! Aktualisiert am 20. Oktober 2017
Das erste, was Neuseeland-Reisenden einfällt, wenn sie ihre Reiseeindrücke beschreiben: sanfte grüne Hügel, so weit das Auge reicht. Hach, diese unberührte Natur! Bevor wir weiter schwärmen: Allzu “natürlich” sind die grünen Hügel in Neuseelands Landschaft nicht. Im Gegenteil: Eigentlich könnte man sie als Mahnmal für das unbedachte und zerstörerische Eingreifen des Menschen in die Natur betrachten.
Schuld sind diesmal nicht die Europäer, die im 18. Jahrhundert nach Neuseeland einwanderten – oder jedenfalls nicht sie allein. Die Siedler aus England, Tschechien und anderen europäischen Staaten führten nur fort, was die Maori bereits 500 Jahre vorher begonnen hatten. Und wie alles, gingen unsere Vorväter auch diese Aufgabe mit entschlossener Effektivität an.
Wo die Maori ein halbes Jahrtausend brauchten, um große Laufvögel wie den Moa auszurotten, kleinere Tierarten mit Hilfe der von ihnen eingeschleppten Ratten und Hunde zu dezimieren und fast die Hälfte der Waldbestände durch Brandrodung zu vernichten, genügten den Pakeha schlappe 150 Jahre, um auch den Rest des neuseeländischen Waldes nahezu komplett zu beseitigen – heute ist gerade mal ein Viertel der Landfläche bewaldet, vor der Ankunft der Maori sollen es 80 Prozent gewesen sein.
Statt Brandrodung, die Baumstümpfe und Wurzelgeflecht intakt lässt und somit den Boden nicht wesentlich beeinträchtigt, wählten die geschickten Siedler mit ihren modernen Gerätschaften gründlichere Methoden. Sie verarbeiteten Unmassen von Bäumen in riesigen Sägewerken und fütterten damit den Weltmarkt, sie beackerten den Boden für neue Kulturpflanzen wesentlich großflächiger und legten auch 90 Prozent aller Sumpfgebiete trocken.
Der Wald, der noch da ist, wird Schritt für Schritt abgeknabbert: von 14 eingeführten Pflanzenfressern wie Hirschen, Ziegen oder Possums. Wo es passte, wurden neue Bäume gepflanzt – die man noch effektiver abholzen konnte. Schon mal die fantastisch regelmäßig gewachsenen Pinienwälder am Highway-Rand bewundert? Das sind Klone, die alle 20 Jahre per “Skyline Logging” ganzflächig abgeholzt – pardon, geerntet werden können.
Statt mit Wäldern ist Neuseeland heute mehr als zur Hälfte mit Farmland bedeckt – den idyllischen grünen Hügeln. Das Gras, das hier wächst, und die Gründüngung aus Klee und Lupinen stammt übrigens nicht aus Neuseeland, das wurde eigens eingeführt. Und das Gras wächst auch nicht einfach so: Es ist sehr anspruchsvoll und muss alle 20 Jahre sogar neu gesät werden!
Der dünne ehemalige Wald- oder Tussock-Boden konnte gar nicht genug Nährstoffe für das anspruchsvolle Gras und die intensive Belastung (wir wissen ja: 40 Millionen Schafe …) haben. Die sanften grünen Hügel werden überdüngt, von zu vielen Hufen zertrampelt und vom nächsten Starkregen weggewaschen – Erosion ist eines der gravierendsten Umweltprobleme in Neuseeland. Oder ist es die Wasserverschmutzung durch die Viehwirtschaft? Man streitet sich noch.
Seit 1920 werden die bewusst geschaffenen Weideflächen als “Naturidyll” vermarktet – wahrscheinlich auch, weil sie die Pakeha so schön an good old England erinnerten. Kein Wunder, dass das Auenland des “Hobbit” zwar in Neuseeland gedreht, aber in England erdacht wurde. Kaum einer widersprach – die sanften Hügel sahen doch viel besser aus als der wilde Busch, die Sümpfe und der Wald. Neuseeland wurde zum Vorzeigeland mit Vorzeige-Lebensstandard und eben auch Vorzeige-Postkartenlandschaft.
Dass es damit gar nicht so weit her ist, wisst ihr jetzt – und bei eurer nächsten Neuseelandreise werden euch die idyllischen grünen Hügel nur noch sorgenvolle Seufzer entlocken. Sorry!
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade “Liebstes Grün” von littlemissitchyfeet – schaut doch mal, was anderen Reisebloggern dazu eingefallen ist!
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ist unheimlich langweilig dort zu reisen, die natur ist zerstört…dazu braucht man Ihren bericht nicht zu lesen…wir waren enttäuscht, hatten nur posivitives über neuseeland gelesen…und überhaupt nichts positives gefunden….
Meinten Sie im zweiten Absatz nicht “wo die Maori ein halbes Jahrtausend brauchten […]”?
Lieber Peter,
da haben Sie natürlich Recht!
Danke für den Hinweis :-)
Der Maler Hundertwasser und der Clown Shiven haben gemeinsam in der Vergangeheit sich sehr dafür eingesetzt die kahlen Flächen aufzuforsten. Z.B. hat “Shiven” (Gunter Bennung) für seine Vorstellungen als Eintrittspreis einen Baumsetzling gefordert. Auf diese Weise kann man jetzt in Neuseeland überall kleine Wälder mitten in kahlen landschaftsflächen sehen.
Wie wahr, wie wahr – leider…
Da wäre es schön, wenn es mehr wie Barry Brickell, die wieder aufforsten :-)