! Aktualisiert am 15. Juli 2021
Annette und ihre Familie haben es gemacht wie zig andere auch: Kurz vor Schuleintritt ihrer Tochter nahmen sie noch mal eine Auszeit und tauchten in Neuseeland ab. Der kleine, feine Unterschied: Sie wollten „ganz normalen Alltag“ in Neuseeland erleben und mieteten sich für zehn Wochen in Napier ein. Zu Hause auf Zeit in Neuseeland, sozusagen.
Weltwunderer: Annette, erzähl uns doch zuerst bitte ein wenig über eure Familie – wer seid ihr?
Wir sind VaterMutterKind, genauer: mein Mann, ich und unsere Tochter (jetzt 6). Wir leben in Heidelberg. Ich bin Texterin und Redakteurin und habe während der Reise darüber gebloggt. Das Reiseblog führe ich jetzt weiter – schließlich muss man ja nicht bis ans Ende der Welt fahren, um Berichtenswertes zu erleben.
WW: Ihr wart doch bestimmt ohne Kind schon mal in Neuseeland – was war diesmal anders?
Ertappt – vor elf Jahren waren der Liebste und ich schon einmal vier Wochen im Campervan in Neuseeland unterwegs und fanden es wunderbar. Diesmal waren wir von Anfang Januar bis Anfang April 2013 in Neuseeland: Drei Wochen fuhren wir im Campervan über die Südinsel und zehn Wochen lebten wir in einem Ferienhaus in Napier auf der Nordinsel.
Damals haben wir mehr Kilometer geschrubbt, uns mehr angeschaut und fast immer wild gecampt. Alle paar Tage checkten wir auf einen Campingplatz ein, um Wasser aufzutanken, den Dump auszuleeren und zu duschen. Mit Kind waren wir fast immer in „Holiday Parks“, sind weniger Kilometer gefahren, insgesamt war alles gemächlicher – was ja keinesfalls schlechter ist, nur anders eben.
WW: Wie kam es denn zu dieser langen Auszeit?
Bei meinem Mann stand ein Forschungssemester an und da unsere Tochter dieses Jahr in die Schule gekommen ist, sahen wir das als vorerst letzte Chance, nochmal länger wegzufahren. Sie war fünfeinhalb, als wir losfuhren, das ist ein prima Alter für so eine Reise: Sie hat unterwegs viel erlebt und gestaunt und wird sich an vieles erinnern.
WW: Wie viel Vorbereitung war für die Reise nötig?
Gedanklich haben wir etwa eineinhalb Jahre vorher angefangen, darüber nachzudenken. Das erste, was wir organisiert haben, war die Sitterin für unseren Hund, das haben wir etwa ein Jahr vor der Abreise klargemacht. Den Flug haben wir ein gutes halbes Jahr vor Reisebeginn gebucht, kurz danach das Haus und irgendwann später den Campervan. Das hätte man sicher früher erledigen können, aber es hat alles geklappt.
Was ich ebenfalls vorab organisiert habe, war ein Kindergartenplatz für die zehn Wochen in Napier. Wir wollten ja so tun, als lebten wir da und dachten, dass unserer Tochter etwas Kinderkontakt nicht schaden würde. Hier zu Hause geht sie in einen internationalen Kindergarten und spricht deshalb auch schon Englisch. Und ich habe mir vorab einen Chor gesucht, in dem ich mitsingen konnte.
Die Wohnung zu Hause musste natürlich auch organisiert werden, da haben wir zum Glück einen zuverlässigen Haussitter gefunden, der uns auch mal wichtige Post eingescannt und gemailt hat. Die großen Brocken waren schnell erledigt, aber der Teufel steckte wie immer im Detail.
WW: Moment – wie organisiert man denn mal eben schnell einen Kita-Platz in Neuseeland?
Ich hab es einfach probiert: nach Kindergärten in Napier gegoogelt und die angemailt. Natürlich vergibt niemand gern einen Platz für nur zehn Wochen, und die Planung für den Summer Term ab Ende Januar wird erst Anfang Januar gemacht – da waren wir ja schon mit dem Campervan unterwegs. Wir haben uns also in Kiwi-Manier entspannt und einfach gehofft, dass es klappt. Tatsächlich ist dann der mündlich zugesagte Platz Mitte Januar geplatzt, die Dame hat mir aber einen anderen Kindy empfohlen, wo wir unterkamen. Zum Glück war dort alles sehr flexibel. Die Lütte konnte vom Mittagessen bis nachmittags hingehen, was unserem Lebensrhythmus besser entsprach als ein Platz von halb neun morgens bis mittags.
