! Aktualisiert am 8. Juni 2020
Dass wir in Tokio mit Kindern nicht allzu viele Tempel besichtigen würden, war klar. Aber einer stand fest auf dem Programm. Wir wählten den Sensoji-Schrein in Asakusa, Tokios ältesten und bedeutendsten Tempel. Ob es eine gute Idee war, den Besuch auf einen Sonntag bei gefühlten 40° Celsius und 99 Prozent Luftfeuchtigkeit zu legen?
Erst als wir in die überraschend volle Ginza Line eingestiegen waren und uns über die vielen Fahrgäste wunderten, fiel uns auf, dass heute Sonntag war – typischer Fernreise-Fehler, wenn einem der Jetlag den inneren Kalender austreibt. Ob das ein guter Tag sein würde, um einen der berühmtesten Tempel von Tokio mit Kindern zu besuchen? Diese Bedenken erwiesen sich schon beim Aussteigen aus der Metro als berechtigt, kamen aber zu spät.
Jetzt waren wir einmal da, jetzt wollten wir das auch machen.
In einem Strom von Menschen ließen wir uns aus dem U-Bahnhof Asakusa spülen. Der Menschenstrom trug uns durch Einkaufsarkaden voller Plastik-Sushi-Auslagen und sehr schnittig gekleideter Rikscha-Fahrer, deren freundliche Beförderungsangebote wir freundlich ablehnten. Ehe wir uns versahen, spülte uns der Strom aus – vor allem japanischen – Touristen vor den „Kaminari-Mon“.
Sensoji Schrein in Asakusa: von Tor zu Tor
Im Donnertor hängt, wie in fast jedem buddhistischen Tempel in Japan, ein gigantischer roter Papierlampion. Da wir ohnehin zwischen den riesigen hölzernen Säulen des Eingangstors zum Sensoji-Schrein feststeckten, nutzten wir die Gelegenheit wie alle anderen für ein Selfie und bewunderten die Unterseite des Lampions über unseren Köpfen.
Wir konnten auch schon mal die Menschenmasse würdigen, die sich wie ein sanft schwappender Fluss durch die enge Gasse Nakamise-dori, durch das “Hozo-mon”-Tor bis hinter zum eigentlichen Schrein schob.
Wir warfen nur flüchtige Blicke in die Auslagen der vielen kleinen Souvenirläden und versuchten dabei, die unbarmherzige Mittagssonne sowie die zahlreicher werdenden Kinderwünsche zu ignorieren (nach Ninja-Schwertern, Ninja-Schuhen, Kimonos…). Hier gab es nicht etwa nur die üblichen Kitsch- und Merchandise-Stände, die sonst weltweit jede Touristenattraktion umwuchern. Stattdessen eingelegtes Gemüse („tsukemono“), fantasievoll verpackte Süßigkeiten („mochi“), wunderschöne Kalligrafien und Kimonos, und Eis in Geschmacksrichtungen wie „sweet red beans“ oder „black sesame“.
Warum es diese Shopping-Meile vor dem Tempel gibt? Sie ist fast wichtiger als der Tempel selbst! Das Kaufen von Mitbringseln, wenn man einen Ausflug macht, ist nämlich ein wichtiger Teil der japanischen Kultur. Das sagt nicht nur unser Reiseführer, man sieht es an der großen Zahl von Geschäften an jeder Sehenswürdigkeit, in denen es vorrangig eben solche Mitbringsel gibt. Selbst auf der Aussichtsplattform des Tokyo Metropolitan Government Building hätten wir beistelltischgroße Pralinenschachteln kaufen können.
Die immer eindringlicheren Kinderfragen nach einem „echten“ Ninja-Schwert geflissentlich überhörend, schafften wir es endlich aus der wuseligen Gasse heraus. Vor dem eigentlichen Sensoji-Schrein musste nun das zweite Tor, der “Hozo-mon”, passiert und durchschritten werden.
Die Mittagshitze lähmte uns. Wir hockten schwitzend eine Weile im Schatten roter Säulen, während das Weltwunderbaby wieder einmal im Mittelpunkt stand. Ungerührt von der Hitze und der unerwarteten Zuneigung, erwiderte sie das „Kawaii“-Gezwitscher der entzückten Tempelbesucher mit stoischem Blick.
Apropos Tempel: Zwar hatte ich das Tokio-Kapitel unseres Reiseführers brav gelesen, aber ich habe bis heute keine Ahnung, was wir hier eigentlich angeschaut haben. Ist ein Schrein dasselbe wie ein Tempel? Was genau ist eigentlich Shinto, oder ist das hier buddhistisch? Betet man zu einem Gott oder zu etwas anderem, und wie macht man das?
Tempel und Schreine besuchen in Japan: so geht’s
Die Sonntagsbesucher bewegten sich routiniert und zielstrebig in der klebrigen Hitze von Station zu Station. Wir rafften uns aus unserer Lethargie auf, traten an eine Wand aus kleinen Schubladen und machten es wie das ältere japanische Ehepaar neben uns – sie schienen nichts dagegen zu haben, dass wir ihnen aufmerksam auf die Finger schauten.
