! Aktualisiert am 15. November 2018
Um erfolgreich mit Kindern zu wandern, braucht es nur die richtige Ausrüstung und die richtigen Spiele und Tricks zur Motivation und Ablenkung. Jedes Kind läuft doch gern, oder lässt sich noch lieber durch die Landschaft tragen – dachten wir. Bis uns Kind Nummer drei eines Besseren belehrte.
Eigentlich wandern die Weltwunderer sehr gern (wenn auch in gemäßigtem Umfang – Mehrtageswanderungen haben wir noch nie gemacht und sind auch nicht sicher, ob wir das auf uns nehmen würden…). Bisher waren wir jedenfalls der Meinung, dass so ein “Otto-Normalbürger-Wandern” auch mit Kindern jeden Alters kein Problem ist.
Hey, wir haben die Sächsische Schweiz vor der Haustür, wir sind mit einem Zweijährigen und einer Fünfjährigen in Neuseeland sieben Stunden auf einen Gletscher gelaufen, wir haben in Kambodscha einen Dschungeltreck bei gefühlten 40 °C und 100 % Luftfeuchtigkeit überstanden (zum Glück waren das nur etwa 2 Kilometer…), wir haben in Norwegen den sehr anstrengenden Aufstieg zum Preikestolen geschafft, und wir haben außerdem den Geheimtrick zum Wandern mit Baby: unsere tolle Rückentrage.
Nun ja.
Wandern mit Baby auf Mallorca?
Der Hausberg von Alcudia im Nordosten Mallorcas ist 444 Meter hoch. Hinauf führt ein breiter, mit tollen Blicken über das Mittelmeer bezaubernder, mit Bergziegen und entgegenkommenden Familien ablenkender, leicht ansteigender Weg.
Laut unserem Reiseführer benötigt man für den Hinweg bzw. Aufstieg etwa 45 Minuten. Gestärkt mit einem leckeren Mittagessen im direkt am Startpunkt liegenden Restaurant des Klosters Ermità de la Victoria, sollte das doch eigentlich kein Problem für uns sein?
Dachten wir, und zogen los. Die ersten 20 Meter fand unsere Kleinste spannend und stolperte fröhlich vorwärts. Die Großen murrten und gähnten verhalten, schlurften aber hinterdrein. Die nächsten 100 Meter waren schon etwas anstrengender, weil wir die Kleinste davon abhalten mussten, sich vom Wegrand herab in das Gebüsch am Steilhang zu stürzen, sich gemütlich hinzusetzen und die Steine auf dem Weg zu verspeisen, oder einfach den Weg wieder zurückzustolpern. Die Großen hatten derweil einen Aussichtspunkt mit drei großen Kreuzen entdeckt und beschäftigten sich selbstständig damit, nicht den Steilhang hinabzustürzen.
Für die ersten 120 Meter hatten wir bereits eine halbe Stunde gebraucht. Es war klar: Zu Fuß kommen wir hier nicht weiter und schon gar nicht zum Gipfel des Berges, jedenfalls nicht vor Einbruch der Dunkelheit. Also rein in die Rückentrage mit der Kleinsten, und los!
Wandern mit Babytrage: denkste!
Unsere Kleinste kennt und liebt diese Trage, sie wird seit ihrem zweiten Lebensmonat darin herumgetragen, sowohl vor Papas Bauch als auch auf Mamas Rücken und dem der großen Schwester. Aber wie das mit 1,5-Jährigen so ist: Die Meinungen und Vorlieben ändern sich in diesem Alter.
Sie war nun der Ansicht, keinesfalls in dem Ding getragen werden zu wollen. Unter gar keinen Umständen! Weder vorn noch hinten, nein! Und eine 1,5-Jährige bekommt man gegen ihren Willen auch nicht in so eine Trage hinein, ohne ihr (und sich selbst) dabei ernsthaft weh zu tun.