Ich denke, in Neuseeland ist man einfach eher auf sowas eingestellt – wobei das in “unserem” Kindergarten auch nicht unbedingt die Regel war.*
WW: Warum wolltet ihr denn so lange an einem festen Ort bleiben?
Wir wollten nicht die ganze Zeit herumreisen und wir wollten/mussten auch arbeiten. Daher hatten wir uns diese Zweiteilung überlegt: erst einen „richtigen“ Urlaub – drei Wochen im Campervan – und dann für zehn Wochen so tun, als würden wir da einfach ganz normal wohnen :-). Eigentlich wollten wir am Ende nochmal zwei Wochen rumfahren, aber dann hat es uns in Napier so gut gefallen, dass wir dageblieben sind.
Zuerst hatten wir Dunedin im Auge, dann fiel uns aber ein, dass es auf der Südinsel im Februar und März schon ungemütlich werden kann. Wir wollten in eine Stadt, die nicht zu klein und nicht zu groß ist, an der Küste liegt und gutes Wetter hat. Damit war die Westküste der Nordinsel schonmal raus, Auckland und Wellington fanden wir zu groß –in einer kleineren Stadt orientiert man sich einfach schneller. Am Ende blieben Tauranga und Napier übrig, und nach all den Analysen durfte nochmal das Bauchgefühl ran, das sagte: Napier. Zum Glück!
WW: Wie hat denn das Arbeiten während eurer Reise geklappt?
Die Wochen im Campervan habe ich nicht gearbeitet, das war wirklich Urlaub. In Napier habe ich immer abends gearbeitet, etwa von 21 bis ca. 1 Uhr nachts, wenn die Lütte im Bett war. So war ich zu deutscher Zeit vormittags erreichbar und konnte auch Telefonate führen. Ich habe im Vorfeld keine neuen Projekte angenommen und nur mein regelmäßiges Stammkundengeschäft von Neuseeland aus gesteuert, was dank meines Netzwerks aus freiberuflichen Kolleginnen wunderbar geklappt hat. Insgesamt habe ich deutlich weniger gearbeitet als zu Hause, aber das war ja auch der Plan. Mein Mann hat gleichzeitig an seiner Forschung gearbeitet und sein Lehrstuhlteam von Neuseeland aus geleitet.
Abends wurden die Laptops aufgeklappt und der Wohnzimmertisch wurde zum mobilen Büro. Wir hatten uns einen mobilen Hotspot gekauft und den immer mit Volumen nachgeladen, das ging erstaunlich gut und war nicht so teuer wie befürchtet. Es war schon eine Umstellung, plötzlich das Büro zu teilen, und wir waren auch nicht immer hochmotiviert, uns abends noch hinzusetzen. Aber es ging unterm Strich sehr gut.
Die Auszeit hat mir gehörigen Abstand zu meinem Business verschafft, sodass ich nach unserer Rückkehr gleich ein paar Sachen umgeworfen und neu konzipiert habe. Das war auch notwendig, weil es unmöglich gewesen wäre, einfach da weiterzumachen, wo ich vor der Abreise aufgehört hatte.
WW: Neuseeland ist ja nicht billig – hat das geplante Budget ausgereicht?
Wir hatten kein festes Budget eingeplant. Teuer waren der Flug, der Campervan und Spaßkram wie Dolphin Encounter, Swimming with Seals, Whale Watching usw. Das Haus haben wir zu einem fairen Langzeitpreis gemietet und den Mietwagen ziemlich günstig ergattert. Ansonsten haben wir in unserer Napier-Zeit vermutlich nicht viel mehr zum Leben gebraucht als hier – wenn überhaupt.
WW: Ganz konkret: eure Top-Ten-Liste für Neuseeland bitte!
- mit Delfinen und Robben in Kaikoura schwimmen
- einen Wal abtauchen sehen
- den Aoraki/Mount Cook vom Südende des Lake Pukaki aus bewundern
- sich beim „Art Deco Weekend“ in Napier treiben lassen
- mit Treckern über den Strand zum Cape Kidnappers gefahren werden, um die Tölpel-Kolonie zu besichtigen
- ein Kiwi-Pärchen beim Turteln beobachten (die Vögel!)
