, nicht zum Arzt gehen können etc. Das sind natürlich die Menschen, die von Preissteigerungen am härtesten getroffen werden. Viele Familien leben jahrelang in Motelzimmern, bei Verwandten in der Garage oder eben im Auto auf der Straße, weil die Mieten zu hoch sind und die Kaufpreise völlig indiskutabel… Oder die Wohnungen sind in so schlechtem Zustand, dass viele Kids Asthma vom Schimmel bekommen. Das ist eine sehr hässliche Schattenseite am Leben in Neuseeland finde ich; nur davon bekommen wir als Touristen natürlich nichts mit.
Liebe Grüße
Jenny
Echt eine richtig schwere Frage. Ich war 2010 für ein Jahr in NZ und dann 2013 und 2019 wieder. Wie sich der Zustand in den 9 Jahren schon verschlechtert hat war schon krass. Aber wie im Artikel geschrieben: die Lösung kann halt auch nicht sein, alles einfach teurer zu machen und damit die Zahlen unten zu halten. Das würde auf Kosten des “Laid Back Lifestyle” gehen, wie man schon jetzt an einigen Orten sehen kann. Ziel muss sein, dass sich die, die kommen, endlich auch wieder zu benehmen wissen. Und wie man das erreichen könnte, da fehlt mir auch ein bisschen die Kreativität. Massive Kontrollen, extreme Strafen… beides passt nicht wirklich nach NZ. Aber der “Instagram-Tourismus”, die “Leck-mich-am-Arsch-Camper” und die “ich-bin-alternativ-also-darf-ich-für-meinen-Lebensunterhalt-klauen-Asis” haben da einfach sehr viel kaputt gemacht. Und ja, zu diesen Gruppen gehören neben Massen an Asiaten (eher in der ersten Gruppe) vor allem Deutsche und Amis ♂️
In gewisser Weise ist Neuseeland ein Opfer seines eigenen Erfolges… Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Tourismus-Industrie in den kommenden Monaten hier verhält.