Etwa 200 Meter lang versuchte der Weltwundermann, das schreiende, sich windende und zu Boden strebende Bündel Kind vor seinem Bauch zu bändigen, während er den holprigen Weg bergan stieg. Wir anderen wechselten uns ab mit beruhigendem Zureden, aufgeregtem Diskutieren und freundlich-unschuldigem Anlächeln anderer Wanderer, die uns mit besorgter Miene überholten oder entgegenkamen.
Schließlich musste selbst ich einsehen, dass es keinen Sinn hatte. Unsere Tochter wollte nicht getragen werden. Sie wollte (und konnte) aber auch nicht selbst laufen, jedenfalls nicht in die richtige Richtung. Und unsere beiden Großen, die bisher immer freiwillig mitgewandert sind, schlossen sich der kleinen Meuternden an und freuten sich lauthals, dass sie den “öden Berg” nicht besteigen mussten.
Ich gebe zu: Ich war wirklich angepisst. Diesen Ausflug hatte ich im Reiseführer entdeckt, ich hatte ihn mir gewünscht, ich hatte mich drauf gefreut. Er war nicht allzu lang oder anstrengend, er bot kinderfreundliche Kraxelstücke und mittelgefährliche Kletterpartien und am Ende einen Gipfel, auf dessen Besteigung man stolz sein konnte, mit einer hammergeilen Aussicht.
Jetzt nur wenige hundert Meter (wie viel genau, wussten wir ja nicht) vor dem Ziel aufgeben und umkehren zu müssen, damit haderte ich, noch tagelang. Und ich war auf meine süße kleine willensstarke Tochter, die meine Pläne durchkreuzt hatte, tatsächlich richtig sauer (etwa eine halbe Stunde).
Wandern mit Kindern und Babys: nicht planbar!
Man sollte meinen, dass wir als vielgereiste Familie mit drei Kindern doch reichlich Erfahrung mit solchen Situationen haben sollten. Haben wir nicht. Bisher haben unsere Wanderungen eigentlich immer funktioniert wie geplant, jedenfalls was die Bereitschaft der Kinder anging.
Wollten unsere Kids nicht so wie wir, dann konnten wir sie immer überzeugen, es wenigstens zu versuchen, wir lenkten sie mit Spielen oder Quatschen ab – oder wir schlossen einen Kompromiss, indem wir zum Beispiel die Route änderten, eine Pause mehr machten, das betreffende Kind oder sein Gepäck trugen. Komplette Verweigerung, das kannten wir noch nicht.
An diesem goldenen Herbsttag auf Mallorca sagten wir uns seufzend: “Dann eben, wenn wir das nächste Mal hier sind”, und gingen in der Strandbar der Playa S’Illot einen Kaffee trinken.
Nach zehn Jahren Reisen mit Kind(ern) haben wir noch eine neue und wichtige Lektion gelernt, die andere Eltern wahrscheinlich schon viel eher lernen müssen: Es klappt beim Reisen mit Kindern nicht immer so, wie man es sich als Erwachsener wünscht.
Zum Glück mussten wir das nicht in Neuseeland lernen – dort kann es bis zum nächsten Mal ja eine Weile dauern. Und anders als auf Mallorca ist es dort keine Option, einfach zu verzichten, einen Kaffee zu trinken und am Pool des Ferienhauses abzuhängen.
Deshalb unser dringender Rat an euch, wenn ihr mit Kleinkindern nach Neuseeland reist: Plant Wanderungen nicht allzu fest ein und habt einen Plan B in der Tasche, falls euer kleiner Mitwanderer sich verweigert!
Wer es mit dem Hausberg von Alcudia probieren möchte: Der Weg zum Talaia d’Alcudia beginnt hinter dem Restaurant “Mirador de la Ermità de la Victoria”, dort führt ein geschotterter Weg hinter einer Schranke bergauf. Die Anfahrt per Auto über den Stadtteil Mal Pas zum Kloster Victoria dauert etwa eine halbe Stunde und ist an sich schon ein Erlebnis (Stichwort Serpentinen!). Der Parkplatz für etwa 140 Fahrzeuge war sonntagmittags selbst in der Nachsaison proppenvoll, aber kostenlos.
Update: Zwei Jahre später haben wir einen neuen Anlauf gestartet und sind erfolgreich auf den Talaia d’Alcúdia gestiegen!