- morgens vom Gesang eines Bellbirds geweckt werden
- Maori-Gesang und -Tanz live erleben – geht mitten ins Herz!
- im klaren, kalten Wasser des Waikato River an den Huka Falls (bei Taupo) baden und gleichzeitig mit den Zehen auf einer heißen Quelle stehen
- Neuseeländer kennenlernen und sich irgendwie zu Hause fühlen
… Es ist echt schwierig, sich auf zehn zu beschränken!
WW: Was ist besser: Nord- oder Südinsel?
Ich finde die Südinsel spannender, weil man dort so viel Verschiedenes auf recht überschaubarem Raum findet. Zum Leben fand ich die Nordinsel toll. Für uns war es also genau richtig so, wie wir es gemacht haben.
WW: Strand oder Berge?
Was mir wirklich, wirklich fehlt, ist das Leben am Meer. Wir hatten unheimliches Glück mit unserem Haus auf dem Bluff Hill in Napier: Wir konnten den türkisblauen Pazifik sehen, riechen und auch hören – abends, wenn alles still war. Die Berge finde ich super für Ausflüge, ich wandere sehr gern und bin auch zu Hause immer mal im Odenwald oder Pfälzerwald unterwegs. In Neuseeland muss man ja nicht wirklich eine Entscheidung treffen, weil beides so dicht beisammen liegt.
Wenn ich mich also entscheiden müsste: Meer.
WW: Campervan oder Ferienhaus?
Die Reise im Campervan hat Spaß gemacht, es ist toll, so unabhängig zu sein. Aber nach drei Wochen hatten zumindest wir Erwachsenen genug davon und waren froh, wieder sesshaft zu sein und mehr Platz zu haben. Ein Ferienhaus hat natürlich den Nachteil, dass man weniger rumkommt, weil man ja immer wieder zu ihm zurückfahren muss – und dass man in NZ nicht wirklich schnell vorankommt, weißt du sicher auch. Für uns war toll, dass wir nette Nachbarn hatten und schnell mit Einheimischen in Kontakt gekommen sind – das ist unterwegs im Campervan sicherlich schwieriger, weil man eher andere Reisende trifft.
WW: Was mochte eure Tochter lieber, den Campervan oder das „eigene Haus“?
Den Campervan mochte sie lieber als das Haus, vor allem ihre Schlafhöhle oben im Alkoven. Ich habe sie gefragt: Sie wäre am liebsten die ganze Zeit mit dem Campervan rumgefahren.
Sie genoss es, dass wir als Familie so viel Zeit zusammen hatten. Besonders gern hat sie alles mitgemacht, was mit Viechern zu tun hatte. Wir sind zusammen mit Robben geschwommen, haben Wale gesehen, waren in verschiedenen Aquarien usw. Dass sie beim Dolphin Encounter nur mitfahren und nicht schwimmen durfte, hat sie ziemlich empört. Wenn man sie fragt, was ihr am besten gefallen hat, sagt sie: „Als wir den Wal gesehen haben“.
Überhaupt: im Spaghettiträger-Shirt rumzulaufen und zu wissen, dass sie zuhause im Schnee sitzen, das hat ihr ziemlich gefallen. Sie war aber auch die einzige von uns, die am Ende wieder nach Hause wollte, weil sie ihre Freunde vermisste.
WW: Was würdet ihr anderen Familien raten, die nach Neuseeland reisen wollen?
Was wir uns hätten sparen können, war der Besuch der Pinguin-Kolonie in Oamaru. Vor elf Jahren konnte man dort noch zu einem Ausguck oberhalb des Strandes gehen und sie wenigstens von weitem sehen. Das ist jetzt abgesperrt, stattdessen muss man sich zur „Show“ am Abend anmelden, wenn sie an Land kommen. Das fand ich ziemlich kommerzialisiert. Besser ist es im Aquarium in Napier, wo verunglückte oder verwaiste Pinguine aufgepäppelt werden.
Unser Tipp: „Seal Swim Kaikoura“, ein Familienbetrieb, der Kinder ab ca. 5 Jahren mit ins Wasser nimmt und dann auch auf sie aufpasst – jedenfalls war es bei uns so. Man fährt in kleinen Gruppen raus, es ist sehr persönlich und einfach nett.
WW: Auf welches Gepäckstück hättet ihr nicht verzichten wollen, was war völlig überflüssig?