Zuerst also ein Holzstöckchen aus einem Becher nehmen, den man vorher geschüttelt hat. Dann auf das Stöckchen schauen, die richtige Schublade öffnen (hier bekamen wir Hilfe, die eingeritzten Symbole hätten wir nie wiedererkannt) und einen Zettel herausziehen. Den japanischen Text konnten wir leider nicht lesen, aber es schien auch nicht wichtig zu sein: Man faltete den Zettel zu einem schmalen Streifen und knotete ihn dann an eine der Metallstangen, die wie Wäscheständer in der Nähe bereitstanden.
Hier hängt nun unser Zettel zwischen den Wünschen (oder Gebeten? Oder etwas ganz anderem?) der Gläubigen und wartet auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Wir ließen ihn hängen und gingen weiter zur rituellen Waschung. Die sah einfach aus und war herrlich erfrischend, die Kinder machten also gern mit: Wir schöpften mit einer langstieligen Kelle kühles Wasser aus einem Becken und gossen es erst in die linke, dann in die rechte Hand. Zuletzt wurde der Mund ausgespült (nicht schlucken, warnte ein Piktogramm, das sich offenbar an Touristen richtete) und schließlich die Kelle selbst, bevor man sie zurücklegt.
Schön erfrischt, traten wir zur nächsten Station. Welchen Sinn soll es haben, sich von beißendem Rauch aus einem großen eisernen Räucherbecken einnebeln zu lassen? Die Weltwunderkinder streikten. Wahrscheinlich bringt es Glück? Es schien zum Glück keinen zu stören, dass wir diesen Schritt ausließen. Ohnehin waren hier recht viele andere europäisch aussehende junge Menschen unterwegs, dass wir (mit Ausnahme des Weltwunderbabys natürlich) gar nicht beachtet wurden.
Wenigstens teilweise vorschriftsmäßig gesäubert, stiegen wir dann die breite Freitreppe zu dem beeindruckenden Tempelgebäude hinauf und betraten sehnsüchtig seufzend die große, dunkle Halle – die aber leider gar nicht so kühl wie erhofft war. Im Halbdunkel erblickten wir nicht allzu viel Interessantes, vor allem nichts, was man anbeten könnte.
Die Besucher gingen auch eher geschäftsmäßig an die Sache heran und warfen ihr mitgebrachtes Kleingeld in einen großen Holzkasten mit geriffeltem Deckel. Klimper, klimper – der Klang des Geldes in einem Tempel, interessant. Mehr als ein kurzes Innehalten mit gefalteten Händen folgte nicht, schon war man fertig.
Unser Fazit: Lohnt sich der Sensoji Schrein mit Kindern?
Ein japanischer Tempelbesuch mit Kindern macht Spaß, weil man viel zu tun hat. Es gibt Wasser, es gibt Feuer, es muss gefaltet werden – was will man mehr?
Trotzdem: In Sachen religiöser Stimmung hat uns der thailändische Buddhismus mit seinen vergoldeten Statuen, den brummenden Mönchsgesängen und den bunt verzierten Chedis deutlich mehr beeindruckt. Die meisten japanischen Schreine, die wir besucht haben, kamen doch etwas “karg” daher.
Deutlich stimmungsvoller und schöner fanden wir später den Tempel der Tausend Lichter auf dem Okuno-in, dem größten buddhistischen Friedhof der Welt, der auf dem heiligen Berg Koya-san liegt, oder den Fushimi Inari in Kyoto.
Wenn ihr also nur wenig Zeit in Japan habt und unbedingt in Tokio mit Kindern einen Tempel anschauen wollt, ist der Sensoji Schrein in Asakusa okay. Kommt ihr aber sowieso noch nach Kyoto oder in andere Städte, müsst ihr diesen Schrein nicht unbedingt anschauen.
Praktische Infos zum Sensoji-Schrein in Tokio:
Der Sensoji-Schrein, auch Asakusa-Jinja genannt, liegt im Stadtteil Asakusa, im Norden Tokios (aber immer noch im Zentrum!). Man erreicht ihn mit den Metrolinien Ginza und Asakusa, der Tempel ist nur wenige Schritte von der Metro-Station entfernt.
Öffnungszeiten: täglich von 6 bis 17 Uhr – aber abends ist das Tempelgelände offenbar weiterhin zugänglich und viel ruhiger. -> Bei “Reisen und Essen” seht ihr, was man dann für tolle Fotos vom Sensoji Schrein machen kann
Eintritt: frei!
-> Die Grundsatzfrage, was denn nun der Unterschied zwischen einem Tempel und einem Schrein ist und ob das überhaupt wichtig ist, beantwortet euch Elisa auf Japanliebe.de.
Wollt ihr wissen, was wir noch alles in Tokio mit Kindern gemacht haben?
