! Aktualisiert am 24. Juni 2021
… sind die armen Delfine, bzw. der Umgang mit ihnen. Nein, es geht in diesem Beitrag nicht mal um die alljährliche brutale Abschlachtung hunderter Delfine im inzwischen legendären Taiji. Wir haben “nur” eine kleine Delfinstation auf der Insel Shikoku besucht – und knabbern seitdem an unserem schlechten Gewissen.
Wer auch nur ein klitzekleines Bisschen interessiert an Tierrechten und Tierschutz ist, der hat schon von Taiji in der japanischen Präfektur Wakayama gehört. Hier werden seit den 1960er-Jahren aus vorgeblich kulturellen Gründen jedes Jahr zwischen September und März (also, wenn keine Touristen kommen) etwa 1.600 Delfine in einer Bucht zusammengetrieben und dann… gefangen für ein Leben im Aquarium oder, wenn sie dafür zu alt oder zu hässlich aussehen, getötet.
Einfach so.
Die Bilder, wenn man sie sich zumutet, sind entsetzlich. Aber auch die kalte Statistik, regelmäßig aktualisiert hier nachzulesen, macht betroffen.
Aber sie sind nur die schreckliche Spitze eines Eisbergs der Tierquälerei, die – wie man fairerweise sagen muss – nicht allein auf Japan beschränkt ist. Auch auf unseren Reisen in Thailand, Vietnam und Kambodscha haben wir den Eindruck bekommen, dass Asiaten im Allgemeinen eine andere Einstellung zum Tier pflegen. D
a werden süße Eichhörnchen in winzige Käfige gequetscht und auf Märkten als Spielzeug verkauft, hübsche Kampffische stecken als Tischdeko in flachen Glasvasen, Hunde und Katzen werden vor dem Schlachten ausgepeitscht, damit ihr Fleisch besser schmeckt, und angekettete, psychisch gestörte Elefanten fristen ein klägliches Leben in Zoos oder werden von übergewichtigen Touristen geritten.
Wie geht man mit solchen Eindrücken auf Reisen um? Die Einheimischen scheint das offensichtliche Leid der Tiere jedenfalls nicht zu stören, sie nehmen sie scheinbar gar nicht als fühlende Wesen wahr. (Und wenn wir ganz ehrlich sind, stellen wir selbst solche Wahrnehmungen auch ganz gern zurück, wenn wir Fleisch aus Massentierhaltung essen, in den Zirkus gehen oder eine romantische Fiaker-Fahrt machen.)
Dürfen wir da monieren und missionieren, oder sollten wir es sogar tun?
Als Reisende, die von Japan – eigentlich – begeistert sind, haben wir Probleme wie den Walfang oder eben Taiji während unseres Aufenthalts so ziemlich ausgeblendet. (Andere Reisende wie Kirstie und Stuart vom Family Adventure Project tun das nicht und engagieren sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gemeinsam mit ihren Kindern gegen das Delfinschlachten – Hut ab!)
Wir finden es nicht gut, klar, und das haben wir auch unseren Kindern so erklärt. Aber mehr, als konsequent auf Dosen-Thunfisch zu verzichten und für Greenpeace zu spenden, tun wir eigentlich nicht für den Schutz der Meeressäuger.
Als wir dann an der südlichsten Spitze der kleinen Insel Shikoku das Kap Muroto erreichten, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen und der Pazifik geduldig an die schwarzen Basaltfelsen donnert, sahen wir dieses Schild an der Hafenschutzmauer. Und wurden neugierig.
Die Faszination, die Delfine auf uns ausüben, kennt ihr sicher auch. In Neuseeland waren wir verzaubert, als neben unserem Aquataxi ganz von selbst eine Schule Hector-Delfine auftauchte und unsere Fahrt mit Sprüngen begleitete. Sie waren so nah, dass wir sie fast berühren konnten (was wir auf dem teuren Swimming-with-Dolphins-Ausflug dann auch nicht geschafft haben).
An fast jedem Strand Neuseelands hat man die Chance, freilebende Delfine zu erblicken. Auch auf Mallorca und vor der Küste Südspaniens geht das, in norwegischen Fjorden und auch in Japan.
Wie traurig wirken diese tollen Tiere dagegen in Gefangenschaft! Ihre Kunststücke sind zwar trotzdem oder ganz besonders beeindruckend, wenn sie sie in einem Aquarium vorführen, aber man wird doch das Gefühl nicht los, dass sie draußen, im weiten Meer, wesentlich mehr Spaß hätten.
In Muroto sahen wir von Weitem einen abgegrenzten Bereich des Hafenbeckens, an dem sich viele japanische Urlauber scharten – hier wurden offenbar Delfine gehalten. Unsere Neugier überwog die Zurückhaltung, für eine offensichtliche Ausbeutung von Tieren auch noch Eintritt zu bezahlen. Immerhin wurde hier kein Delfin geschlachtet, sondern die Menschen sollten die Tiere kennenlernen, man durfte sie streicheln und mit ihnen schwimmen, es gab wohl auch ein Spezialprogramm für behinderte Kinder – ist das nicht in der japanischen Abschlachte-Kultur schon als Fortschritt zu werten und sollte unterstützt werden? Hmmm…
Beim Betreten des Geländes stellte sich natürlich alles als nicht so doll heraus. Drei Delfine lebten wirklich im recht großen Hafenbecken und konnten dort recht frei entscheiden, ob sie zu den herumdümpelnden Besuchern im Neoprenanzug Kontakt aufnehmen wollten.