Unverzichtbar: Sonnencreme LSF 50. Überflüssig: Regenjacke – haha! Spaß beiseite: Normalerweise kann man die Regenjacke schon gebrauchen, aber wir haben ja einen selbst für Neuseeland untypisch trockenen Sommer erlebt. Wir hatten sparsam gepackt und sind mit 20 Kilo pro Person gut ausgekommen. Praktisch im Campervan waren Taschenlampen, wenn man nachts mal rumtappen musste. Spielzeug für unsere Tochter hätten wir noch weniger mitnehmen können, das meiste hat sie gar nicht benutzt. Unverzichtbar war allerdings ihr MP3-Player mit all ihren Hörbüchern und Musik-CDs drauf!
WW: Jetzt dürft ihr auch mal meckern …
Die Öffnungszeiten des Einzelhandels sind echt schräg. Als wir in Napier angekommen waren, wollten wir am Samstagnachmittag in der Stadt ein bisschen bummeln, um uns zu orientieren. Aber da hatte schon fast alles geschlossen, es sah aus wie in Deutschland in den 1990er-Jahren samstags nach 14 Uhr. Das war nicht wirklich schlimm, nur gewöhnungsbedürftig. Richtig lästig fanden wir allerdings, dass auch Cafés dieser Politik folgten: Mehr als einmal wurden wir gegen 17 Uhr – was ja eigentlich die typische Zeit ist, um im Café zu sitzen – rausgekehrt. Sollten wir doch irgendwann auswandern wollen, würden wir wohl ein Café eröffnen, das nachmittags erst aufmacht. Muss eine riesige Marktlücke sein.
Was wir auch nicht toll fanden, war die Verpflegungssituation, wenn man unterwegs mal schnell einen Happen essen wollte, ohne gleich ins Restaurant zu gehen. Was man an Imbiss-Food bekommt, ist meistens frittiert, fies und fettig. In Restaurants kann man sehr gut essen, aber schnelles Essen zwischendurch ist schwierig. Immer, wenn wir von einem Wochenendtrip zurückkamen, haben wir zum Ausgleich erstmal drei Tage lang Salat und frisch Selbstgekochtes gegessen. Dabei sind wir echt nicht empfindlich und essen auch gern mal einen Burger. Aber eben nicht dauernd. Und nicht mit frittiertem Fleisch zwischen den Brötchenhälften *schüttel*.
WW: Was ist eure wichtigste Lektion von dieser Reise – habt ihr etwas „mitgenommen“ für euch?
Relax. Be friendly. No worries.
WW: Ganz ehrlich: Habt ihr mit dem Gedanken gespielt, in Neuseeland zu bleiben?
Naja, das Gedankenspiel gibt es immer mal wieder. Aber eben nur als Spiel. Wäre mir Neuseeland 20 Jahre eher begegnet, wäre ich vielleicht ausgewandert. Mir fällt spontan nicht viel ein, was ich in Deutschland besser finde als in Neuseeland (okay, das Brot …). Umgekehrt fallen mir viele Dinge ein, die dort einfach schöner, angenehmer, netter und entspannter sind.
Ich finde Neuseeland also schon toller als Deutschland, aber ich bin nicht sicher, ob das nicht auch an einer gewissen Verklärung liegt und daran, dass wir es natürlich nicht so gut kennen. So richtig eine Aussage treffen kann man doch bestimmt erst nach ein paar Jahren, die man im Land gelebt hat. Und hier in Heidelberg fühlen wir uns schon enorm wohl, wir sind hier ziemlich verwurzelt, verdrahtet und auch verpflichtet und fühlen uns wirklich wohl. Nur das Meer fehlt.
Aber wir haben schon enorme Sehnsucht nach Neuseeland, insbesondere nach Napier, weil dort einfach alles stimmte.
WW: Wann geht es das nächste Mal „down under“?
Vorsichtig geschätzt: 2015. Es ist etwas schwieriger geworden, weil unsere Tochter jetzt in der Schule ist. Aber unüberwindbar ist das Hindernis nicht, wir arbeiten dran.
WW: Vielen Dank für das Interview, Annette!
* Wer mehr darüber wissen will, wie man einen Kindergartenplatz in Neuseeland findet und was man darüber wissen sollte, der liest am besten aufmerksam Annettes Reiseblog rumreiserei.de – dort wird sie demnächst noch viel Interessantes zum Leben auf Zeit in Neuseeland posten, da sind wir sicher.
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im nächsten leben will ich dort geboren werden
Ich danke DIR, Jenny, für das Interview!
Sonnigen Gruß!