- Wir waren im Schwimmbad
- Wir waren im Ghibli Museum
- Wir waren im Erdbeben-Museum (aka bei der Feuerwehr)
- Wir waren viel in der Stadt unterwegs
- Wir waren noch mehr in Tokio unterwegs
- Wir waren nebenan in Yokohama im Cup Noodles Museum
- Wir waren nebenan beim größten Buddha der Welt
- Wir hatten ein cooles Airbnb-Haus (!)
- Neuseeland mit Kind Karte: mehr als 450 Tipps für Familien auf Google Maps! - 25. Oktober 2024
- DOC Campsite Pass in Neuseeland: Lohnt er sich für Familien? - 5. Oktober 2024
- Zürich mit Kindern: Geht das auch günstig? - 12. September 2024
Hey Jenny,
nur eine kurze Anmerkung zum Holzstäbchen ziehen und Zettel anbinden im Senso-ji:
Was man da rauszieht, sind “fortunes”, also ein Blick auf das Schicksal. Beim Schütteln der Box soll man an etwas denken, das man sich für die Zukunft wünscht – und dann zieht man sich die Antwort.
(zumindest hat es uns so der lonely planet erklärt :D)
Im Senso-ji gibt es übrigens (und angeblich nur da) englischsprachige Fortunes. Das weitere Vorgehen ist dann so:
Wenn man ein “regular” oder “positive” fortune zieht, dann behält man es und freut sich tot, weil der Wunsch positiv beschieden wird. Wenn man allerdings ein “bad” fortune zieht oder eines, mit dem man nicht zufrieden ist, dann bindet man es an diesen Stangen fest und schüttelt nochmal neu ;)
(Keine Ahnung, wie oft man schütteln darf.)
Und ja, Senso-ji ist ein buddhistischer Tempel -mit verstecktem Buddha ;) – der Schrein ist hinten rechts extra, wie Du schriebst…erkennt man auch an den Namen, wie wir die letzten Wochen gelernt haben. Die Schreine sind immer “…-ji”s und die Schreine “…-gu”s. Es gab wohl auch Vermischungen früher.
Aaaah, das ist ja mal praktisch. Ise-Jingu ist also ein Schrein, und Meiji ein Tempel?!
Danke für deine Hilfe, beim nächsten Mal machen wir es besser ;-)
Meinst Du Meiji in Shibuya? Meiji-jingū ist auch ein Schrein. Der Kaiser Mutsuhito hatte nur diesen Beinamen und leider endet der auch auf -ji. ;)
[…] Wie ein Besuch im Sensō-ji genau abläuft, ist nicht ganz klar. Da der Regen immer stärker wurde, haben wir uns damit begnügt, das Innenleben des Tempels zu betrachten. […]
Hey Jenny,
du vermischt da aber Einiges ;-)
Also: Schreine sind immer shintoistisch und haben als “Merkmal” das rote Torii. Wer oder was beim Shintoismus genau angebetet wird, hab ich gerade nicht mehr auf dem Schirm, ich meine, es waren aber verschiedene Götter für verschiedene Gelegenheiten/Lebensphasen. Es gab auf jeden Fall einen speziellen Gott für Schwangere ;-) Zum Schreinbesuch gehört noch das einmalige Händeklatschen, das Läuten einer Glocke und das Verbeugen.
Tempel sind buddhistisch und meist pompöser als die Schreine.
Die meisten Japaner sind sowohl shintoistisch als auch buddhistisch. Zu einem Schrein geht man zu freudigen Ereignissen (Geburt, Hochzeit, Neujahr usw.). Tempel werden für traurige Ereignisse wie Beerdigungen genutzt, da man im Buddhismus an Reinkarnation glaubt, im Shintoismus jedoch nicht. Deswegen ist neben den Tempeln auch oft ein Friedhof (diese Steinpuppen mit den gehäkelten Mützen).
Ich finde das sehr schön, dass Japaner mehrere Religionen haben und sich quasi das Beste aus den beiden Religionen heraussuchen :-)
Ach ja, die Zettel zum Aufhängen sind Jahreshoroskope – eigentlich also eine Neujahrstradition.
Da hat sich das Couchsurfing doch gelohnt, unser Host (ein in Japan lebender Engländer) konnte das alles für Fremde verständlich erklären :-)
Liebe Grüße
Christin
Also nee, jetzt hast du mich doch nachhaltig verwirrt. Der Senso-ji ist ja ein Tempel, kein Schrein. Das war mir gerade nicht mehr klar. Dann macht das mit den Neujahrhoroskopen wieder keinen Sinn (oder wart ihr noch am Schrein nebenan?) … :-)
Siehste – er ist irgendwie beides, bzw. stehen sowohl ein buddhistischer Tempel (der Sensoji) als auch ein Shinto-Schrein (der Asakusa Shrine) auf dem Gelände. Händeklatschen und Glocke läuten habe ich dort nicht beobachtet, anderswo aber schon. Und durch einen Torii sind wir nicht gegangen – die beiden Tore sahen ganz anders aus. Der Sensoji-Schrein ist also strenggenommen kein Schrein, sondern ein Tempel – korrekt?