Zwei Delfine schwammen aber in wirklich sehr kleinen, flachen Pools herum, damit man sie auch ohne Badeaufenthalt möglichst gut sehen konnte. Unsere höflich-kritischen Fragen wurden höflich lächelnd abgewehrt: Nein, den Delfinen würde es sehr gut gehen, sie hätten viel Spaß hier. Ähäm. Immerhin ließen sie sich von einer Trainerin mit wirklich offensichtlichem Genuss den Bauch kraulen und vom Rand des Beckens aus nächster Nähe dabei bewundern.
Ohne die Extragebühr dafür bezahlt zu haben (auweia), passierte es dabei wie von selbst, dass ich einem Delfin kurz die Schnauze gestreichelt habe – er hat sich quasi unter meine Hand geschoben!! Wie toll sich das anfasst. Und wie viel lieber ich so eine Begegnung in der freien Natur gehabt hätte.
Seitdem plagt mich das schlechte Gewissen. Hat es dem Delfin geschadet, meine ungewaschene Hand voller europäischer Keime berührt zu haben? Hat es allen dort anwesenden Delfinen geschadet, dass wir sie besucht haben, dass wir mit unserem (moderaten) Eintrittsgeld ihr Gefängnis weiter finanzieren? War unser Besuch wenigstens eine lehrreiche Erfahrung für unsere Kinder, die uns deutlich gezeigt haben, wie traurig sie die Haltungsbedingungen der Delfine fanden – ganz ohne dass wir ihnen das sagen mussten?
Wenn ihr in der Gegend seid und mal schauen wollt, hier findet ihr das “Muroto Dolphin Center” (auf Japanisch: 室戸ドルフィンセンター): 6810-162 Kujirihama, Murotomisaki-cho, Muruto-shi, Kochi, GPS: 33.268676,134.1580733
Öffnungszeiten täglich von 9:30 bis 17:30 Uhr, im Winter kürzer
Eintritt ab 435 Yen für die günstigste Variante “Hello Dolphin” – weitere Möglichkeiten sind “Dolphin Touching”, “Dolphin watching” (aus einem Glasbodenboot), “Trainer Experience” (einem Delphintrainer zuschauen) und “Dolphin swimming”.
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Die Berichte lesen sich alle toll unfassbar, was man mit den Kids so alles lustig unternehmen kann in den drei Wochen Urlaub in denen die hart arbeitenden Eltern die Kleinen aus der Tagesstätte befreien.
Wie vereinbart sich das “schlechte Gewissen” mit dem gewaltigen ökologischen Fußabdruck den eine Neuseeland bereisende Familie mit Kindern hinterlässt? Unsere Kinder sind nun erwachsen und als sie klein waren, sind wir ins Schwimmbad, in den Taunus und an den Rhein fast täglich …. und im Urlaub an den Gardasee. Für Kinder zählt nur “das Kümmern” die miteinander verbrachte Zeit, die Location ist dabei völlig unbedeutend und wird nach 10 Jahren wieder vergessen. Wir haben kein schlechtes Gewissen!
Schade, dass du auf das Thema des Beitrags gar nicht eingehst. Deine altbekannte “Aber was ist mit”-Strategie könnte ich garantiert als Retourkutsche zurückgeben, weil ihr euren Kindern kein Biofleisch gegeben habt, ihnen Nutella mit Palmöl aufs Brot geschmiert habt oder oder… Jeder Mensch in der Ersten Welt kann und muss heutzutage wegen irgendeiner Verhaltensweise ein schlechtes Gewissen haben – da sind weder wir noch du eine Ausnahme.
Ein schlechtes Gewissen, weil wir unseren Kindern die Welt gezeigt haben, machst du uns so jedenfalls nicht.
Viele Grüße,
Jenny
Solche “fass-den-mal-an-der-findet-das-toll” Einrichtungen meide ich auch – aber danke für den Bericht! Und ja, auch ich habe den Eindruck das die Japaner (woanders in Asien war ich noch nicht) eine andere Einstellung zum Tier und dessen Haltung haben. Mein persönlich abschreckendestes Beispiel ist der “Zoo” in Himeji neben der Burg. Gruselig. Ganz gruselig.
Wunderbares Gegenbeispiel: Osaka Kaiyukan (Aquarium) : schön, groß, für die Delfine zwar nicht ausreichende Becken aber dafür ganz ganz viel Beschäftigung mit denen, leider auch ein “Streichelbecken” mit Haien und Rochen, aber auch da wird peinlichst darauf geachtet das sich jeder die Hände desinfiziert und die Tiere nur an den erlaubten Stellen gestreichelt werden. Außerdem ist das Kaiyukan in Klimazonen aufgeteilt. Ja ich fand es gut :)
Generell merkt man aber das langsam ein Umdenken stattfindet. Zum Wohle der Tiere!
Jaaaaa, die Frage habe ich mir letzte Woche in Kyoto auch gestellt — meine Jüngste ist ja begeisterte Sea World Besucherin und wollte unbedingt ins Aquarium. Es war auch wirklich sehr, sehr schön, und dort hat sie auch zum ersten Mal Delfine gesehen… Das die Haltung in keinem Fall artgerecht war, ist klar — und auch, dass ich es für mich nicht brauche und ohne Kinder auch nicht unterstützen würde, genauso wie ich nicht in den Zirkus oder in den Zoo gehen würde.
Andererseits ist es nun mal normalerweise die einzige Art, wie Kinder exotischen Tieren und See-Lebewesen nahe kommen, über sie lernen und ihre Liebe zu ihnen entdecken können, und ich denke, dass sie mit der Zeit diese Art der Tierhaltung selber hinterfragen werden. Da haben wir schon einige interessante Gespräche geführt.
Es ist eine Gratwanderung…