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[…] von Weltwunderer erging es ähnlich. Obwohl sie ja eigentlich mit ihren beiden ersten Kindern schon zahlreiche […]
[…] gewesen wären. Warum Wandern mit Kindern nämlich nicht immer eine gute Idee ist, kannst Du hier auf dem Blog Weltwunderer von Jenny […]
Herrlich. Ich lache immernoch über diese ehrlichen und wahren Worte, die wohl die meisten wanderbegeisterten Eltern oder “noch kinderlosen Mitläufer” wie ich, kennen. Ich bin ständig mit Muttis, Papis und ihren Knirpsen und Prinzessinnen in unwegsamen Gelände unterwegs und kenne das zu gut. Genauso wie beschrieben! :-)
Mal Teufel, mal Schatz. Mal abenteuerlich witzig, mal absolut nervtötend. Und auch die sonst so bewährte Kindertrage wird manchmal völlig umsonst mitgeschleppt. Hach ja…Kinder…und trotzdem möchte man sie nicht missen.
Danke für diesen knallhart ehrlichen und (sorry) lustigen Beitrag.
Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg und Durchsetzungsvermögen bei euren Touren!
[…] von Weltwunderer erging es ähnlich. Obwohl sie ja eigentlich mit ihren beiden ersten Kindern schon zahlreiche […]
Hach, den Beitrag finde ich mal richtig schön :-) Schön ehrlich. Beim letzten Mal Wanderurlaub ist bei uns ja alles erstaunlich gut gelaufen, aber Totalverweigerung, ob jetzt beim Wandern oder vor allem beim Autofahren, das kenne ich nur zu gut. Auch den Part des sauer auf den Nachwuchs Seins. Darf man auch mal, auch wir Mütter sind Menschen und haben eigene Wünsche, die wir oft genug hinten an stellen. Und jetzt lese ich den Erfolgsbeitrag vom 2. Versuch noch :-)
LG, Nicole
Für ehrliche Worte sind wir Familienblogger ja da :-) Und ich freue mich immer zu lesen, dass es anderen Eltern ähnlich geht. Inzwischen hat sich die Lage bei uns massiv gebessert, das “Baby” läuft meistens tapfer mit – Probleme mit Totalverweigerung macht jetzt eher die Große, die mit ihren 13 Jahren kategorisch gar nicht mitkommen will. Uff – über das Reisen mit Teenagern schreibe ich wohl besser mal einen eigenen Beitrag… ;-)
Mach das! Den lese ich dann beizeiten :-D
Ja, kennen wir. :) Aber zum Glück ist es ja nur eine relativ kurze Zeitspanne im Leben eines Kindes, in der es zu groß und zu “es selbst” ist, um einfach mitgeschleppt zu werden, aber noch zu klein, um sich auf Deals einzulassen. Ich erinnere mich an einen Wander-Machtkampf am Steilhang in Norwegen, als Silas zweieinhalb war und partout nicht an der Hand laufen wollte. Inzwischen ist ein recht routinierter Wanderer aus ihm geworden. Also: Keine Angst, wird schon wieder. :)
Liebe Grüße,
Lena
Eigentlich müssten wir es ja schon kennen, gell? Aber irgendwie haben wir diese Phase bei den beiden Großen verpasst – oder die Jüngste ist halt einfach anders drauf ;-)
Na mal ehrlich, das ist doch nur gesund, dass nicht immer alles glatt läuft, oder? Im übrigen Leben läuft ja nun auch nicht alles glatt – ist jedenfalls bei uns so. Und mit kleinen Kindern gibt es in jeglicher Planung einen Unsicherheitsfaktor, der nur sehr schwer voraussehbar ist. Und eure Kleinste ist ja nun wirklich auch im “schlimmsten” Alter, in dem sich die eigene Integrität gerade voll entfaltet (“will nicht, kann nicht…” usw). Aber wie du schon schreibst, ihr konntet ja zu Plan B übergehen mit Kaffee und Pool – auch nicht schlecht! :-)
Beim nächsten Mal klappt’s sicher besser!